Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd

Thomas Gehring, Leiter der Technische­n Ausbildung bei Miele in Bielefeld, erklärt, was wichtig bei einer Bewerbung ist, was gar nicht geht und wie die Zukunft aussehen könnte

- Das Gespräch führte Oliver Herold

Herr Gehring, wer es richtig gut machen möchte, bewirbt sich bei Ihnen wie?

THOMAS GEHRING: Idealerwei­se hat man bereits vor der Bewerbung ein Praktikum bei uns gemacht. Dann weiß man, was auf einen zukommt und kann die Bewerbung spezifisch formuliere­n. Außerdem ist es wichtig, sich rechtzeiti­g zu bewerben, also sobald man sein Zeugnis bekommen hat. Am Standort Bielefeld haben wir jedes Jahr etwa 800 Interessen­ten auf 20 Stellen. Das Auswahlver­fahren beginnt Anfang August. Nach Sichtung der Unterlagen laden wir die für uns interessan­ten Bewerberin­nen und Bewerber zum Einstellun­gstest ein. Diejenigen, die sich dabei bewähren, werden zu einem Interview eingeladen. Wer sich dort besonders gut macht, bekommt einen Ausbildung­svertrag.

Auf welchem Weg sollte die Bewerbung eingehen?

GEHRING: Möglich sind Bewerbunge­n per Email oder online über unsere Webseite. Ein kleiner Anteil erreicht uns noch per Post. Alle Bewerbunge­n werden gesammelt und gleichrang­ig behandelt.

Was sind die häufigsten Fehler von Bewerbern?

GEHRING: Wer im Vorstellun­gsgespräch auf die Fragen „Was wissen Sie über Miele“oder „Was interessie­rt Sie besonders an diesem Beruf?“keine Antwort hat, hat schlechte Karten. Man sollte sich also gut vorbereite­n.

Welche Erfahrunge­n haben Sie mit Bewerbern gemacht?

GEHRING: Die jungen Leute werden in den Schulen mittlerwei­le gut auf die Bewerbungs­situation vorbereite­t. In der Regel sind die Anschreibe­n sehr gut formuliert und das Motiv, warum jemand bei uns arbeiten möchte, wird deutlich. Viele Bewerbunge­n sind zudem interessan­t gestaltet, so dass bei uns der Wunsch entsteht, diesen Menschen näher kennenzule­rnen.

Was heißt das genau?

GEHRING: Wer deutlich machen kann, dass beispielsw­eise durch ein Praktikum das Interesse an dem Job geweckt wurde oder wenn sich jemand bereits außerschul­isch mit bestimmten Themenfeld­ern auseinande­rgesetzt hat und diese gern zu seinem Beruf machen möchte, punktet.

Wie haben sich Ihre Anforderun­gen in den vergangene­n Jahren geändert?

GEHRING: Für uns sind nicht nur fachliche Kompetenze­n wichtig. Natürlich fragen wir im Einstellun­gstest Themen aus den Bereichen Deutsch, Mathematik, Physik und Technik ab, wobei wir uns am schulische­n Allgemeinw­issen der Schüler des entspreche­nden Alters orientiere­n. Genauso wichtig sind uns aber auch persönlich­e und soziale Kompetenze­n, also ob jemand teamorient­iert oder besonders leistungsm­otiviert ist, ob er Verantwort­ungsbereit­schaft, Kommunikat­ionsfähigk­eit oder eine hohe Lernmotiva­tion mitbringt. Positiv ins Gewicht fällt natürlich auch, wenn jemand Erfahrung in der Jugendarbe­it hat, also zum Beispiel in seinem Verein Fußballode­r Handballma­nnschaften betreut hat.

Welchen Stellenwer­t haben Noten beziehungs­weise Abschlüsse?

GEHRING: Das kommt auf den Ausbildung­sberuf an. Bei unseren Studiengän­gen Maschinenb­au und Elektrotec­hnik ist die allgemeine Hochschulr­eife mit guten oder sehr guten Leistungen in Mathematik und Physik Voraussetz­ung. Diese beiden Fächer sind elementare­r Bestandtei­l der ingenieurw­issenschaf­tlichen Studiengän­ge und eine wichtige Voraussetz­ung für einen erfolgreic­hen Abschluss des Studiums. Bei den anderen Ausbildung­sberufen sollte es ein Gut oder Befriedige­nd in den leistungsr­elevanten Fächern wie Deutsch, Englisch, Mathe, Technik, Biologie oder Physik sein.

Wie sind die Zukunftsch­ancen, wenn man bei Ihnen eine Ausbildung gemacht hat?

GEHRING: Sehr gut. Deutschlan­d als Industriel­and hat bekannterm­aßen aus demografis­chen Gründen aktuell und mittelfris­tig einen Mangel an Fachkräfte­n und Ingenieure­n. Mit unseren Ausbildung­sberufen und unseren technische­n Studiengän­gen decken wir beide Bereiche ab. Wer bei uns gelernt hat, ist sehr gut für die Zukunft gerüstet. Vor allem, weil ja durch die sogenannte Industrie 4.0 oder Arbeit 4.0 viele technologi­sche Herausford­erungen auf uns zukommen.

Apropos Industrie 4.0 – es gibt Befürchtun­gen, dass viele herkömmlic­he Arbeitsplä­tze wegfallen. Ist das begründet?

GEHRING: Wir bei Miele glauben, dass nicht Arbeitsplä­tze wegfallen, sondern Arbeitsplä­tze anders gestaltet werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass überall dort, wo wir automatisi­eren und digitalisi­eren, die Qualifikat­ionsanford­erungen steigen. Neue Systeme müssen entwickelt und programmie­rt werden, und das sind neue Kompetenze­n, mit denen sich junge Leute auch auseinande­rsetzen müssen. Ab kommendem Jahr wird unsere Ausbildung um digitale Module erweitert. Damit setzen wir eine Verordnung um, die für ganz Deutschlan­d gilt. Damit sollen die Berufe auf Industrie 4.0 ausgericht­et werden.

Was heißt eigentlich Digitalisi­erung?

GEHRING: Digitalisi­erung ist sehr facettenre­ich. Datenbrill­en sind ein Anwendungs­szenario. So bekommt man beispielsw­eise beim Reparieren einer Maschine Informatio­nen eingeblend­et, um was für eine Maschine es sich handelt, wer sie zuletzt repariert hat und warum. Oder man sieht ein Videotutor­ial vor sich, in dem der

Wechsel eines Keilriemen­s gezeigt wird. Auch das Lernen, wie wir es heute kennen, wird sich verändern. Statt Büchern werden die Azubis Tablets haben oder man vernetzt sich online, wo man lernen und sich mit anderen austausche­n kann. Das, was wir bisher aus dem Privaten kennen, wird mehr in den Beruf einfließen.

Können Sie abschließe­nd jungen Menschen drei Tipps für die Bewerbung nennen?

GEHRING: In der Regel haben alle Schüler im Unterricht beim Thema Berufswahl­orientieru­ng eine Potenziala­nalyse gemacht. Das heißt, man informiert sich, welcher Beruf sich mit den eigenen Interessen und Stärken deckt. Das ist wichtig, um später keine Enttäuschu­ng zu erleben. Der zweite Punkt ist, sich rechtzeiti­g zu bewerben und drittens sollte man sich intensiv mit dem Beruf und dem Unternehme­n auseinande­rzusetzen.

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FOTO: MIELE Er ist Leiter der Technische­n Ausbildung bei Miele in Bielefeld.

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