nd.DerTag

Sensibler Brutalo

- Von Tobias Riegel

Man

könnte nun kübelweise Häme ausschütte­n: über »Dirty Harry«, »Mit Vollgas nach San Fernando« oder »American Sniper«. Man könnte auch spaltenwei­se peinlich-markige Inspector-Callahan-Sprüche zitieren, wie etwa »Noch so’n Text und ich werd’ Ihnen die Ohren absägen, verstanden?«. Oder man könnte einen merkwürdig­en »Dialog« thematisie­ren, den Clint Eastwood vor einigen Jahren im Wahlkampf für die US-Republikan­er mit einem leeren Stuhl führte. Doch an diesem Sonntag wird Hollywoods knorrigste Eiche, der Schauspiel­er und Regisseur, der Produzent und Komponist Clint Eastwood, 85 Jahre alt. Und da soll er gefeiert werden – unterm Strich hat er es verdient.

Schon allein, weil er sich ab 1964 von Sergio Leone als perfektes Werkzeug, als in jeder Beziehung passende Projektion­sfläche benutzen ließ – für Leones unerhörte Vision eines revolution­ierten, dreckigen Westerngen­res. Der spätere Hang zum verschwitz­ten und hölzernen ActionQuat­sch gehört zum Phänomen Eastwood: Er hat das Hollywoods­pektrum von der untersten Schublade bis zum Elfenbeint­urm bedient – wobei sich Meisterwer­k und Fehlgriff teils abwechselt­en.

Es gab aber auch diese endlose Durststrec­ke: In den 70er und 80er Jahren hat der in San Francisco geborene Sohn eines Buchhalter­s außer »Flucht von Alcatraz« (1979) fast keinen guten Film gemacht. Aber auch der Söldner- und Dirty-Harry-Klamauk jener Zeit fügt sich ein in Eastwoods KultFundam­ent – und sei es nur wegen der funky Soundtrack­s und Eastwoods oft irre und wie elektrisie­rt abstehende­n Haaren.

Der Film, ab dem man Eastwood nach all dem Macho-Müll (»City-Heat«, »Firefox«) wieder für voll nehmen konnte, war »Bird« (1988). Es war die erste eigene Regiearbei­t, in der der ehemalige Holzfäller, Heizer, Tankwart und Lagerarbei­ter nicht selber mitspielte. Und endlich ein Thema jenseits des einsamen Brutalos. Mit dieser Verfilmung des Lebens Charlie Parkers wurde er künstle- risch erwachsen. Und durch die Themenwahl befreite er sich nebenbei (fürs Erste) von einem schon damals reaktionär­en Image: Wer einem afroamerik­anischen, heroinsüch­tigen Jazzmusike­r ein so sensibles Denkmal schafft, kann zumindest kein schlimmer Rassist sein. Nun wird es höchste Zeit, dass Eastwood diesen Kniff wiederholt: Sein verlogenes, kriegstrei­bendes Machwerk »American Sniper« müsste dringend künstleris­ch und inhaltlich aufgewogen werden – gerade weil es so beängstige­nd erfolgreic­h ist.

Denn Clint Eastwood hat zwar nie einen Hehl aus seiner konservati­ven Haltung gemacht – doch so unangenehm rechts, naiv und ideologisc­h wie ihn »American Sniper« nun erscheinen lässt, ist er keineswegs.

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Foto: dpa/EPA/Foley Clint Eastwood 2013

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