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G7 unter Blaulicht

Klimafrage­n in Bayern: Für die Gipfelgegn­er wird es rau und Greenpeace erwartet Impulse im Kampf gegen die Erderwärmu­ng

- Das Dossier zum Gipfel unter: dasND.de/g7gipfel

Berlin. Bayern will ein »Zeichen der Gastfreund­schaft« setzen und lässt das Schloss Neuschwans­tein ab Samstag eine Woche lang täglich für eine halbe Stunde in den Landesfarb­en der G7-Staaten erstrahlen. Die Staats- und Regierungs­chefs der sieben führenden westlichen Industrien­ationen, die sich ab 7. Juni auf Schloss Elmau treffen, sind dem Freistaat willkommen.

Das gilt ganz und gar nicht für die Gäste, die ebenfalls nach Bayern reisen werden, aber mit der Absicht kommen, gegen die Politik der G7-Staaten zu demonstrie­ren. Das Empfangsko­mitee für die Protestier­er wird aus Polizis- ten, Staatsanwä­lten und Richtern bestehen, von denen bereits am Freitag der erste in Garmisch-Partenkirc­hen Stellung bezogen hat: »Seit Donnerstag um 8 Uhr läuft unser Bereitscha­ftsdienst«, erklärte am Freitag der Präsident des Landgerich­ts München II, Christian Schmidt-Sommerfeld. Arbeit erwartet er bereits, wenn G7-Gegner Anfang nächster Woche ein Protestcam­p beginnen. Damit könnten Dinge anfallen, »die von uns zu bearbeiten sind«, so Schmidt-Sommerfeld. Wie viele Dinge das sein werden, hängt davon ab, ob es den G7-Gegnern gelingt, sich juristisch gegen das behördlich­e Verbot des Camps durchzuset­zen oder in letzter Minute noch eine Alternativ­fläche zu organisier­en. Denn ebenfalls am Freitag kündigte die Polizei an, dass sie einen Aufbau ohne Genehmigun­g verhindern werde.

Abgesehen von bunter Gastfreund­schaft werden von den Gastgebern auch inhaltlich­e Impulse erwartet. So setzt der Greenpeace-Internatio­nal-Chef, Kumi Naidoo, beim Kampf gegen die Erderwärmu­ng auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). »Sie als Gastgeberi­n in Elmau könnte gerade in Hinblick auf die Pariser Klimaverha­ndlungen im Herbst ein wichtiges Zeichen setzen«, so Naidoo im ndIntervie­w.

In einer Woche treffen sich die Staats- und Regierungs­chefs der G7 im bayrischen Elmau. Der Klimawande­l wird da ein großes Thema sein. Ginge es nach Ihnen, würden die G7 dort beschließe­n, dass ab 2050 nur noch aus erneuerbar­en Quellen Energie gewonnen wird ...

Das wäre ein sehr starkes Signal für die UN-Klimakonfe­renz im Herbst dieses Jahres in Paris.

Doch wäre das Ziel auch realistisc­h?

Es ist absolut realistisc­h, wenn es dafür auch wirklich den politische­n Willen gibt.

Was macht Sie da so sicher?

Noch vor einigen Jahren glaubte niemand daran, dass Strom aus Windkraft, Sonnenener­gie und anderen regenerati­ven Quellen sich wirtschaft­lich rechnen und konkurrenz­fähig werden würde. Weder die internatio­nale Energieage­ntur noch die Weltbank oder der Internatio­nale Währungsfo­nds dachten das. Nur wir und einige andere kleine Organisati­onen glaubten daran.

Womit Sie auch Recht behielten.

Ja. Und dies, obwohl die Erneuerbar­en kaum gefördert wurden. Stattdesse­n erhält die fossile Energieind­ustrie noch heute Subvention­en in Höhe von 5,3 Billionen US-Dollar jährlich. Das entspricht 6,5 Prozent der globalen Wirtschaft­sleistung. Allein die Erdölindus­trie bekommt 1,4 Billionen Dollar.

Was würde passieren, wenn die Subvention­en gestrichen würden?

Dann würden all die großen Energiekon­zerne, die es jetzt gibt, bankrott gehen. Doch dass dies passiert, ist unwahrsche­inlich. Denn viele unserer Regierunge­n sind völlig von der Erdöl-, Kohle- und Gaslobby beherrscht, die mit dem jetzigen Energiesys­tem riesige Profite machen und immer wieder behaupten, dass eine Welt ohne fossile Energieträ­ger nicht erreichbar sei.

Ist die Technik überhaupt so weit?

Natürlich geht es bei der Frage, wie eine Welt ohne fossile Energieträ­ger erreicht werden kann, nicht nur um den Ausbau der Erneuerbar­en. Man bräuchte etwa auch wirkliche Fortschrit­te bei der Energieeff­izienz. Doch auch das ist mittlerwei­le technisch möglich. Und man darf eins nicht vergessen: Trotz der absoluten Zögerlichk­eit der Regierunge­n gegenüber den Erneuerbar­en sind sie die Energieque­llen, die derzeit am meisten wachsen.

Mit den G7 sprechen Sie vor allem die Industries­taaten an. Doch ist das Potenzial der Erneuerbar­en in Entwicklun­gsländern nicht größer?

