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Lili Fini Zanucks Film „Life in 12 Bars“gibt tiefe Einblicke in die von Schicksalsschlägen beeinflusste Karriere des britischen Gitarrenhelden
Die Verheißungen des Rockstar-Lebens waren Eric Clapton nicht fremd. Darin schien er sich kaum von berühmten Kollegen zu unterscheiden, die sich Sex, Drugs and Rock’n’Roll ergaben. Doch an Clapton nagte ein besonderes Verhängnis, vor dem er in die Musik und bald in Drogen flüchtete. Lilli Fini Zanucks Dokumentarfilm „Life in 12 Bars“, von Clapton selbst in Auftrag gegeben, zeichnet ein radikal offenes Porträt des Gitarristen, vor allem hinsichtlich seiner selbstzerstörerischen Abstürze.
„,Cream’ war ein großer Fehler“, sagt Clapton an einer Stelle in dem mehr als zweistündigen Film im Brustton der Überzeugung. Ein Interviewausschnitt aus den 70er Jahren, in dem er sich von einer seiner musikalisch kreativsten Kooperationen distanziert. Diese Stelle habe sie verwendet, sagt Regisseurin Zanuck in einem Bonus-Feature der DVD, um das Ausmaß von Claptons damaliger Verwirrung zu dokumentieren: „Betrunkener konnte man kaum sein.“Clapton gibt zu der Zeit laut Zeitungsberichten katastrophale Konzerte, wird ausgebuht, lässt sich zu rassistischen Ausfällen hinreißen. Im Film erzählt er, dass er sich dafür später bei B. B. King und anderen schwarzen Musikidolen entschuldigte. Was war passiert, Mr. Clapton?
Die meisten Fakten in „Life in 12 Bars“sind bekannt. Dass Clapton mit neun erfuhr, dass seine angebliche Mutter tatsächlich seine Großmutter ist und dass seine leibliche Mutter ihm als ältere Schwester vorgestellt wurde, hat der Musiker auch in seiner 2007 erschienenen Autobiografie beschrieben. Aber Lili Fini Zanuck übersetzt die Geschichte nun in Bild und Ton und erreicht damit eine ungleich nahegehendere Wirkung.
Zanuck verzichtet vollständig auf gefilmte Interviewpartner. Freunde, ehemalige Geliebte und Musikbusiness-Prominenz sind nur auf der Tonspur präsent. Das Bildmaterial – Ausschnitte aus historischen Fernsehsendungen und Konzertfilmen, Familienfotos, private Aufnahmen – zieht den Zuschauer dauerhaft in die Vergangenheit, ohne durch aktuelle Bilder abzulenken, wie es konventionelle Musikdokus häufig tun. Allerdings ist es bisweilen etwas mühevoll, die einzelnen Stimmen auseinander zu halten. Mit dem aus jüngeren Dokumentationen wie „Senna“oder „Amy“bekannten Verfahren nimmt Zanuck vor allem den Menschen Eric Clapton in den Blick. Unter anderen interviewte sie eine Verwandte Claptons. Die alte Dame, Tante Sylvia, erinnert sich aus dem Off mit schlichten, aber bewegenden Worten. Die Kamera fährt über vergilbte Familienfotos, während man hört, dass Claptons nach Kanada ausgewanderte Mutter eines Tages besuchsweise mit Kindern aus einer neuen Beziehung aufkreuzte, nur um ihre Ablehnung gegenüber Clapton ausdrücklich zu erneuern. Der tief enttäuschte Teenager stürzt sich mit seiner Gitarre vollends in die Bluesmusik, die er in einer BBC-Kindersendung kennenlernte. Gitarre und Musik werden Schutzschild und Zuflucht. Aber die seelischen Verletzungen ruhen nicht. Claptons notorische Unfähigkeit, dauerhafte Bindungen einzugehen, gleich ob mit Bands oder Frauen, sind Spätfolgen des erlittenen Traumas, legt die Doku nahe. „Wenn ich mit ihm über uns reden wollte, sah er mich nur an und klimperte auf der Gitarre“, erinnert sich Claptons Ex-Freundin Charlotte Martin.
Dann versagt auch die Musik ihren Zauber. Mit dem brillanten Album „Layla and Other Assorted Love Songs“(1970) möchte Clapton vor allem Pattie Boyd erobern, die Frau seines Beatles-Freunds George Harrison. Boyd hört, versteht – und lässt ihn abblitzen. Clapton rutscht in einen von Heroin, später Alkohol, umnebelten privaten Abgrund. Später scheint ihm sein Sohn Conor Halt zu geben, doch das Kind stirbt 1991 mit vier Jahren bei einem Sturz aus dem 53. Stock eines Hochhauses in New York.
Durch den Fokus auf den Menschen Clapton bleibt die Musik in dem Film etwas unterbelichtet. Er legt nahe, dass die 70er und 80er Jahre auch künstlerisch weitgehend verloren waren. Dabei bringt Clapton in jenen Jahren weiter erfolgreiche, bis heute hoch geschätzte Alben heraus.
Was von „Life in 12 Bars“bleibt, ist der intensive Eindruck eines früh beschädigten Lebens und einer am Ende übermenschlich stark wirkenden Persönlichkeit. Nach dem furchtbaren Tod seines Sohns zieht sich Clapton am eigenen Schopf aus dem Unglück, gründet eine Familie, baut eine Entzugsklinik. Heute ist der 73Jährige nicht nur als Gitarrist, sondern auch als trockener Alkoholiker für viele Vorbild. Ein so unwahrscheinliches Happy End, dass es im Film fast aufgesetzt wirkt.
„Eric Clapton – Life in 12 Bars“, DVD und Video on Demand, Universum Film