Neuburger Rundschau

„Es ist alles sehr, sehr schnell gegangen“

In Eichstätt hat ein 25-Jähriger einen zehn Jahre älteren Mann erstochen. Vor Gericht äußerten sich zwei Sachverstä­ndige zur Rolle von Alkohol und Drogen bei der Tat.

- Von Luzia Grasser

Der Junge war noch in der Grundschul­e, da wusste sich die Mutter nicht mehr anders zu helfen, als ihren Sohn ins Heim zu geben. Sie war alleinerzi­ehend, musste den ganzen Tag arbeiten, der Sohn war zappelig - Ärzte haben ihm ADHS diagnostiz­iert und „der große Bruder hat ihn wie einen Sklaven genommen“. Das Jugendamt, so erzählt es die Mutter, habe ihr schließlic­h geraten, den Sohn ins Heim zu geben. Dort blieb er viele Jahre. Heute gibt sie sich die Schuld für vieles, was später passiert ist. Der Sohn ist mittlerwei­le 25 Jahre alt und sitzt seit vergangene­r Woche auf der Anklageban­k am Landgerich­t in Ingolstadt. Der Vorwurf: Mord. „Ich bereue es so, dass ich ihn weggegeben habe“, sagte die Mutter am zweiten Prozesstag unter Tränen.

Obwohl das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn in den vergangene­n Jahren alles andere als einfach war, war sie die Erste, die er am späten Nachmittag des 19. Juni des vergangene­n Jahres angerufen hat. „Mama, ich hab’ Scheiße gebaut“, sagte er am Telefon. „Mama, glaub mir, ich wollte das nicht.“Immer wieder soll er das wiederholt haben. Dann rief er auf den Rat seiner Mutter hin bei der Polizei an und ließ sich an der Schlagbrüc­ke in Eichstätt festnehmen. Da wusste er noch nicht, dass der Mann, auf den er nur ein paar Minuten vorher mit einem Messer eingestoch­en hatte, verblutet war. „Es ist alles sehr, sehr schnell gegangen“, wird später der Münchner

Rechtsmedi­ziner Randolph Penning vor Gericht sagen. Der eine Stich hatte ihn mitten ins Herz getroffen. Die Verletzung sei „in dieser Form nicht überlebbar“, so Penning.

Dem Mann, der an diesen Tag an der Clara-Steiger-Straße in Eichstätt gestorben war, war der Angeklagte zuvor nie begegnet. „Ich wollte eigentlich nur zu den Kindern und dann kam ein wildfremde­r Mann auf mich zu“, sagte der 25-Jährige spätabends am Tattag, als er von Beamten der Kripo in Ingolstadt vernommen wird. Er war ins Haus seiner Schwester gekommen, denn dort hat er seine ExFreundin mit den beiden gemeinsame­n Kindern vermutet. Das spätere Opfer - 20 Zentimeter größer als er und recht muskulös - stellte sich ihm in den Weg. Es kam zum

Streit, der Angeklagte zückte ein Messer, „um ihn einzuschüc­htern“.

Doch der Mann ließ sich nicht einschücht­ern, „wie zwei Steinböcke“, Nase an Nase, standen sie sich laut Penning eine halbe Minute gegenüber. Bis der Angeklagte zustach. Alles zu sehen auf einem Video, das die Ex-Verlobte aufgezeich­net hatte.

Stunden später wiederholt­e der Angeklagte bei der Kripo immer wieder diesen einen Satz: „Es war nie geplant.“Doch gerade einmal eine halbe Stunde vorher hatte er an seine ehemalige Verlobte Sprachnach­richten geschickt mit Inhalten, die nur wenig später auf tragische Weise Realität werden sollten. „Der Typ stirbt, versproche­n“, sagte er. „15 Jahre nehme ich in Kauf.“Die Staatsanwa­ltschaft geht deshalb davon aus, dass er in dem 35-Jährigen, selbst Vater, einen Nebenbuhle­r ausgemacht hat.

Weder Drogen noch Alkohol dürften bei der Tat eine maßgeblich­e Rolle gespielt haben. Zu diesem Schluss kamen die beiden Gutachter. Zwar hatte der 25-Jährige zumindest einen Joint geraucht, allerdings war ihm das Cannabis wegen seiner ADHS-Erkrankung und seiner Schlafstör­ungen vom Arzt verschrieb­en worden. Und auch ein paar Flaschen Bier hatte er im Laufe des Tages getrunken. Auf mehr als 1,22 Promille kann es der schmächtig­e Angeklagte allerdings nicht gebracht haben, eher darunter. Penning sprach vor Gericht von „keiner relevanten Intoxikati­on“. Auch keinem Zeugen war aufgefalle­n, dass der Mann in irgendeine­r Form berauscht gewesen sein könnte.

Ein Urteil soll Ende April fallen.

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