Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Thomas Gehring, Leiter der Technischen Ausbildung bei Miele in Bielefeld, erklärt, was wichtig bei einer Bewerbung ist, was gar nicht geht und wie die Zukunft aussehen könnte
Herr Gehring, wer es richtig gut machen möchte, bewirbt sich bei Ihnen wie?
THOMAS GEHRING: Idealerweise hat man bereits vor der Bewerbung ein Praktikum bei uns gemacht. Dann weiß man, was auf einen zukommt und kann die Bewerbung spezifisch formulieren. Außerdem ist es wichtig, sich rechtzeitig zu bewerben, also sobald man sein Zeugnis bekommen hat. Am Standort Bielefeld haben wir jedes Jahr etwa 800 Interessenten auf 20 Stellen. Das Auswahlverfahren beginnt Anfang August. Nach Sichtung der Unterlagen laden wir die für uns interessanten Bewerberinnen und Bewerber zum Einstellungstest ein. Diejenigen, die sich dabei bewähren, werden zu einem Interview eingeladen. Wer sich dort besonders gut macht, bekommt einen Ausbildungsvertrag.
Auf welchem Weg sollte die Bewerbung eingehen?
GEHRING: Möglich sind Bewerbungen per Email oder online über unsere Webseite. Ein kleiner Anteil erreicht uns noch per Post. Alle Bewerbungen werden gesammelt und gleichrangig behandelt.
Was sind die häufigsten Fehler von Bewerbern?
GEHRING: Wer im Vorstellungsgespräch auf die Fragen „Was wissen Sie über Miele“oder „Was interessiert Sie besonders an diesem Beruf?“keine Antwort hat, hat schlechte Karten. Man sollte sich also gut vorbereiten.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Bewerbern gemacht?
GEHRING: Die jungen Leute werden in den Schulen mittlerweile gut auf die Bewerbungssituation vorbereitet. In der Regel sind die Anschreiben sehr gut formuliert und das Motiv, warum jemand bei uns arbeiten möchte, wird deutlich. Viele Bewerbungen sind zudem interessant gestaltet, so dass bei uns der Wunsch entsteht, diesen Menschen näher kennenzulernen.
Was heißt das genau?
GEHRING: Wer deutlich machen kann, dass beispielsweise durch ein Praktikum das Interesse an dem Job geweckt wurde oder wenn sich jemand bereits außerschulisch mit bestimmten Themenfeldern auseinandergesetzt hat und diese gern zu seinem Beruf machen möchte, punktet.
Wie haben sich Ihre Anforderungen in den vergangenen Jahren geändert?
GEHRING: Für uns sind nicht nur fachliche Kompetenzen wichtig. Natürlich fragen wir im Einstellungstest Themen aus den Bereichen Deutsch, Mathematik, Physik und Technik ab, wobei wir uns am schulischen Allgemeinwissen der Schüler des entsprechenden Alters orientieren. Genauso wichtig sind uns aber auch persönliche und soziale Kompetenzen, also ob jemand teamorientiert oder besonders leistungsmotiviert ist, ob er Verantwortungsbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit oder eine hohe Lernmotivation mitbringt. Positiv ins Gewicht fällt natürlich auch, wenn jemand Erfahrung in der Jugendarbeit hat, also zum Beispiel in seinem Verein Fußballoder Handballmannschaften betreut hat.
Welchen Stellenwert haben Noten beziehungsweise Abschlüsse?
GEHRING: Das kommt auf den Ausbildungsberuf an. Bei unseren Studiengängen Maschinenbau und Elektrotechnik ist die allgemeine Hochschulreife mit guten oder sehr guten Leistungen in Mathematik und Physik Voraussetzung. Diese beiden Fächer sind elementarer Bestandteil der ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge und eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss des Studiums. Bei den anderen Ausbildungsberufen sollte es ein Gut oder Befriedigend in den leistungsrelevanten Fächern wie Deutsch, Englisch, Mathe, Technik, Biologie oder Physik sein.
Wie sind die Zukunftschancen, wenn man bei Ihnen eine Ausbildung gemacht hat?
GEHRING: Sehr gut. Deutschland als Industrieland hat bekanntermaßen aus demografischen Gründen aktuell und mittelfristig einen Mangel an Fachkräften und Ingenieuren. Mit unseren Ausbildungsberufen und unseren technischen Studiengängen decken wir beide Bereiche ab. Wer bei uns gelernt hat, ist sehr gut für die Zukunft gerüstet. Vor allem, weil ja durch die sogenannte Industrie 4.0 oder Arbeit 4.0 viele technologische Herausforderungen auf uns zukommen.
Apropos Industrie 4.0 – es gibt Befürchtungen, dass viele herkömmliche Arbeitsplätze wegfallen. Ist das begründet?
GEHRING: Wir bei Miele glauben, dass nicht Arbeitsplätze wegfallen, sondern Arbeitsplätze anders gestaltet werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass überall dort, wo wir automatisieren und digitalisieren, die Qualifikationsanforderungen steigen. Neue Systeme müssen entwickelt und programmiert werden, und das sind neue Kompetenzen, mit denen sich junge Leute auch auseinandersetzen müssen. Ab kommendem Jahr wird unsere Ausbildung um digitale Module erweitert. Damit setzen wir eine Verordnung um, die für ganz Deutschland gilt. Damit sollen die Berufe auf Industrie 4.0 ausgerichtet werden.
Was heißt eigentlich Digitalisierung?
GEHRING: Digitalisierung ist sehr facettenreich. Datenbrillen sind ein Anwendungsszenario. So bekommt man beispielsweise beim Reparieren einer Maschine Informationen eingeblendet, um was für eine Maschine es sich handelt, wer sie zuletzt repariert hat und warum. Oder man sieht ein Videotutorial vor sich, in dem der
Wechsel eines Keilriemens gezeigt wird. Auch das Lernen, wie wir es heute kennen, wird sich verändern. Statt Büchern werden die Azubis Tablets haben oder man vernetzt sich online, wo man lernen und sich mit anderen austauschen kann. Das, was wir bisher aus dem Privaten kennen, wird mehr in den Beruf einfließen.
Können Sie abschließend jungen Menschen drei Tipps für die Bewerbung nennen?
GEHRING: In der Regel haben alle Schüler im Unterricht beim Thema Berufswahlorientierung eine Potenzialanalyse gemacht. Das heißt, man informiert sich, welcher Beruf sich mit den eigenen Interessen und Stärken deckt. Das ist wichtig, um später keine Enttäuschung zu erleben. Der zweite Punkt ist, sich rechtzeitig zu bewerben und drittens sollte man sich intensiv mit dem Beruf und dem Unternehmen auseinanderzusetzen.