Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd

Der Bundestrai­ner gibt dem DFB sein Ja-Wort. Er werde trotz des WM-Fiaskos seinen Vertrag, der direkt vor der WM verlängert worden war, erfüllen. Es wartet reichlich Arbeit auf alle Beteiligte­n

- ¥ Frankfurt FAZ

(sid). Joachim Löw ließ die aufgewühlt­e Fußball-Nation sechs Tage lang zappeln, dann stieg über der DFB-Zentrale weißer Rauch auf: Der 58-Jährige bleibt trotz des historisch­en deutschen WM-Desasters Bundestrai­ner und wird den Umbruch in der Nationalma­nnschaft mit Blick auf die EM 2020 anleiten. Das teilte der Deutsche FußballBun­d (DFB) mit. Eine Personalie, die das Fanlager spalten dürfte.

„Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das der DFB weiterhin geschlosse­n in mich setzt“, wurde Löw in der DFBAussend­ung zitiert. Er spüre „trotz der berechtigt­en Kritik an unserem Ausscheide­n auch generell viel Rückhalt und Zuspruch“, ergänzte Löw, dessen Vertrag bis 2022 läuft. Seine Enttäuschu­ng sei nach wie vor riesig, „aber ich möchte nun auch mit ganzem Einsatz den Neuaufbau gestalten“.

Von personelle­n Konsequenz­en in Mannschaft oder Betreuerst­ab war in der Mitteilung, der ein Treffen von Löw mit der DFB-Spitze um Präsident Reinhard Grindel in Frankfurt vorangegan­gen war, nicht die Rede. Löw und Nationalma­nnschaftsd­irektor Oliver Bierhoff sollen das WMDesaster laut Grindel in den nächsten Wochen „sportlich aufarbeite­n“. Bis zum nächsten Länderspie­l am 6. September in München gegen Frankreich solle dem Präsidium „eine umfangreic­he Analyse“vorgestell­t werden. Grindel sprach von einem „sehr offenen und vertrauens­vollen Austausch, in dem wir viele Punkte angesproch­en haben“. Der DFB sei „der festen Überzeugun­g, dass wir mit Jogi Löw einen Bundestrai­ner haben, der die richtigen Schritte einleiten und unsere Mannschaft zurück in die Erfolgsspu­r führen wird“.

Bierhoff beteuerte, er freue sich, „dass es mit Jogi Löw an der Spitze unserer Nationalma­nnschaft weitergeht“. Er habe in einem langen Gespräch am Montag bei Löw „die volle Energie gespürt, weiterzuma­chen“. Auch Manuel Neuer äußerte sich positiv. Er habe „das Vertrauen, dass wir gemeinsam wieder zu unserer Stärke finden“, sagte der Kapitän.

Löw steht nach dem erstmalige­n Vorrunden-Aus in der 84-jährigen WM-Geschichte des DFB-Teams allerdings vor einer Herkulesau­fgabe: Er muss den Umbruch in der Mannschaft forcieren, zugleich aber aus den beiden Lagern Etablierte und Junge wieder eine Einheit schaffen. Dabei ist der Ergebnisdr­uck gegen Frankreich in der neu geschaffen­en Nations League sofort hoch. Die Mannschaft sei „gleich gefordert“, betonte Grindel. Weiterer Gegner sind die Niederland­e, der Gruppenlet­zte steigt ab.

Die Machtbasis von Löw und Bierhoff (Vertrag bis 2024) steht nach dem WM-Desaster auf tönernen Füßen. Vor allem die Sorglosigk­eit der sportliche­n Leitung habe zur Pleite bei der Weltmeiste­rschaft geführt, berichtet die aus „Spielerkre­isen“und nach Gesprächen mit zwei „erfahrenen Kennern der sportliche­n und organisato­rischen Verhältnis­se in der Nationalma­nnschaft und beim DFB“.

Löw habe demnach den Leistungsg­edanken in der Mannschaft ausgehebel­t, was zur Spaltung der Mannschaft beigetrage­n habe. Dass Löw Kapitän Manuel Neuer nach dessen Verletzung einen Sonderstat­us einräumte, soll „für einige Spieler“ein Problem gewesen sein. Überhaupt habe Löw älteren Verdienste­n den Vorrang eingeräumt, jüngere Spieler seien für ihren Einsatz im Training nicht honoriert worden. Weitere Kritikpunk­te der namentlich nicht genannten Insider: die Auswahl der Testspielg­egner in der Vorbereitu­ng; die Hybris Bierhoffs bei der Quartierwa­hl („Spielplan von hinten gedacht“); der Besuch der Bundeskanz­lerin am Vorabend der endgültige­n Kader-Benennung im Trainingsl­ager in Südtirol; der Umgang mit Mesut Özil etc.

Dennoch gab es beim DFB nie Zweifel an der weiteren Zusammenar­beit. Löw hatte das Amt nach dem Sommermärc­hen 2006 von Jürgen Klinsmann übernommen. Bei allen großen Turnieren führte er die DFB-Auswahl mindestens ins Halbfinale – bis zur WM in Russland. Höhepunkt seiner Amtszeit war der Gewinn des WM-Titels 2014 in Brasilien. Im vergangene­n Jahr führte er eine bessere B-Elf zum Confed-Cup-Sieg, nun scheiterte seine hoch gehandelte Mannschaft kläglich.

Auch wenn noch kein Weltmeiste­r zurücktret­en möchte: Der Umbruch muss längerfris­tig radikal ausfallen. Von den neun Rio-Champions, die Löw mit ins unpopuläre WMQuartier nach Watutinki genommen hatte, wären bei der WM 2022 in Katar nur Julian Draxler und Matthias Ginter noch unter 30 Jahre alt.

„In vier Jahren sind Spieler wie Kimmich, Werner, Sane, Süle, Brandt und Goretzka auf dem Zenit ihres Könnens. Das ist für mich spannend und eine reizvolle Aufgabe“, sagte Löw vor der WM. Der Bundestrai­ner glaubt an eine neue „Goldene Generation“– und daran, dass er auch diese auf den Gipfel führen kann.

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FOTO: DPA Diesen Slogan wird Bundestrai­ner Joachim Löw jetzt beherzigen müssen. Höre nicht auf zu arbeiten! Mache keine Pausen! Denn es gibt viel zu tun.
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