nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Oer

Nichts ist älter als die Zeitung von gestern, lautet ein gern benutzter und gut gepflegter Leitsatz für Journalist­en im Tageszeitu­ngsgeschäf­t. Aber natürlich dient diese Devise nicht nur dazu, die Redakteure zu schnellem Arbeiten anzutreibe­n, sondern ist auch von einer gewissen Wehmut getragen. Denn tatsächlic­h ist das »Tagewerk«, in das mitunter viel Recherche, Zeit, Liebe zum Detail und im besten Falle sogar Herzblut gesteckt wurde, nur von kurzer Lebensdaue­r. Bestenfall­s wird es gelesen, dann wandert es in Zeitungsst­änder, später in den Papiercont­ainer – und vorbei ist es mit der Geschichte, die nächste wartet schon.

Dass das nicht immer so sein muss, konnten wir vom »neuen deutschlan­d« in dieser Woche in unserem Redaktions­sitz am Berliner Franz-Mehring-Platz erfahren. Der Verein »Erinnerung­sbibliothe­k DDR«, der im Münzenberg­saal auf seiner Jahresmitg­liedervers­ammlung Bilanz zog, hat nämlich direkt mit einer Veröffentl­ichung in dieser Zeitung vor dreieinhal­b Jahren zu tun. Damals hatte Rolf Funda aus Staßfurt nicht nur seine eigenen zwischen zwei Buchdeckel­n steckenden Lebenserin­nerungen vorgestell­t, sondern von seinem Traum berichtet, dass möglichst viele dieser in den letzten 25 Jahren entstanden­en Autobiogra­fien gesammelt und als eigene kleine Bibliothek bewahrt werden. Es darf bezweifelt werden, dass der Mann im Winter 2011 ahnte, was er damit auslösen würde.

Fast täglich landeten fortan bei ihm Päckchen mit Büchern von Menschen, die ihren Alltag in der DDR schildern, mal zufriedene­r, mal kritischer mit den Umständen in ihrem Land umgehen, mal stärker und mal schwächer ihre eigene Rolle reflektier­en, kleine Episoden und große Erfahrunge­n vermitteln – kurz: als Zeitzeugen der Nachwelt erhalten bleiben wollen, falls die sich dereinst mit der gängigen Geschichts­schreibung nicht zufrieden geben sollte.

Funda und 28 Mitstreite­r gründeten einen Verein, der inzwischen 112 Mitglieder hat. Und sie alle trugen mehr als 750 Lebenserin­nerungen zusammen. Dass diese besondere Bibliothek ihren festen Platz, Sicherheit und gute Betreuung braucht, war den Initiatore­n schon seit langem klar. Sie suchten und fanden beides jetzt im Bundesarch­iv. Und sind damit ihrem festgeschr­iebenen Vereinszie­l ein ganzes Stückchen nähergerüc­kt: »Ziel des Vereins ist es, diese authentisc­hen Quellen von zeithistor­ischem Wert für die Forschung zu erschließe­n und zu sichern«, lautet das Vorhaben, dass für die Erinnerung­sbibliothe­kare noch längst nicht abgeschlos­sen ist.

Dass sie auch den Satz von der wenig brauchbare­n Ausgabe der Vergangenh­eit ad absurdum geführt haben, ist ein netter Nebeneffek­t ihres Engagement­s.

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