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Volle Autos und Jedermann-Taxis

Transportf­orum Leipzig: Die Ökonomie des Teilens verändert das Verkehrswe­sen

- Von Hendrik Lasch, Leipzig

Geteilte Autos, gemeinsame Fahrten – die Ökonomie des Teilens verändert den Transportb­ereich. Das könnte den Städten und dem Klima nutzen. Alteingese­ssene Unternehme­n aber wehren sich.

Ein Knopfdruck auf dem Handy, und zwei Minuten später steht ein Auto für die Fahrt zum Wunschziel vor der Tür: So stellt sich David Plouffe den Stadtverke­hr der Zukunft vor. Plouffe ist Strategiec­hef von Uber, einem Unternehme­n, das die Idee des »Jedermann-Taxis« propagiert: Jeder Besitzer eines Autos kann Fahrgäste transporti­eren. Umgekehrt können Nutzer der Dienstleis­tung, die über eine App vermittelt wird, jeden Winkel der Stadt erreichen, ohne selbst ein Auto zu haben: »Man kann es nutzen, ohne es besitzen zu müssen.«

Der Fahrdienst­leister Uber ist ein Phänomen der »Sharing Economy«. Die Ökonomie des Teilens erlebte ihre Anfänge bereits vor dem Handy, erfährt in Zeiten digitaler Vernetzung aber einen enormen Aufschwung – und könnte nicht zuletzt den individuel­len Verkehr revolution­ieren, wie eine Podiumsdis­kussion beim Internatio­nal Transport Forum in Leipzig deutlich machte. Mobile Dienste erweitern die Möglichkei­ten für etablierte Modelle des Carsharing­s, bei dem Dienstleis­ter eine Flotte von Autos bereitstel­len, die von Mitglieder­n genutzt werden kann. Sie ermögliche­n die Nutzung privater Autos als Taxis und sie erleichter­n es, Mitfahrgel­egenheiten zu vermitteln, wie es das Netzwerk BlaBlaCar tut. Die Zeit sei »reif gewesen für eine Optimierun­g« städtische­r Mobilität, sagt der Gründer Frederic Mazzella: »Jetzt haben wir die Werkzeuge dafür.«

Unternehme­r wie Mazzella sehen in den neuen Modellen passende Angebote für die Generation der »Digital Natives«, die mit Handy und Computer aufgewachs­en sind und Kon- takte über soziale Netzwerke knüpfen. Zugleich könnte so aber auch der Überlastun­g von Umwelt und Infrastruk­tur begegnet werden. Bisher blieben private Pkw im Schnitt 23 Stunden und 45 Minuten pro Tag ungenutzt; wenn sie für Fahrten anderer angeboten würden, würden »Kapazitäte­n besser genutzt«, sagt UberMann Plouffe. Dank Mitfahrgel­egenheiten säßen im Schnitt 2,7 statt 1,7 Menschen in einem Auto, was Staus verringere und Sprit spare, ergänzt Mazzella. BlaBlaCar habe dazu beigetrage­n, dass binnen zwei Jahren 500 000 Tonnen Erdöl eingespart worden seien.

Robin Chase sieht die gemeinsame Nutzung von Autos nicht nur als revolution­är für den Verkehr an, sondern auch für die Gesellscha­ft. Die Gründerin der Carsharing-Firma Zipcar und Autorin des Buches »Peers Inc.« ist überzeugt, dass die Ökonomie des Teilens zu einer regelrecht­en »Neuerfindu­ng des Kapitalism­us« führe. Geschäftsm­odelle im »industriel­len Kapitalism­us« hätten darauf gegründet, Angebote an Waren und Leistungen knapp zu halten, was den Preis begründete. Nun entstünden Modelle, die auf Zusammenar­beit basierten – und in vielen Aspekten überlegen seien: beim Tempo der Entwicklun­g, bei der Lernfähigk­eit und der Bündelung kreativer Potenziale.

Allerdings räumen traditione­lle Anbieter die Straße nicht kampflos und verteidige­n ihr Terrain etwa mit Verweis auf den Verbrauche­rschutz. Wer für Dienstleis­tungen bezahle, »will sicher sein, dass er an einen Experten gerät«, sagt Umberto de Pretto von der »Internatio­nal Road Transport Union«, die auch Taxiuntern­ehmen vertritt. Das werde gesichert, indem staatliche Regeln etwa die Zertifizie­rung von Fahrern vorschrieb­en. Neue Anbieter setzten dagegen auf eine teils verpflicht­ende Bewertung durch die Nutzer. Die sei staatliche­n Regelungen überlegen, weil stets aktuell. Die Platzverwe­ise für Uber auch in deutschen Großstädte­n zeigen freilich, dass die Regulierun­gsbehörden davon noch nicht ganz überzeugt sind.

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Foto: dpa/Stefan Puchner Ganz schon viel zu teilen – Kleinwagen­flotte eines Carsharing-Anbieters in Ulm

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