Stempel Brennpunktschule
Senatorin will Förderprogramm ausweiten und braucht dafür zwei Millionen Euro pro Jahr
Zurzeit werden 218 Brennpunktschulen in Berlin unterstützt. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will 28 neue Schulen hinzunehmen. Die Haushaltsverhandlungen dazu werden »hartnäckig«.
Uwe Schmidt ist glücklich mit seinen neuen Fenstern, mit dem Stempel, den seine Schule bald aufgedrückt bekommt, eher weniger. Schmidt ist Schulleiter der Mildred-HarnackSchule in Lichtenberg, die gerade für sechs Millionen Euro umfangreich saniert wird. Eine Integrierte Sekundarschule mit gymnasialer Oberstufe, Europaschule mit Russischschwerpunkt, eigenen Wahlpflichtkursen für VereinsfußballerInnen und: Brennpunktschule, jedenfalls nach der Statistik.
Die Mildred-Harnack-Schule wird ab dem kommenden Schuljahr in das Berliner Bonusschulprogramm aufgenommen. Insgesamt sollen ab August 28 zusätzliche Schulen von den knapp 20 000 Euro profitieren, die ihnen bis zum Jahresende zur Verfügung gestellt werden. Somit wird es 246 »Brennpunktschulen« mit rund 96 000 SchülerInnen in der Stadt geben – mehr als ein Drittel aller allgemeinbildenden Schulen. Zwei Millionen Euro will Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) für die Aufstockung pro Jahr im Haushalt lockermachen. »Dafür müssen wir in den anstehenden Verhandlungen die nötige Hartnäckigkeit zeigen«, sagt SPDFraktionschef Raed Saleh, der sich zusammen mit Senatorin Scheeres am Freitag selbst ein Bild von der neuen Brennpunktschule wider Willen machte. Das Brennpunktschulprogramm ist Salehs großes Herzensprojekt. Er hatte es im April 2013 auf den Weg gebracht, dafür musste Scheeres bei der Inklusion zurückstecken.
Vor allem in den Bezirken Spandau, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf werden neue Schulen ins Programm aufgenommen, was ein Schlaglicht auf die sozialen Entwicklungen in der Stadt wirft, denn nur Schulen, an denen mehr als die Hälfte der Kinder von der Zuzahlung zu den Lernmitteln befreit sind, erhalten Gelder aus dem Fonds für Sonderprojekte wie Schulbibliotheken, Lernwerkstätten oder Theater-AGs. Die genannten Bezirke sind nun die, in die vor allem Familien aus den Innenstadtbereichen ziehen, weil sie sich dort ihre Wohnungen nicht mehr leisten können.
Die Schulen sollen mit dem Geld nach ihren individuellen Problemlagen entscheiden und sich Kooperationspartner im Kiez suchen. »Wir werden in den Ausbau der Schulbibliothek investieren«, sagt Schmidt. Künftig sollen auch mehr SchülerInnen die Möglichkeit bekommen, am Schüleraustausch mit den drei Partnerstädten teilzunehmen. Denn im Gegenzug für die Reise ins Partnerland müssen die SchülerInnen einen Gast bei sich aufnehmen. »Das stellt einige Familien vor Herausforderungen«, sagt Schmidt.
Die Opposition sieht das Programm, das mittlerweile seit über einem Jahr läuft und für das im Haushalt 2014/15 jeweils 15 Millionen Euro eingestellt waren, trotz guter Absichten kritisch. »Gute Bildungs- arbeit lebt von Kontinuität und Vertrauen«, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Regina Kittler, gegenüber »nd«. So erhalten die Schulen für die Jahre 2014 und 2015 bis zu 100 000 Euro. Ab 2016 soll dann der Basisbetrag sinken und durch eine erfolgsabhängige Bonuszahlung aufgefangen werden. Rutscht eine Schule unter die 50Prozent-Marke oder fusioniert mit einer Schule, die die Kriterien nicht erfüllt, läuft das Programm aus. »Die Orientierung an einem bestimmten Prozentsatz an Schülern, die von der Zuzahlung zu den Lernmitteln befreit sind, halte ich für falsch«, kritisiert Kittler. Es gebe genügend Schulen, die Probleme haben, aber aus dem Raster fallen. »Eigentlich gehört an jede Schule ein Sozialarbeiter, unabhängig von der Zusammensetzung der Schülerschaft.«