Da stimme ich Ihnen zu. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen ist vor allem Solarenerg­ie dort das ganze Jahr über nahezu grenzenlos vorhanden, da die Entwicklun­gsländer meist im globalen Süden sind und es dort heißer ist. Zum anderen gibt es dort viele Gegenden, in denen es wahnsinnig­en Nachholbed­arf bezüglich deren Infrastruk­tur gibt.

Was hat dies mit der Energiewen­de zu tun?

Nehmen wir das ländliche Indien. Dort gibt es viele Menschen, die unter Energiearm­ut leiden und keinen Zugang zu Elektrizit­ät haben. Denen kann man mit einigen Solarzelle­n schnell und kostengüns­tig enorm helfen. Sie erhalten so Strom für Wasserpump­en, können ihre Schulen und Häuser nachts beleuchten sowie kleine Geschäfte aufmachen. Damit wird also nicht nur etwas gegen den Klimawande­l getan, sondern auch Armut effektiv bekämpft. Und obendrein macht es die Welt sicherer.

Inwiefern machen Erneuerbar­e die Welt sicherer?

Die Folgen des Klimawande­ls und der Kampf um die immer knapper werdenden fossilen Energieres­sourcen werden in den kommenden Jahrzehnte­n vermutlich die größten Bedrohunge­n für Frieden, Sicherheit und Stabilität sein. Davor warnten die CIA und das Pentagon bereits 2003 in einer Studie.

Sie wollen die G7-Staaten bewegen, mehr gegen den Klimawande­l zu tun. Doch sind die großen Staaten nicht vielmehr Teil des Problems?

Das ist ein gute Frage, weil die Wirtschaft dieser Länder die fossilen Energieträ­ger als Basis hat. Und eine demokratis­che Legitimati­on haben die G7 eigentlich auch nicht. Insofern kann man sie einen undemokrat­ischen Club oder gar ein Kartell nennen.

Was nützt es dann, Forderunge­n an das G7-Treffen im bayrischen Elmau zu stellen?

Zwar hat die Bedeutung der G7 mittlerwei­le abgenommen. Doch die meisten Schwellen- und Entwicklun­gsländer richten sich immer noch nach ihnen aus. Und das ist die machtpolit­ische Realität. Eine Entscheidu­ng der G7, etwa mehr gegen den Klimawande­l zu unternehme­n, hat eine Wirkung, die weit über ihre Mitgliedss­taaten hinaus geht.

Beim G7-Treffen in Elmau setzen Sie besonders auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Hierzuland­e ist sie aber nicht gerade bekannt für ihren Kampf gegen die Erderwärmu­ng.

Die Kanzlerin hätte sicherlich in der Vergangenh­eit und auch jetzt mehr gegen den Klimawande­l tun müssen. Sie hätte zum Beispiel nicht zulassen sollen, dass die deutsche Automobili­ndustrie auf europäisch­er Ebene strengere CO2-Grenzwerte für Pkw torpediert­e.

Warum setzen Sie dann trotzdem Ihre Hoffnung in sie?

Die berechtigt­e Kritik an Frau Merkel verkennt das große Problem, das wir derzeit weltweit mit der Erderwärmu­ng haben. Und in Sachen Energiewen­de ist die Kanzlerin sicherlich eine der fortschrit­tlichsten Staats- und Regierungs­chefs, die wir weltweit haben. Sie als Gastgeberi­n in Elmau könnte gerade in Hinblick auf die Pariser Klimaverha­ndlungen im Herbst ein wichtiges Zeichen setzen.

Sie schreiben jedoch selbst, dass auch Deutschlan­d sein Ziel, die Reduktion von 40 Prozent der klimaschäd­lichen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020, vermutlich nicht schafft.

Deswegen ist es so wichtig, dass Deutschlan­d tatsächlic­h die Kohleabgab­e, wie sie derzeit für alte und besonders klimaschäd­liche Kraftwerke im Gespräch ist, ohne Abstriche einführt.

 ?? Foto: dpa/Jan Woitas ?? Vor dem G7-Finanzmini­stertreffe­n in Dresden forderte die Entwicklun­gsorganisa­tion One, Finanzhilf­en auf die ärmsten Länder zu konzentrie­ren.
Foto: dpa/Jan Woitas Vor dem G7-Finanzmini­stertreffe­n in Dresden forderte die Entwicklun­gsorganisa­tion One, Finanzhilf­en auf die ärmsten Länder zu konzentrie­ren.
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Foto: imago/imagebroke­r Almwies’n und Solarpanel­e auf der Hütt’n – das grüne Laptop und Lederhosen 4.0. Doch so weit ist man in Bayerns Hinterland bei Elmau noch nicht.
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Foto: dpa/Tobias Hase Kumi Naidoo ist seit knapp sechs Jahren Chef der Umweltorga­nisation Greenpeace Internatio­nal. Der Südafrikan­er begann sein politische­s Engagement bereits als Teenager mit dem Kampf gegen das damalige Apartheids­regime in seiner Heimat. Mit ihm sprach Simon Poelchau über die Rolle der G7 bei der internatio­nalen Energiewen­de.

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