Wenn der Himmel zur Bühne wird
Bei Veranstaltungen im In- und Ausland zeigt der Display-Pilot des Neuburger Geschwaders, was der Eurofighter technisch draufhat – und geht an seine körperliche Leistungsgrenze.
Wie bei vielen Dingen gibt es auch bei der Fliegerei drei Kategorien von Menschen: die Gegner, die Gleichgültigen und die Fans. Von Letzteren hat das Taktische Luftwaffengeschwader 74 in Neuburg so einige, wie Hunderte Zaungäste rund um den Fliegerhorst jüngst wieder bewiesen haben. Ausgestattet mit Ferngläsern und riesigen Kameraobjektiven, blickten sie fasziniert gen Himmel, um die spektakulären Manöver, die ein Pilot mit dem Eurofighter präsentierte, zu beobachten. Im Cockpit sitzt Noble, der sogenannte Display-Pilot, der gerade für diverse Veranstaltungen im In- und Ausland trainiert und bei diesen zeigt, was einer der modernsten Kampfjets der Welt so alles kann. Doch was spektakulär aussieht, erfordert viel Training, Koordination und einen Körper, der an seine Leistungsgrenzen geht.
Den Fliegerhorst in NeuburgZell kennt Noble – sein Name darf aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden – schon von Kindesbeinen an. „Mein Papa war dort Feuerwehrmann, und so war ich immer wieder mal dabei, durfte auch mal im Cockpit eines Phantoms Probe sitzen“, sagt der heute 34-Jährige. Die Faszination für die
Fliegerei war somit schon immer gegeben. Kein Wunder also, dass der gebürtige Donau-Rieser eines Tages tatsächlich als waschechter Pilot in einem Kampfjet sitzt. Seit 2015 ist er am Standort in Neuburg – und sechs Jahre später ist er derjenige, der als Display-Pilot bei Veranstaltungen im In- und Ausland, darunter vorwiegend bei Airshows, zeigt, was der Eurofighter kann.
Von den insgesamt vier Eurofighter-Verbänden in Deutschland – neben Neuburg sind das Wittmund, Nörvenich und Laage – wird in einem dreijährigen Rotationsprinzip immer ein anderer mit der Leistungsdemonstration beauftragt. Seit 2021 ist Neuburg wieder an der Reihe, und als Display-Pilot im Cockpit sitzt Noble, der mittels Bewerbungsverfahren dafür auserkoren wurde. Um überhaupt in die Auswahl zu kommen, müssen allerdings ein paar Qualifikationen im Lebenslauf stehen, wie der Hauptmann erklärt.
So muss der Pilot mindestens 500 Flugstunden auf dem Waffensystem Eurofighter absolviert und Erfahrung als Flugdienstleiter haben. Dritte Voraussetzung ist die des Rottenführers, also die Befähigung, mehrere Flugzeuge führen zu dürfen.
Und bevor es dann ans Praxistraining geht, muss die Eignung des Piloten noch vom Staffelkapitän, dem Kommandeur der Fliegenden Gruppe, sowie dem Kommodore abgenommen werden. Und als einer von drei Bewerbern erhielt Noble schließlich den Zuschlag, „was natürlich eine große Ehre ist“.
„Körperlich und technisch geht man bei der Leistungsdemonstration wirklich an seine absoluten Grenzen“, erklärt der Pilot. So wirken bei den Manövern Kräfte von bis zu neun g, also dem Neunfachen des Körpergewichts. Hinzu kommt das Gewicht der Ausrüstung. „Allein beim Helm, der etwa 1,5 Kilo wiegt, drücken am Ende knapp 14 Kilo auf die Halswirbelsäule.“Natürlich wirken auch bei regulären Trainingsflügen oder im Zuge des Alarmstarts starke Kräfte auf den Körper. „Der Unterschied liegt darin, dass man hier binnen kürzester Zeit das Maximale rausholt.“
Innerhalb von rund zehn Minuten reihen sich mehrere Manöver aneinander, angefangen mit dem Start mit Nachbrenner, gefolgt von einem vertikalen Steigflug mit Drehungen und einem Überschlag mit schraubenartigen Bewegungen nach unten. „Es gibt eine Sicherheitslinie, auf die man immer wieder zurückkehrt, auch Repositionsmanöver genannt“, erklärt Noble. Hinzu kommen unter anderem Loopings in Form einer liegenden Acht, ein Steilflug, ein langsamer und ein schneller Überflug. „Die langsamen Manöver sind am schwierigsten, weil sie noch mehr Konzentration und Koordination verlangen.“Und all das fliegt Noble auf einer Höhe zwischen 150 und 3000 Metern.
Von der Ernennung zum Display-Piloten bis zur ersten Leistungsdemonstration vergehen rund zwei Monate, in denen fleißig trainiert wird – sehr zur Freude der Spotter in Neuburg. „Alles wird mit einer Kamera im Cockpit festgehalten und im Nachgang analysiert.“
Mittlerweile ist der 34-Jährige bei rund 20 Veranstaltungen gewesen – was allerdings nicht bedeutet, dass die Flüge zur Routine geworden sind. „Da sind teils über 150.000 Zuschauer vor Ort, da verspürst du schon einen Druck“, so Noble, der das Ganze mit einem Fußballspieler vergleicht, der vor Tausenden von Fans im Stadion auf dem Platz abliefern muss. Hinzu kommt natürlich die körperliche Anstrengung. „Nach einer Show bin ich erst mal platt“, sagt Noble, der diese gut zehn Minuten mit einer Stunde Hochleistungssport vergleicht.
Noble ist bei allen Shows mit einem rund zehnköpfigen Team vor Ort, darunter die Wartungscrew und ein Ersatzpilot. „Ohne sie alle geht gar nichts“, betont er. Und zur Pflicht gehören nicht nur die Manöver am Himmel, sondern auch der Austausch mit den Zuschauern – und dabei hatte Noble schon die ungewöhnlichsten Begegnungen. So drückten ihm etwa zwei Frauen einen Teddybären in die Hand, mit der Bitte, ihn doch beim Flug mitzunehmen. „Der Bär sitzt in Cockpits auf der ganzen Welt und hat sogar sein eigenes Logbuch, in dem jeder Flug vermerkt ist.“Von einer anderen Besucherin bekam Noble ein Wattestäbchen in die Hand gedrückt, mit der Bitte, ein wenig Ruß aus dem Triebwerk damit aufzunehmen. „Das Stäbchen hat sie dann in ein Erinnerungsalbum geklebt.“
Sechs Termine stehen heuer bei dem 34-Jährigen noch im Kalender, darunter beim Tag der Bundeswehr im Juni, bei der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin und der größten Airshow Europas in Österreich.
Ab 2025 übernimmt dann ein Pilot aus dem Geschwader in Nörvenich die Aufgabe des DisplayPiloten, den Noble wiederum in Neuburg ausgebildet hat. „Und dann übernimmt er diesen Traumnebenjob eines Kampfjetpiloten.“