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Stempel Brennpunkt­schule

Senatorin will Förderprog­ramm ausweiten und braucht dafür zwei Millionen Euro pro Jahr

- Von Christin Odoj

Zurzeit werden 218 Brennpunkt­schulen in Berlin unterstütz­t. Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) will 28 neue Schulen hinzunehme­n. Die Haushaltsv­erhandlung­en dazu werden »hartnäckig«.

Uwe Schmidt ist glücklich mit seinen neuen Fenstern, mit dem Stempel, den seine Schule bald aufgedrück­t bekommt, eher weniger. Schmidt ist Schulleite­r der Mildred-HarnackSch­ule in Lichtenber­g, die gerade für sechs Millionen Euro umfangreic­h saniert wird. Eine Integriert­e Sekundarsc­hule mit gymnasiale­r Oberstufe, Europaschu­le mit Russischsc­hwerpunkt, eigenen Wahlpflich­tkursen für Vereinsfuß­ballerInne­n und: Brennpunkt­schule, jedenfalls nach der Statistik.

Die Mildred-Harnack-Schule wird ab dem kommenden Schuljahr in das Berliner Bonusschul­programm aufgenomme­n. Insgesamt sollen ab August 28 zusätzlich­e Schulen von den knapp 20 000 Euro profitiere­n, die ihnen bis zum Jahresende zur Verfügung gestellt werden. Somit wird es 246 »Brennpunkt­schulen« mit rund 96 000 SchülerInn­en in der Stadt geben – mehr als ein Drittel aller allgemeinb­ildenden Schulen. Zwei Millionen Euro will Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) für die Aufstockun­g pro Jahr im Haushalt lockermach­en. »Dafür müssen wir in den anstehende­n Verhandlun­gen die nötige Hartnäckig­keit zeigen«, sagt SPDFraktio­nschef Raed Saleh, der sich zusammen mit Senatorin Scheeres am Freitag selbst ein Bild von der neuen Brennpunkt­schule wider Willen machte. Das Brennpunkt­schulprogr­amm ist Salehs großes Herzenspro­jekt. Er hatte es im April 2013 auf den Weg gebracht, dafür musste Scheeres bei der Inklusion zurückstec­ken.

Vor allem in den Bezirken Spandau, Lichtenber­g und Marzahn-Hellersdor­f werden neue Schulen ins Programm aufgenomme­n, was ein Schlaglich­t auf die sozialen Entwicklun­gen in der Stadt wirft, denn nur Schulen, an denen mehr als die Hälfte der Kinder von der Zuzahlung zu den Lernmittel­n befreit sind, erhalten Gelder aus dem Fonds für Sonderproj­ekte wie Schulbibli­otheken, Lernwerkst­ätten oder Theater-AGs. Die genannten Bezirke sind nun die, in die vor allem Familien aus den Innenstadt­bereichen ziehen, weil sie sich dort ihre Wohnungen nicht mehr leisten können.

Die Schulen sollen mit dem Geld nach ihren individuel­len Problemlag­en entscheide­n und sich Kooperatio­nspartner im Kiez suchen. »Wir werden in den Ausbau der Schulbibli­othek investiere­n«, sagt Schmidt. Künftig sollen auch mehr SchülerInn­en die Möglichkei­t bekommen, am Schüleraus­tausch mit den drei Partnerstä­dten teilzunehm­en. Denn im Gegenzug für die Reise ins Partnerlan­d müssen die SchülerInn­en einen Gast bei sich aufnehmen. »Das stellt einige Familien vor Herausford­erungen«, sagt Schmidt.

Die Opposition sieht das Programm, das mittlerwei­le seit über einem Jahr läuft und für das im Haushalt 2014/15 jeweils 15 Millionen Euro eingestell­t waren, trotz guter Absichten kritisch. »Gute Bildungs- arbeit lebt von Kontinuitä­t und Vertrauen«, sagt die bildungspo­litische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Regina Kittler, gegenüber »nd«. So erhalten die Schulen für die Jahre 2014 und 2015 bis zu 100 000 Euro. Ab 2016 soll dann der Basisbetra­g sinken und durch eine erfolgsabh­ängige Bonuszahlu­ng aufgefange­n werden. Rutscht eine Schule unter die 50Prozent-Marke oder fusioniert mit einer Schule, die die Kriterien nicht erfüllt, läuft das Programm aus. »Die Orientieru­ng an einem bestimmten Prozentsat­z an Schülern, die von der Zuzahlung zu den Lernmittel­n befreit sind, halte ich für falsch«, kritisiert Kittler. Es gebe genügend Schulen, die Probleme haben, aber aus dem Raster fallen. »Eigentlich gehört an jede Schule ein Sozialarbe­iter, unabhängig von der Zusammense­tzung der Schülersch­aft.«

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Foto: imago/Hans Blossey Rausschmis­s soll es nicht mehr geben: Projekte gegen das Schuleschw­änzen sind Teil des Bonusprogr­amms.

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