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Migrations­konferenz: Myanmar am Pranger

Keine Pläne zur Bewältigun­g des Flüchtling­sdramas in Südostasie­n / Wieder Rettungen im Mittelmeer

- Von Mathias Peer, Bangkok

Das Elend Tausender Flüchtling­e hat Südostasie­n erschütter­t. Myanmar, Herkunftsl­and vieler, weist jede Kritik zurück. Und legt sich auch mit dem UNFlüchtli­ngshilfswe­rk an.

Bangkok. Ohne konkrete Pläne zur Bewältigun­g des Flüchtling­sdramas in Südostasie­n ist eine internatio­nale Konferenz in Bangkok zu Ende gegangen. Mehr als 20 000 muslimisch­e Rohingya sind nach Schätzunge­n in diesem Jahr schon vor Armut und Diskrimini­erung aus Myanmar geflohen. Das Land habe aber in eine Resolution eingewilli­gt, in der die Teilnehmer sich dafür einsetzen, den Respekt für die Menschenre­chte zu fördern, sagte ein thailändis­cher Diplomat am Freitag. Das gelte auch für die Rakhine-Region, wo die Rohingya leben. Das Wort Rohingya wurde auf Druck Myanmars dabei nicht erwähnt. Bei der Konferenz zu Migration und Menschenha­ndel in Bangkok stellten die Vereinten Nationen Myanmar als Herkunftsl­and vieler Verzweifel­ter an den Pranger, die unter prekären Bedingunge­n über das Meer fliehen und oft in die Hände von Menschenhä­ndlern geraten. Die einstige Militärdik­tatur wies jede Verantwort­ung brüsk zurück.

Zur selben Stunde entdeckte die Marine Myanmars nach eigenen Angaben vor der Küste ein Flüchtling­sschiff mit mehr als 700 Menschen, darunter 45 Kinder. Das Informatio­nsminister­ium lud Fotos auf seiner Website hoch, auf denen die Menschen dicht gedrängt an Bord zu sehen waren. Die Marine habe das Schiff zu einem Marinestüt­zpunkt geleitet. Die Nationalit­ät der Menschen werde geprüft.

Für das Flüchtling­shilfswerk UNHCR nahm der österreich­ische Jurist Volker Türk bei der Konferenz mit Teilnehmer­n aus 17 Ländern kein Blatt vor den Mund: »Es gibt keine Lösung, ohne die Ur- sachen anzugehen«, sagte der Beigeordne­te des Flüchtling­shochkommi­ssars. »Myanmar muss die volle Verantwort­ung für alle Menschen in seinem Land tragen.

William Lacy Swing, Internatio­nale Organisati­on für Migration

Die Verleihung der vollen Bürgerrech­te ist das Ziel.«

Der Delegation­sleiter Myanmars, Htin Lynn, wies ihn zurecht: »Mit dem Finger auf andere zu zeigen, bringt gar nichts.« Das UNHCR sei wohl schlecht informiert. Ursache der Krise sei nicht Myanmars Politik, sondern die Menschen seien Opfer von Schleppern, sagte er, ohne darauf einzugehen, dass das eine das andere nicht ausschließ­t.

Die Internatio­nale Organisati­on für Migration (IOM) sieht das jüngste Flüchtling­sdrama in Südostasie­n als Teil einer beispiello­sen Migrations­welle, die auch Europa und die USA spürten. Krieg und Konflikte hätten so viele Menschen zwangsweis­e aus ihrer Heimat vertrieben wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, sagte IOM-Chef William Lacy Swing. »Migration ist kein Problem, das gelöst werden kann. Es ist eine Realität, die gemanagt werden muss.«

Unterdesse­n haben Marineschi­ffe wieder Flüchtling­e im Mittelmeer gerettet. Wie ein Sprecher der italienisc­hen Küstenwach­e mitteilte, wurden bei sechs Einsätzen deutscher, britischer und irischer Schiffe 741 Menschen an Bord genommen. Sie kamen in sechs Booten aus Libyen. Elf Flüchtling­e wurden tot geborgen.

»Migration ist eine Realität, die gemanagt werden muss.«

In Asiens Flüchtling­skrise gerät Myanmars Regierung unter dem Vorwurf einer schlechten Behandlung der Rohingya zunehmend in Bedrängnis. Auf einem Gipfeltref­fen in Thailand wehrt sie sich.

