Volle Autos und Jedermann-Taxis
Transportforum Leipzig: Die Ökonomie des Teilens verändert das Verkehrswesen
Geteilte Autos, gemeinsame Fahrten – die Ökonomie des Teilens verändert den Transportbereich. Das könnte den Städten und dem Klima nutzen. Alteingesessene Unternehmen aber wehren sich.
Ein Knopfdruck auf dem Handy, und zwei Minuten später steht ein Auto für die Fahrt zum Wunschziel vor der Tür: So stellt sich David Plouffe den Stadtverkehr der Zukunft vor. Plouffe ist Strategiechef von Uber, einem Unternehmen, das die Idee des »Jedermann-Taxis« propagiert: Jeder Besitzer eines Autos kann Fahrgäste transportieren. Umgekehrt können Nutzer der Dienstleistung, die über eine App vermittelt wird, jeden Winkel der Stadt erreichen, ohne selbst ein Auto zu haben: »Man kann es nutzen, ohne es besitzen zu müssen.«
Der Fahrdienstleister Uber ist ein Phänomen der »Sharing Economy«. Die Ökonomie des Teilens erlebte ihre Anfänge bereits vor dem Handy, erfährt in Zeiten digitaler Vernetzung aber einen enormen Aufschwung – und könnte nicht zuletzt den individuellen Verkehr revolutionieren, wie eine Podiumsdiskussion beim International Transport Forum in Leipzig deutlich machte. Mobile Dienste erweitern die Möglichkeiten für etablierte Modelle des Carsharings, bei dem Dienstleister eine Flotte von Autos bereitstellen, die von Mitgliedern genutzt werden kann. Sie ermöglichen die Nutzung privater Autos als Taxis und sie erleichtern es, Mitfahrgelegenheiten zu vermitteln, wie es das Netzwerk BlaBlaCar tut. Die Zeit sei »reif gewesen für eine Optimierung« städtischer Mobilität, sagt der Gründer Frederic Mazzella: »Jetzt haben wir die Werkzeuge dafür.«
Unternehmer wie Mazzella sehen in den neuen Modellen passende Angebote für die Generation der »Digital Natives«, die mit Handy und Computer aufgewachsen sind und Kon- takte über soziale Netzwerke knüpfen. Zugleich könnte so aber auch der Überlastung von Umwelt und Infrastruktur begegnet werden. Bisher blieben private Pkw im Schnitt 23 Stunden und 45 Minuten pro Tag ungenutzt; wenn sie für Fahrten anderer angeboten würden, würden »Kapazitäten besser genutzt«, sagt UberMann Plouffe. Dank Mitfahrgelegenheiten säßen im Schnitt 2,7 statt 1,7 Menschen in einem Auto, was Staus verringere und Sprit spare, ergänzt Mazzella. BlaBlaCar habe dazu beigetragen, dass binnen zwei Jahren 500 000 Tonnen Erdöl eingespart worden seien.
Robin Chase sieht die gemeinsame Nutzung von Autos nicht nur als revolutionär für den Verkehr an, sondern auch für die Gesellschaft. Die Gründerin der Carsharing-Firma Zipcar und Autorin des Buches »Peers Inc.« ist überzeugt, dass die Ökonomie des Teilens zu einer regelrechten »Neuerfindung des Kapitalismus« führe. Geschäftsmodelle im »industriellen Kapitalismus« hätten darauf gegründet, Angebote an Waren und Leistungen knapp zu halten, was den Preis begründete. Nun entstünden Modelle, die auf Zusammenarbeit basierten – und in vielen Aspekten überlegen seien: beim Tempo der Entwicklung, bei der Lernfähigkeit und der Bündelung kreativer Potenziale.
Allerdings räumen traditionelle Anbieter die Straße nicht kampflos und verteidigen ihr Terrain etwa mit Verweis auf den Verbraucherschutz. Wer für Dienstleistungen bezahle, »will sicher sein, dass er an einen Experten gerät«, sagt Umberto de Pretto von der »International Road Transport Union«, die auch Taxiunternehmen vertritt. Das werde gesichert, indem staatliche Regeln etwa die Zertifizierung von Fahrern vorschrieben. Neue Anbieter setzten dagegen auf eine teils verpflichtende Bewertung durch die Nutzer. Die sei staatlichen Regelungen überlegen, weil stets aktuell. Die Platzverweise für Uber auch in deutschen Großstädten zeigen freilich, dass die Regulierungsbehörden davon noch nicht ganz überzeugt sind.