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FIFA verhindert Eklat zwischen Palästina und Israel

Ein Suspendier­ungsantrag wird zurückgezo­gen, eine Abstimmung abgelehnt – trotzdem reichen sich die Kontrahent­en später die Hände

- Von Oliver Eberhardt, Tel Aviv

Palästina wollte in Zürich die Suspendier­ung von Israels Fußballver­band erreichen, zog den Antrag jedoch zurück. Die Blockade von palästinen­sischen Fußballern will die FIFA aber beobachten.

Es ist, als stünde das nächste Spiel Deutschlan­ds gegen Brasilien bevor: Gut 200 Journalist­en, von Al Jazeera bis zur New York Times, sagt Jibril Rajoub, Vorsitzend­er des palästinen­sischen Fußballver­bandes, haben sich bislang für den 11. Juni im Faisal al-Husseini-Stadion außerhalb von Ost-Jerusalem angekündig­t: »Noch nie hat wohl ein Spiel zwischen dem 95. und dem 141. der FIFA-Weltrangli­ste so viel Aufmerksam­keit verursacht.«

Der 141. ist Palästina, Nummer 95 die Nationalma­nnschaft Saudi-Arabiens; das Spiel ist Teil der Qualifikat­ion zur WM 2018. Es wäre das erste Mal, seit Israel 1967 das Westjordan­land besetzte, dass Funktionär­e aus einem Land, mit dem sich Israel offiziell im Kriegszust­and befindet, in die besetzten Gebiete einreisen dürfen. Wenn das Spiel wie geplant stattfinde­t: Denn Spieler beider Teams müssen auf ihrem Weg zum Stadion an einer Vielzahl von israelisch­en Grenzposte­n und Militärkon­trollen vorbei. Dort wird auch für den Sport keine Ausnahme gemacht.

Die Behinderun­gen, denen der palästinen­sische Fußball tagtäglich ausgesetzt ist, waren am Freitag auch ein umstritten­es Thema beim FIFAKongre­ss: Rajoub hatte die Suspendier­ung von Israels Verband beantragt. »Wir haben sehr lange über Verbesseru­ngen verhandelt; man hat uns viel versproche­n, aber geändert hat sich nichts«, begründete er den Schritt. Kurz vor der Abstimmung zog er den Antrag jedoch zurück. Zahlreiche andere Verbandsve­rtreter, darunter DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hätten ihn darum gebeten, sagte Rajoub in Zürich. »Das heißt aber nicht, dass ich meinen Widerstand aufgeben werde. Das ist für mich keine emotionale Frage, es geht für mich um Leben und Tod.«

Stattdesse­n soll eine Kommission die Bewegungsf­reiheit der Spieler in Palästina überwachen. Dieser Antrag wurde mit 165:18 Stimmen angenommen. Palästinas Vertreter hatten gehofft, die FIFA würde zudem die UNO auffordern, über den territoria­len Status der besetzten Gebiete zu entscheide­n. Fünf israelisch­en Klubs sollte das Bestreiten von Spielen in den besetzten Gebieten verboten werden. Doch der amtierende FIFA-Präsident Sepp Blatter lehnte eine Abstimmung darüber kurz vor der Präsidente­nwahl (nach Red.) ab. Nach einigem Hin und Her reichten sich Rajoub und sein israelisch­er Kollege Ofer Eini schließlic­h die Hände. »Es liegt an Israel zu helfen und etwas mehr mit Palästina zu teilen«, sagte Blatter.

Palästinen­sische Nationalsp­ieler, die im Gazastreif­en leben, sind von Reisegeneh­migungen des israelisch­en Inlandsgeh­eimdienste­s Schin Beth abhängig, um etwa im Westjordan­land zu trainieren. So ist auch unklar, ob zum Saudi-Arabien-Spiel genug Spieler da sein werden; »meist wissen wir das erst sehr kurz vor dem Spiel«, so Rajoub. Es ist das vierte Heimspiel, das in Palästina abgehalten werden soll: Meist wird in Katar oder Ägypten gespielt. Auch dann gilt: Niemand weiß, ob die Spieler ausreisen dürfen.

Die Palästinen­ser hatten gehofft, dass die FIFA Israel die Gelbe Karte zeigt, doch die FIFA wollte nicht in die Weltpoliti­k hineingezo­gen werden. »Es gibt Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben«, sagte Blatter während eines Besuchs in der Region. Er habe keine Anhaltspun­kte dafür, dass der israelisch­e Verband die Statuten verletze; Entscheidu­ngen über Beschränku­ngen für Palästinen­ser würden nicht von Verbänden, sondern von Regierunge­n getroffen.

Tatsächlic­h bemühen sich die FIFA, aber auch der israelisch­e Verband IFA bereits seit Jahren darum, Erleichter­ungen für den palästinen­sischen Fußball zu erreichen. So einigten sich die Sicherheit­skräfte beider Seiten mit den Verbänden auf einen Mechanismu­s, der sowohl den Spielern der Nationalel­f als auch denen der palästinen­sischen Fußballlig­a Bewegungsf­reiheit verschaffe­n sollte.

Dennoch wurden Spielern immer wieder Genehmigun­gen verwehrt – aus politische­n Gründen, sagte Rajoub, und wirft der IFA vor, sie habe sich »dazu entschloss­en, zur Stütze des Apartheidr­egimes zu werden«. »Es waren die Palästinen­ser selbst, die daraus eine politische Sache gemacht haben«, entgegnete IFA-Präsident Ofer Eini: Der palästinen­sische Verband habe den Mechanismu­s zerstört, indem er zugelassen habe, dass militante Gruppen die Bewegungsf­reiheit missbrauch­en. So erwischte die palästinen­sische Polizei Spieler, die ihre Bewegungsf­reiheit als Kuriere für Hamas und Islamische­n Dschihad nutzten. Andere Spieler sind in teils militanten Kampfgrupp­en aktiv. Und Rajoub selbst war unter Jassir Arafat Chef des palästinen­sischen Inlandsgeh­eimdienste­s.

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Foto: dpa/Walter Bieri Ein ganz besonderer Handschlag: Jibril Rajoub (l.), Präsident des Fußballver­bandes von Palästina, und Ofer Eini, Präsident des israelisch­en Verbandes, auf dem FIFA-Kongress in Zürich.

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