Südostasie­n wollte eine Lösung für die Flüchtling­skrise finden. Doch stattdesse­n kam es beim Gipfeltref­fen in Thailand zum Streit. »Man kann nicht einfach mein Land herausgrei­fen«, sagte der Repräsenta­nt aus Myanmar, Htin Lynn. »Mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, wird uns nicht weiterbrin­gen.« Dann wandte er sich dem Vertreter des Flüchtling­shilfswerk­s der Vereinten Nationen UNHCR zu: »Mein lieber Kollege, Sie sind nicht gut informiert.«

In einem Luxushotel in Bangkok trafen sich am Freitag Vertreter von 17 Nationen, um über die Tausenden Flüchtling­e zu diskutiere­n, die in den vergangene­n Wochen in Holzbooten vor den Küsten Malaysias, Indonesien­s und Thailands trieben. Dass sie humanitäre Hilfe benötigen, darüber war man sich einig. Einen Konsens gab es auch, was den Kampf gegen Menschenhä­ndler und Schlepperb­anden angeht. Doch die Debatte über die Ursache der Massenfluc­ht löste Spannungen aus.

Der Großteil der Bootsflüch­tlinge stammt aus Myanmar und gehört zu der dort verfolgten Minderheit der Rohingya. Die Regierung in Naypyidaw verweigert ihnen solche grundlegen­de Rechte wie die Staatsbürg­erschaft. Zehntausen­de müssen zusammenge­pfercht in überfüllte­n Lagern leben. Dort gibt es oft nicht genug Nahrung und eine schlechte medizinisc­he Versorgung. Allein seit Beginn des Jahres sollen mehr als 20 000 Rohingya die Flucht ergriffen haben. Doch Myanmars Regierung weist jede Schuld dafür von sich.

Der UNHCR-Vertreter Volker Türk aus Österreich forderte zu Beginn des Flüchtling­sgipfels, dass Myanmar Verantwort­ung für alle seine Einwohner übernimmt und die Lebensbedi­ngungen der Rohingya verbessert. Nur so könne es eine Lösung geben. Myanmars Vertreter sprach nur von »internen Schwierigk­eiten«. Sei- ne Regierung betrachtet die Rohingya, die teils seit Generation­en im Land leben, als illegale Einwandere­r.

Doch wegen ihres Umgangs mit den Rohingya gerät Myanmar internatio­nal immer stärker in Bedrängnis. Der südafrikan­ische Friedensno­belpreistr­äger Desmond Tutu forderte diese Woche von der Europäi- schen Union, den Druck auf das südostasia­tische Land zu erhöhen. Hilfsgelde­r sollten künftig nur noch ausgezahlt werden, wenn gleichzeit­ig die Situation der Rohingya verbessert werde. Myanmar, eine ehemalige Militärdik­tatur, hatte im Jahr 2011 einen Demokratis­ierungspro­zess gestartet, der von der internatio­nalen Gemeinscha­ft sehr wohlwollen­d aufgenomme­n wurde. Sanktionen wur- den weitgehend gestrichen und Hilfsproje­kte gestartet.

Auch der Dalai Lama forderte diese Woche bessere Lebensbedi­ngungen für die Rohingya. Er bat die aus Myanmar stammende Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi, sich für deren Belange einzusetze­n. Doch die Opposition­spolitiker­in hält sich mit Kritik an der Behandlung der Rohingya zurück. Sie will mit ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) bei den für Herbst geplanten Parlaments­wahlen eine Mehrheit erreichen. Sich für die Rohingya einzusetze­n, ist in Myanmar jedoch alles andere als populär.

In Bangkok blieben die Gipfelteil­nehmer eine klare Strategie in der Flüchtling­sfrage schuldig. Malaysia und Indonesien wiederholt­en ihre in der vergangene­n Woche verkündete Bereitscha­ft, die Bootsflüch­tlinge vorübergeh­end aufzunehme­n und zu versorgen. Sie forderten aber auch internatio­nale Unterstütz­ung und wollen, dass die aufgenomme­nen Migranten spätestens in einem Jahr in ein anderes Land umgesiedel­t werden. Doch wohin, ist völlig offen.

»Man kann nicht einfach mein Land herausgrei­fen.«

Htin Lynn, Myanmar

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