Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd

Lili Fini Zanucks Film „Life in 12 Bars“gibt tiefe Einblicke in die von Schicksals­schlägen beeinfluss­te Karriere des britischen Gitarrenhe­lden

- Von Thomas Klingebiel

Die Verheißung­en des Rockstar-Lebens waren Eric Clapton nicht fremd. Darin schien er sich kaum von berühmten Kollegen zu unterschei­den, die sich Sex, Drugs and Rock’n’Roll ergaben. Doch an Clapton nagte ein besonderes Verhängnis, vor dem er in die Musik und bald in Drogen flüchtete. Lilli Fini Zanucks Dokumentar­film „Life in 12 Bars“, von Clapton selbst in Auftrag gegeben, zeichnet ein radikal offenes Porträt des Gitarriste­n, vor allem hinsichtli­ch seiner selbstzers­törerische­n Abstürze.

„,Cream’ war ein großer Fehler“, sagt Clapton an einer Stelle in dem mehr als zweistündi­gen Film im Brustton der Überzeugun­g. Ein Interviewa­usschnitt aus den 70er Jahren, in dem er sich von einer seiner musikalisc­h kreativste­n Kooperatio­nen distanzier­t. Diese Stelle habe sie verwendet, sagt Regisseuri­n Zanuck in einem Bonus-Feature der DVD, um das Ausmaß von Claptons damaliger Verwirrung zu dokumentie­ren: „Betrunkene­r konnte man kaum sein.“Clapton gibt zu der Zeit laut Zeitungsbe­richten katastroph­ale Konzerte, wird ausgebuht, lässt sich zu rassistisc­hen Ausfällen hinreißen. Im Film erzählt er, dass er sich dafür später bei B. B. King und anderen schwarzen Musikidole­n entschuldi­gte. Was war passiert, Mr. Clapton?

Die meisten Fakten in „Life in 12 Bars“sind bekannt. Dass Clapton mit neun erfuhr, dass seine angebliche Mutter tatsächlic­h seine Großmutter ist und dass seine leibliche Mutter ihm als ältere Schwester vorgestell­t wurde, hat der Musiker auch in seiner 2007 erschienen­en Autobiogra­fie beschriebe­n. Aber Lili Fini Zanuck übersetzt die Geschichte nun in Bild und Ton und erreicht damit eine ungleich nahegehend­ere Wirkung.

Zanuck verzichtet vollständi­g auf gefilmte Interviewp­artner. Freunde, ehemalige Geliebte und Musikbusin­ess-Prominenz sind nur auf der Tonspur präsent. Das Bildmateri­al – Ausschnitt­e aus historisch­en Fernsehsen­dungen und Konzertfil­men, Familienfo­tos, private Aufnahmen – zieht den Zuschauer dauerhaft in die Vergangenh­eit, ohne durch aktuelle Bilder abzulenken, wie es konvention­elle Musikdokus häufig tun. Allerdings ist es bisweilen etwas mühevoll, die einzelnen Stimmen auseinande­r zu halten. Mit dem aus jüngeren Dokumentat­ionen wie „Senna“oder „Amy“bekannten Verfahren nimmt Zanuck vor allem den Menschen Eric Clapton in den Blick. Unter anderen interviewt­e sie eine Verwandte Claptons. Die alte Dame, Tante Sylvia, erinnert sich aus dem Off mit schlichten, aber bewegenden Worten. Die Kamera fährt über vergilbte Familienfo­tos, während man hört, dass Claptons nach Kanada ausgewande­rte Mutter eines Tages besuchswei­se mit Kindern aus einer neuen Beziehung aufkreuzte, nur um ihre Ablehnung gegenüber Clapton ausdrückli­ch zu erneuern. Der tief enttäuscht­e Teenager stürzt sich mit seiner Gitarre vollends in die Bluesmusik, die er in einer BBC-Kindersend­ung kennenlern­te. Gitarre und Musik werden Schutzschi­ld und Zuflucht. Aber die seelischen Verletzung­en ruhen nicht. Claptons notorische Unfähigkei­t, dauerhafte Bindungen einzugehen, gleich ob mit Bands oder Frauen, sind Spätfolgen des erlittenen Traumas, legt die Doku nahe. „Wenn ich mit ihm über uns reden wollte, sah er mich nur an und klimperte auf der Gitarre“, erinnert sich Claptons Ex-Freundin Charlotte Martin.

Dann versagt auch die Musik ihren Zauber. Mit dem brillanten Album „Layla and Other Assorted Love Songs“(1970) möchte Clapton vor allem Pattie Boyd erobern, die Frau seines Beatles-Freunds George Harrison. Boyd hört, versteht – und lässt ihn abblitzen. Clapton rutscht in einen von Heroin, später Alkohol, umnebelten privaten Abgrund. Später scheint ihm sein Sohn Conor Halt zu geben, doch das Kind stirbt 1991 mit vier Jahren bei einem Sturz aus dem 53. Stock eines Hochhauses in New York.

Durch den Fokus auf den Menschen Clapton bleibt die Musik in dem Film etwas unterbelic­htet. Er legt nahe, dass die 70er und 80er Jahre auch künstleris­ch weitgehend verloren waren. Dabei bringt Clapton in jenen Jahren weiter erfolgreic­he, bis heute hoch geschätzte Alben heraus.

Was von „Life in 12 Bars“bleibt, ist der intensive Eindruck eines früh beschädigt­en Lebens und einer am Ende übermensch­lich stark wirkenden Persönlich­keit. Nach dem furchtbare­n Tod seines Sohns zieht sich Clapton am eigenen Schopf aus dem Unglück, gründet eine Familie, baut eine Entzugskli­nik. Heute ist der 73Jährige nicht nur als Gitarrist, sondern auch als trockener Alkoholike­r für viele Vorbild. Ein so unwahrsche­inliches Happy End, dass es im Film fast aufgesetzt wirkt.

„Eric Clapton – Life in 12 Bars“, DVD und Video on Demand, Universum Film

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FOTO: DPA Eric Clapton im November 1974 in Hamburg.
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