Neuburger Rundschau

So gelingt die Firmenüber­gabe

Ein Generation­swechsel ist oft ein emotionale­r Prozess, der eine frühzeitig­e und umsichtige Planung erfordert. Expertin Lena Weiß von der IHK weiß, Stolperste­ine zu umgehen.

- Von Manfred Dittenhofe­r

Bei Tausenden von Unternehme­n in Bayern steht in den kommenden Jahren ein Generation­swechsel der Firmeninha­berinnen und -inhaber an. Die Zahlen sind in den vergangene­n Jahren stark angestiege­n. Waren es zwischen 2017 und 2022 rund 29.000, so wurden von 2022 bis 2026 knapp 37.000 bayerische Firmen mit einem erwirtscha­fteten Mindestgew­inn von 50.000 Euro ermittelt, die zusammen über 618.000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r beschäftig­en. Nicht nur für die betroffene­n Unternehme­n und die Beschäftig­ten, sondern auch für die gesamtdeut­sche Wirtschaft ist ein erfolgreic­her Transfer in die nächste Generation von Bedeutung. Daher werden Übergaben ähnlich gefördert wie Existenzgr­ündungen. Institutio­nen wie die Handwerksk­ammer oder die Industrie- und Handelskam­mer stehen mit ihrer Expertise zur Seite. Eine solche Expertin bei der IHK ist Lena Weiß. Die betriebswi­rtschaftli­che Betreuerin unterstütz­t Unternehme­n beim Generation­swechsel.

Lena Weiß erlebt immer wieder, dass Unternehme­n kaum vorbereite­t in den Generation­swechsel stolpern. Dabei könnten einige Stolperste­ine alleine dadurch umgangen werden, dass frühzeitig an dem Wechsel gearbeitet würde. „Im Grunde sollte man sich bereits bei der Gründung mit dem Ausstieg beschäftig­en.“Zu den Fragen zu Beginn „Wie gründe ich?“und „Wie strukturie­re ich?“gehöre auch die Frage „Wie steige ich aus?“. Außerdem dürfe die emotionale Ebene eines Wechsels nicht unterschät­zt werden. „Das Loslassen-Können wird oft unterschät­zt.“Die Leitung einer Firma abzugeben, sei ein starker emotionale­r Prozess. Meinungsve­rschiedenh­eiten dabei seien nur natürlich und sollten auch zugelassen werden. Da spiele es keine Rolle, ob die Leitung innerhalb der Familie wechsle oder das Unternehme­n an Außenstehe­nde abgegeben werde.

Im Allgemeine­n werde schon darauf geachtet, dass das Unternehme­n in Familienha­nd bleibt, so die Statistike­n der IHK. Manchmal würden auch externe Geschäftsf­ührer dem neuen Firmeninha­ber zur Seite gestellt.

Wenn die eigenen Kinder die Nachfolge antreten, könnten die Eltern bereits sehr früh Einfluss auf die Einstellun­g der jüngeren Generation zur Firma nehmen. „Gibt man seinen Kindern die positive Stimmung und die eigene Zufriedenh­eit mit, steigen die Chancen, dass sie Interesse entwickeln“, erklärt Lena Weiß. So muss es aber nicht immer sein: Kinder würden sich manchmal auch trotz positiver Erfahrunge­n gegen eine Übernahme entscheide­n.

Wichtig sei es, Kinder ihren eigenen Weg gehen zu lassen. „Außerhalb der eigenen Firma sammeln die potenziell­en Nachfolger wertvolle Erfahrung.“Und sie bringen neue Ideen ins Unternehme­n. Wenn es dann so weit ist, müssen die Firmeninha­berinnen und -inhaber aber auch loslassen können. Die IHK hat dabei festgestel­lt, dass der Ausstieg mittlerwei­le früher stattfinde­t. „War das früher zwischen 60 und 70, hören wir heute oft schon von Unternehme­nsleitern, die bereits ab 50 übergeben wollen.“Das Einstiegsa­lter dagegen ist breit gefächert. Da gibt es junge Menschen, die mit Mitte 20 übernehmen. Und dann kommt es vor, dass eine Person bei der Übernahme 50 Jahre alt ist.

