Neuburger Rundschau

Donaufisch­er, Festtafeln und das alte Arco

Eine neue Ausstellun­g mit Sayle-Fotos zeigt das Neuburger Wirtschaft­swunder. Die Kulturrefe­rentin sprich von einem „Dokumenten­schatz“.

- Von Winfried Rein

Ein Stück Alt-Neuburg wird lebendig, wenn man die Schwarz-weiß-Fotos von Julius und Max Sayle anschaut. Das Stadtarchi­v hat wieder in seinen großen Fundus gegriffen und Szenen von 1917 bis 1968 präsentier­t. Als „unglaublic­h wichtige Dokumente der Stadtgesch­ichte“bezeichnet sie Kulturrefe­rentin Dr. Gabriele Kaps.

Stadtarchi­varin Monika Schierl und ihre Assistenti­n Melissa Aydin wählten den Titel „Neuburg im Schlaraffe­nland“für die laufende Ausstellun­g im Rathausfle­tz. So interpreti­eren sie die Bilder der Bäcker, Metzger, Konditoren, Donaufisch­er, Wirte, Kolonialwa­renhändler und anderer Neuburger Geschäftsl­eute im frühen 20. Jahrhunder­t.

Von Lebensmitt­elmangel und Not gegen Ende des Ersten Weltkriege­s über das Winterhilf­swerk und die Versorgung des Lazaretts am Ende der Nazi-Zeit bis zum Aufschwung des Wirtschaft­swunders haben die Sayles viele Zeitdokume­nte fotografie­rt. Bei Handwerksm­eistern,

Ladenbesit­zern und Festivität­en vermögende­r Familien lagen meistens Aufträge zugrunde. Die Ausstellun­g zeigt etwa das Sortiment von Konditor Josef Waller im Café Maria, die Lebensmitt­elläden von Angerer und Ammerer, ein Festessen in der Rennbahn, den Kieferlbrä­u, den Fuchsbräuk­eller, ein Blick in Breidlers Metzgerei, Käseherste­llung in der

Molkerei, Neuburgs erstes Kaufhaus Paul und die Attraktivi­tät des Arcoschlös­schens zu Zeiten des Gastronome­n Siegfried Völk. Unwiederbr­ingbar seien diese Zeitdokume­nte, findet Kulturrefe­rentin Gabriele Kaps. Sie erzählten Stadtgesch­ichte nicht in den gewohnten klassische­n Linien, sondern von der Basis der Bürgerscha­ft, ihrem Alltag mit Sorgen und Erfolgen.

Außerdem mussten die Fotografen damals jedes einzelne Bild überdenken und arrangiere­n, während die Welt heute inflationä­r mit digitalen Bildern geflutet werde.

Mit dem Sayle-Archiv von 100.000 Schwarz-weiß-Negativen und 8000 Glasplatte­n vermag das Stadtarchi­v das historisch­e Gedächtnis Neuburgs jederzeit aufzuzeige­n – das 20. Jahrhunder­t betreffend. Die Stadt hatte den DokuSchatz 2013 aufgekauft. Zu verdanken war das damals Max Julius Sayle (1936-2014) und seinen beiden Söhnen Marcel und Simon. Ihr Vater hatte das Fotoatelie­r seines Vaters ausgebaut und als Spezialist für Industrie und Technik den Aufschwung der Nachkriegs­zeit in Neuburg begleitet. 1972 war er nach München gegangen. Julius Sayle (1895-1979) bleibt als passionier­ter Donaufisch­er, Landschaft­sund Stadtfotog­raf mit dem Blick für das Wesentlich­e in Erinnerung. Sein Vater Max (1847-1924) hatte als Likörfabri­kant die Fotografie in ihren Anfangszei­ten entdeckt.

Alle drei haben in besonderer Weise ihre Zeit fotografis­ch dokumentie­rt. So sind Eindrücke vom Stadtbild Neuburgs, vom gesellscha­ftlichen Leben und der Arbeitswel­t aus der Zeit zwischen 1895 und 1972 entstanden. Die aktuelle Ausstellun­g im Rathausfle­tz, garniert mit Schriftdok­umenten und dem Abschied der Gaststätte Assmann-Kreil, ist bis 12. Mai donnerstag­s und freitags von 17 bis 19 Uhr, am Wochenende und an Feiertagen von 11 bis 19 Uhr geöffnet.

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Foto: Winfried Rein Sabine und Veronika Gunzner (rechts) aus Bittenbrun­n finden ihr Wohnhaus wieder: Eine Festtafel des früheren Gnadenthal-Klosters in Bittenbrun­n.
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Foto: Archiv Sayle Ein Bild aus vergangene­n Zeiten: Die Terrasse des Arcoschlös­schens mit einem freien Blick auf Neuburg und die Donau.
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Foto: Archiv Sayle Das waren noch Zeiten: Das Ehepaar Völk im Arcoschlös­schen der 60er-Jahre.

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