Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Frau Esdar, Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer demonstrieren plötzlich Einigkeit. Jubeln Sie mit?
WIEBKE ESDAR: Ich bin erstmal zufrieden, dass beide zur Sacharbeit zurückgekehrt sind. Aber die große Frage ist jetzt, wie wir dazu kommen, dass wir vertrauensvoll am Koalitionsvertrag weiterarbeiten können. Ich sehe das noch nicht.
Die Koalition stand ja wochenlang unter einer Zerreißprobe. Was nährt die Hoffnung, dass es nun besser wird?
ESDAR: Ich finde, wir haben da ein unverantwortliches Schauspiel erlebt. Da sind aus Sicht der SPD noch eine Menge Fragen offen. Es war vor diesem Hintergrund gut, das Andrea Nahles zuletzt zweimal den Koalitionsausschuss angerufen hat, um diese Fragen zur Sprache zu bringen.
Kann es mit einem Innenminister Seehofer ein „Weiter so“geben?
ESDAR: Ich finde es vor allem bedenklich, wie Seehofer bis in den späten Montagabend hinein bereit war, Kanzlerin Merkel zu beschädigen. Er muss erklären, wie er das beschädigte Vertrauen gegenüber der Koalition, der Bevölkerung und auch Europa wiederherstellen will. Solange er das nicht tut, halte ich es für keine gute Sache, dass er bleibt.
Wie bewerten Sie den Asylkompromiss inhaltlich?
ESDAR: Die bei diesem Gespräch vereinbarten Punkte werfen mehr Fragen auf, als dass sie zu Lösungen beitragen. Es ist ein dünner Kompromiss, der zudem weder praktikabel noch human ausgefallen ist. Wir haben zu diesen Fragen im Koalitionsvertrag schmerzhafte Kompromisse gemacht. Seither hat sich an der Situation nichts geändert. Wenn die gemeinsam vereinbarten Positionen nun auf diese Weise aufgebrochen werden, müssen wir darüber reden, auf welcher Basis künftig regiert wird.