Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Sebastian P. wechselt jedes Jahr seinen Gasanbieter. Dieses Mal bekommt er von gleich zwei Anbietern Absagen. Die Begründungen dafür bleiben schwammig
Bielefeld. Sebastian P. (Name von der Redaktion geändert) ist genervt. Schon wieder hat er eine Absage im EMail-Postkasten. Seit drei Wochen versucht der Bielefelder, einen neuen Gasanbieter zu finden – erfolglos. Über die Online-Vergleichsplattform Verivox hatte er Angebote verschiedener Gasanbietern verglichen und sich für einen entschieden.
Die Plattform wirbt damit, sich schnell und unkompliziert um den Wechsel zu kümmern. Der Kunde muss lediglich die erforderlichen Daten an Verivox weitergeben. Das hat Sebastian P. gemacht; mehrmals. Doch statt eines neuen Vertrags flatterte jeweils etliche Tage später eine Absage des potenziellen Anbieters ins Haus. Von zwei verschiedenen Anbietern. Deren Begründungen? Schwammig und standardisiert.
„Die Entscheidung kann verschiedene Gründe haben. So kommt ein Vertrag nicht zustande, wenn Ihr Zählpunkt nicht ermittelbar ist oder der Zählertyp nicht unterstützt wird“, heißt es etwa von Grünerfunke. Enstroga bedauert: „Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Gründe, auf die wir keinen Einfluss haben.“Ein Satz macht Sebastian P. allerdings stutzig. Grünerfunke nennt als möglichen Absagegrund auch eine „negative Vertragslaufzeitprognose“. Sebastian P. wechselt den Anbieter jährlich – um Kosten zu sparen. Wissen Verivox oder die Energieversorger von Sebastian P.s jährlichem Wechsel und stufen ihn deshalb als nicht-lukrativen Kunden ein?
Lundquist Neubauer, Verivox-Sprecher , distanziert sich auf Nachfrage dieser Zeitung von den Vorwürfen. „Wir sind letztlich nur der Vermittler. Wir übermitteln die notwendigen Wechseldaten der Kunden. Daten von Dauerwechseln weitergeben – so etwas machen wir nicht.“Auf Nachfrage bei den beiden Strom- und Gasanbietern direkt heißt es ebenfalls: „Dazu können wir keine Auskunft geben.“
Dabei ist Sebastian P. längst nicht der einzige, der solche Spekulationen aufstellt. Auf Bewertungsplattformen tummeln sich negative Kommentare zu Verivox. Viele Kunden haben offenbar Probleme mit langen Wartezeiten, sodass in vielen Fällen ein Wechsel aufgrund der nicht eingehaltenen Kündigungsfrist gar nicht mehr möglich war.
Auch Christina Wallraf, Energieexpertin der Verbraucherzentrale NRW, kennt die Gerüchte um Vergleichsportale wie Verivox. „Ich weiß nicht, ob sie Daten weitergeben oder ob Unternehmen sich untereinander austauschen, wie lange Kunden bei einem Anbieter waren. Das sind erstmal nur Spekulationen, aber sie sind mir nicht neu.“
Zwar rät die Expertin Verbrauchern, regelmäßig nach neuen Strom- bzw. Gastarifen Ausschau zu halten – ruhig auch über Online-Vergleichsportale. Dabei sollten sie aber die Sucheinstellungen der Portale genau prüfen. „Voreingestellt ist die Suche natürlich so, dass das Portal möglichst gut dabei wegkommt“, sagt Wallraf. Der Kunden-Bonus bei einem Wechsel sei zum Beispiel automatisch im Gesamtpreis eingerechnet, sodass der auf den ersten Blick sehr günstig wirke.
Wallraf empfiehlt, die Einstellungen individuell anzupassen: Die Erstvertragslaufzeit sollte maximal zwölf Monate betragen, die Folgelaufzeit zwischen einem und drei Monaten und die Kündigungsfrist vier Wochen. Darüber hinaus sollte der Nutzer seinen alten Tarif angeben, damit das Portal einen passenden Vergleichswert hat. „Ansonsten zieht sich das Portal den Grundversorgungstarif als Vergleichswert und der ist meistens deutlich teurer, sodass die Ersparnis wieder viel größer aussieht.“
Ansonsten gelte für Angebote von Energieerzeugern das gleiche wie für alle anderen Vertragsangebote: Das Kleingedruckte genau lesen – vor allem, wenn es um Bonuszahlungen geht. Solche Tarife sind laut der Verbraucherzentrale „bestenfalls im ersten Lieferjahr“attraktiv.
Wenn der Bonus denn dann überhaupt ausgezahlt wird. Denn im Netz häuft sich die Kritik, dass Verbraucher monatelang auf ihr Geld warten – auch von Verivox. Bei Sebastian P. hat das bis jetzt jedes Mal geklappt. Dieses Mal wird es allerdings knapp, überhaupt noch rechtzeitig einen anderen Anbieter zu finden – ob mit oder ohne Bonus. Denn die Kündigungsfrist seines alten Vertrags ist fast ausgeschöpft. Mit viel Pech fällt er zurück in die Grundversorgung. Das ist zwar grundsätzlich kein Beinbruch – aber eben deutlich teurer als bisher.