Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Die Jury würdigt die „eminente Gegenwärtigkeit“der Schriftstellerin. Schonungslos nehme sie die Verlorenheit von Großstadtnomaden in den Blick
Die deutschungarische Schriftstellerin und Übersetzerin Terézia Mora (47) wird mit dem GeorgBüchner-Preis 2018 ausgezeichnet. Das teilte die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung am Dienstag in Darmstadt mit. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis gilt als wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland.
Mora bekomme die Auszeichnung „für ihre eminente Gegenwärtigkeit und lebendige Sprachkunst, die Alltagsidiom und Poesie, Drastik und Zartheit vereint“, heißt es in der Begründung der Jury. „In ihren Romanen und Erzählungen widmet sich Terézia Mora Außenseitern und Heimatlosen, prekären Existenzen und Menschen auf der Suche und trifft damit schmerzlich den Nerv unserer Zeit.“Schonungslos nehme sie die Verlorenheit von Großstadtnomaden in den Blick und lote die Abgründe innerer und äußerer Fremdheit aus. Dies geschehe suggestiv, kraftvoll und spannungsgeladen – mit ironischen Akzenten und analytischer Schärfe.
Mora wurde in Ungarn geboren und wuchs zweisprachig auf. Seit 1990 lebt sie in Berlin. Für ihren Roman „Das Ungeheuer“– den zweiten Band einer Trilogie über das Leben des IT-Spezialisten Darius Kopp – bekam sie 2013 den Deutschen Buchpreis. Der erste Band („Der einzige Mann auf dem Kontinent“) hatte es 2009 auf die Longlist geschafft. 2016 veröffentlichte sie ihren bislang jüngsten Erzählungsband „Die Liebe unter Aliens“.
Außer Romanen und Erzählungen verfasste Mora auch Drehbücher, Theaterstücke und Essays. Sie übersetzte zudem Werke von renommierten Autoren wie dem ungarischen Schriftsteller Péter Esterházy (1950-2016). Sie erhielt bereits eine Reihe bedeutender Auszeichnungen, darunter den Ingeborg-Bachmann-Preis (1999) und den Preis der Leipziger Buchmesse (2005).
Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses, sprach beim Büchner-Preis von einer „großartigen, überfälligen Entscheidung“. „Ihre Romane und Erzählungen spiegeln seismographisch, was unsere Gesellschaft aufwühlt und von welchen untergründigen Ängsten sie beherrscht wird“, sagte er. Vor allem aber finde Mora dafür eine unverwechselbare, stilistisch ausgefeilte Sprache.
„Mora gehört zu den herausragenden Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“, lobte die Leiterin des Literaturhauses München, Tanja Graf. „In ihrer Sprachkunst unverkennbar und einzigartig bildet sie ab, was unsere Gesellschaft ausmacht und erschüttert.“
Der Leiter des Literaturhauses Frankfurt, Hauke Hückstädt, betonte: „Mit Mora als Büchner-Preisträgerin ist die höchste Ehrung, die eine deutschsprachige Schriftstellerin in Deutschland erfahren kann, endlich angekommen bei der mehrsprachigen Generation von Autoren, der man allein mit dem Adelbert-vonChamisso-Preis nicht gerecht wurde.“