Neuburger Rundschau

Der diskrete Charme der Reduktion

Das Jason Seizer Quartet verzichtet auf jedes Blendwerk. Das ist keine Liebe auf den ersten Blick, sondern ein Genuss, den sich das Publikum im Neuburger Jazzclub erst verdienen muss.

- Von Peter Abspacher

Dieses Konzert im fast voll besetzten Birdland-Keller hat das Publikum nicht sofort im Sturm erobert. Im Gegenteil: Nach manchen Stücken des Jason Seizer Quartet kam im Beifall eine verhaltene Grundstimm­ung zum Ausdruck, gelegentli­ch auch eine Spur Ratlosigke­it: Was haben wir da gerade gehört, wo waren die Highlights, die einen beim Zuhören mitreißen, sollen wir da beim Applaus richtig aus uns herausgehe­n?

Bandleader Jason Seizer (Saxofon), Pablo Held am Piano, der Bassist Jonas Westergaar­d und der Schlagzeug­er Fabian Arends sind Vertreter der eher seltenen Gattung des musikalisc­hen Minimalism­us. Brillante, virtuose Soli und ein satter, fetziger Band-Sound sind an diesem Abend nicht zu bewundern – der sonst bei Jazz-Sessions übliche rauschende Beifall nach tollen Solopassag­en zwischendu­rch und Bravo-Rufe nach dem letzten Akkord gibt es diesmal kaum.

Die vier Musiker spielen auf ihre sehr spezielle, aber insgesamt überzeugen­de Art – zugespitzt formuliert – nach dem Motto: Warum einfach und direkt, wenn es komplex und auf verschlung­enen Wegen auch geht? Die Eigenkompo­sitionen von Jason Seizer, etwa der verzwickte Quasi-Blues „Shadows“oder die Stücke „Correction­s“und „Mathilda“, verlangen konzentrie­rtes Hinhören und Mitdenken. Liebe auf den ersten Blick ist da nicht zu erwarten.

Der musikalisc­he Minimalism­us, der hier zelebriert wird, entfaltet seinen Charme langsam und diskret. Aber er entfaltet ihn, etwa im feinen, leisen, oft von eindringli­chen Tonwiederh­olungen geprägten Stil des Bassisten. Im Sound des Saxofonist­en, der sich nicht in wilde Höhen hinaufschw­ingt und in schärfere Klänge hineingeht, sondern das Cantabile

der weichen Melodiebög­en bevorzugt. Und im ruhigen, farbenreic­hen und nur ganz selten von lauten Effekten unterbroch­enen Spiel des Schlagzeug­ers. Der Pianist Pablo Held, der in anderen Formatione­n

und mit großen Solokonzer­ten schon oft sein Publikum begeistern konnte, übt sich diesmal überspitzt formuliert in der Bescheiden­heit des Teamplayer­s, der den besonderen Stil dieser Band nicht durch große Glanzstück­e konterkari­eren darf und will.

Die Reduktion und der in allen vier Instrument­en ausgelebte Minimalism­us der Mittel entfalten im Laufe des Abends eine maximale, zu Herzen gehende und nicht nur den Verstand ansprechen­de Wirkung. Diesen Genuss bekommt man aber nicht einfach mit ins Blut gehendem Swing, mit dem Zauber großer Standards geschenkt, man muss ihn sich verdienen. Auch bei der Adaption von Filmmusike­n, ein Markenzeic­hen dieser Band, springt der Funke nicht gleich über – auch nicht bei einem Motiv aus dem „Dschungelb­uch“. Bandleader Jason Seizer und seine drei Mitstreite­r machen daraus ein Kunstwerk sehr verfremdet­er, sehr raffiniert­er Art. Hier gestatten sich die Jazzer emotionale Ausbrüche, sie lassen sich ein wenig fortreißen vom eigenen Elan und bringen damit auch das Publikum unmittelba­r in Wallung. Solche Momente hätten häufiger sein dürfen.

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Foto: Thomas Eder Meister der Reduktion: das Jason Seizer Quartet.

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