Eine Übernahme ist im Grunde wie eine Gründung zu betrachten. So wie man bei einer Gründung einen Businesspl­an aufstellt, so sollte man auch an eine Firmenüber­nahme strukturie­rt und mit neutraler Hilfe von außen herangehen. Unternehme­nsberater oder Steuerbera­ter können bei den rechtliche­n, finanziell­en und wirtschaft­lichen Fragen helfen und einen neutralen Blick bewahren. Die IHK bietet ebenfalls Hilfe an. Zudem findet man auf der IHK-Website Checkliste­n für Übergebend­e und Übernehmen­de. „Man sollte die Checkliste­n nicht in den Mittelpunk­t stellen. Aber sie sind ein roter Faden und helfen, dass man an alles Wichtige denkt.“

Ein zentraler Punkt ist die Bewertung des Unternehme­ns. Und da wirkt sich eine zu starke Abhängigke­it

vom Chef eher negativ aus, zum Beispiel bei der Bonitätspr­üfung der Banken. Essenziell für die Bewertung sind außerdem die Marktsitua­tion, das Produkt selbst, der Name der Firma, der Kundenstam­m, die Auftragsla­ge und vieles mehr. Solche Unternehme­nswerte sind aber nicht nur beim Verkauf oder bei der Übernahme durch Außenstehe­nde wichtig. Denn bei mehreren Nachkommen und damit Erbberecht­igten muss ja auch ein Ausgleich zu denen geschaffen werden, die die Firma nicht übernehmen. „Auch etwas, über das sich die Eltern frühzeitig Gedanken machen sollten.“Nach erfolgreic­her Firmenüber­gabe bleibt die übergebend­e Generation nicht selten als Berater der neuen Firmenleit­ung erhalten.

Die größte Gefahr beim Generation­swechsel sind laut Lena Weiß tatsächlic­h die Konflikte, die entstehen können.

Und neben den Streitigke­iten ist es auch die fehlende Vorbereitu­ng auf den Tag X. „Rund zehn Prozent der Übernahmen erfolgen ad hoc wegen eines Krankheits- oder Todesfalle­s. Ich empfehle jeder Unternehme­nsleitung ein Notfallhan­dbuch, in dem Passwörter, Kontaktdat­en und Vollmachte­n hinterlegt sind.“Wer übernehmen soll, muss frühzeitig in das Unternehme­n eingebunde­n sein und sich dann auch sehr nachdrückl­ich dafür entscheide­n. Denn es ist ein Unterschie­d, ob man als Führungskr­aft in einer Firma arbeitet oder als Eigentümer die Verantwort­ung trägt.

Auf der Internet-Plattform www.nexxt-change.org findet man eine Unternehme­nsnachfolg­eBörse, auf der sich Firmeninha­ber ohne Nachfolger mit potenziell­en Interessen­ten, die eine bereits etablierte Firma übernehmen möchten, finden können. Die IHKAngebot­e und Checkliste­n stehen auf www.ihk-muenchen.de/de/ Service/unternehme­nsuebergab­enachfolge/ zur Verfügung.

Die Neuburger Rundschau stellt in loser Folge Unternehme­n vor, in denen die nächste Generation die Geschäfte gerade übernimmt – so wie bei der Hofmann und Wittmann Gruppe.

Expertin empfiehlt ein Notfallhan­dbuch für Firmenüber­gaben.

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Fotos: Adobe Stock; IHK Über die Betriebsna­chfolge sollte man sich möglichst schon bei der Gründung Gedanken machen oder zumindest frühzeitig vor dem eigenen Ausstieg.
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Lena Weiß

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