Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Die Stadt will wissen, auf welchem Entwicklungsstand die Jungen und Mädchen bei der Einschulung sind. In Baumheide, Sieker und Sennestadt hakt’s
Bielefeld. Wann ein Kind fit für die Schule ist, hängt nicht allein vom Alter ab: Entscheidend für den Schuleintritt ist der Entwicklungsstand des Kindes. Der aber könnte bei den i-Dötzen nicht unterschiedlicher sein. Das wird im aktuellen Gesundheitsbericht der Stadt deutlich, der heute im Jugendhilfeausschuss vorgestellt wird.
Für Marcus Heidemann, Sprecher der 28 Kinder- und Jugendärzte im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, ist das nichts Neues. „Es gibt eine ganze Reihe Kinder, bei denen zu wenig Förderung läuft“, sagt er. Hinzu käme häufig zu hoher Medienkonsum und zu wenig Bewegung.
Er kennt Kitas im Umfeld seiner Praxis in Stieghorst, in denen der Anteil der Kinder mit Förderbedarf sehr hoch ist. „An der Grundschulfähigkeit mancher Kinder dort muss man zweifeln.“Das sei aber nicht die Regel. „Wir haben auch Kinder in der Praxis, die pfiffig sind“, sagt er. Aber es gebe sie eben, die Kinder, die mit großen Problemen zu kämpfen hätten, weil diese zu spät angegangen seien.
Kathrin Meise-Waltking ist Schulleiterin an der Hellingskampschule, einer Grundschule mit einem Migrationsanteil von 95 Prozent. Sie sagt: „Die Schere derjenigen, die wenig können und derjenigen, die fit sind, wird immer größer.“So kämen Kinder zu ihr an die Schule, die nicht mal einen Stift halten könnten. Die Schule steuert mit individuellen Förderungen dagegen. „Wir können nicht warten, bis eine ganze Klasse den Stift hält“, sagt sie. „Wir müssen sie da abholen, wo sie sind.“Ein großes Problem seien auch die mangelhaften Deutschkenntnisse.
Schon für die Jahre 2010 bis 2012 hatte es einen Gesundheitsbericht der Stadt gegeben, der jetzt für die Jahre 2015 bis 2017 fortgeschrieben wurde. „Damals gab es Auffälligkeiten in bestimmten Bezirken“, sagt Gesundheitsdezernentin Anja Ritschel. So wurden viele Kinder (50) ermittelt, die im statistischen Bezirk Baumheide wohnten, und wenig Zahlenvorwissen hatten. Aktuell waren es dann nur noch 14. „Wir haben darauf reagiert und in den städtischen Kitas verstärkt mit Mathematikkisten gearbeitet“, sagt sie. „Da hat also was gegriffen.“
Dafür gibt’s heute an anderen Stellen Probleme: So leben im Bezirk Siegfriedplatz vergleichsweise viele unversorgte Kinder mir Schwierigkeiten bei der Körperkoordination.
„Das hat uns etwas verblüfft“, sagt Ritschel. 23 Kinder waren das in den Jahren 2015 bis 2017, 2011 bis 2013 waren es weniger als 3. Jetzt müsse man schauen, ob es dort vielleicht zu wenig Spielplätze gebe, sagt Ritschel.
Woanders ist’s dramatischer: Die sogenannten Mehrfachbelastungen treten vor allem in Baumheide, Sieker und Sennestadt auf. Bei 73,8 Prozent der untersuchten Kinder aus Baumheide war die Erstsprache zum Beispiel nicht Deutsch. Ritschel: „Dort müssen wir gezielt Sprachförderung machen.“
Maike Klein vom Kinderund Jugendärztlichen Dienst der Stadt kennt aus der Praxis viele Kinder mit einer schlecht entwickelten Grobmotorik oder auch Körperkoordination. „Hinzu kommen Kinder, die Sprachschwierigkeiten haben.“Gerade an Brennpunkt-Schulen gebe es da große Unterschiede, was die Kinder leisten könnten. „Viele haben Zuhause keine Sprachvorbilder mehr“, sagt Klein. In der Schule hätten sie dann zum Beispiel Probleme mit der Pluralbildung. „Die Kinder werden heute mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen eingeschult.“
An der Grundschule Oldentrup gibt es laut Schulleiterin Barbara Albath einzelne Kinder, die auffallen. „Ich habe aber das Gefühl, es ist besser geworden“, sagt sie. In Sachen Frühförderung passiere in den Kitas unheimlich viel. Auch Eltern aus bildungsfernen Schichten würden das beste für ihre Kinder wollen. „Sie bemühen sich da sehr.“