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»Das interessie­rt mich«

Einstein als Popularisa­tor – vor 100 Jahren sprach der Physiker in der Treptower Sternwarte in Berlin.

- Von Dieter B. Herrmann

Es war am 29. März 1914, als Albert Einstein sein Schweizer Domizil in Zürich aufgab und in die deutsche Reichshaup­tstadt übersiedel­te. Gerade zum Mitglied der Preußische­n Akademie der Wissenscha­ften gewählt, erwartete ihn in Berlin ein materiell sorgenfrei­es Forschen ohne irgendwelc­he Amtspflich­ten. Obwohl Einstein damals noch nicht als »Popstar« der Physik galt, kam in Berlin gleich die »Vossische Zeitung« mit der Bitte auf ihn zu, seine Theorie in einem Zeitungsbe­itrag zu erläutern, der bereits am 26. April 1914 erschien. Kurz darauf lud Friedrich Simon Archenhold, der Gründer und Direktor der Treptower Volksstern­warte, den Gelehrten zu einem Vortrag. Auch diesem Wunsch kam Einstein nach und sprach am 2. Juni 1915 vor einem großen Publikum über »Relativitä­t der Bewegung und Gravitatio­n«. Erstaunlic­h an diesen beiden Auftritten, in der Zeitung und am Rednerpult, ist die Tatsache, dass Einstein – anders als damals viele seiner berühmten Kollegen – überhaupt bereit war, vor Laien über seine Forschunge­n zu sprechen. Ebenso bemerkensw­ert ist, dass die Allgemeine Relativitä­tstheorie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vollendet, geschweige denn publiziert worden war. Das mag ein besonderer Ansporn für den Physiker gewesen sein, die Allgemeine Relativitä­tstheorie, um deren Endfassung er in diesen Monaten rang, noch einmal gründlich zu durchdenke­n – so konsequent, wie man es tun muss, wenn man sie Nichtfachl­euten erklären will.

Doch Einstein stand dem Gedanken »öffentlich­er Wissenscha­ft« grundsätzl­ich unbefangen und positiv gegenüber. Hatte er doch selbst schon in seiner frühen Jugend von den »Naturwisse­nschaftlic­hen Volksbüche­rn« Aaron Bernsteins und von Humboldts »Kosmos« profitiert. So war denn auch sein Vortrag in Treptow kein singuläres Ereignis: 1921 sprach er bei der Prager Urania und in einem Wiener Konzertsaa­l sogar vor 3000 Zuhörern. Besonders aufschluss­reich für Einsteins Einstellun­g ist sein Vortrag vor der »Marxistisc­hen Arbeitersc­hule« (MASCH) in Berlin im Jahre 1931. Der Leiter der Schule, László Radványi, hatte seine Frau, die später berühmte Schriftste­llerin Anna Seghers, zu Einstein nach Caputh geschickt, um ihn für den Vortrag zu gewinnen. Einstein sagte sofort zu. Auf den Einwurf seiner Frau: »Du musst absagen! Du hast Dir selbst vorgenomme­n, keine Vorträge mehr anzunehmen«, entgegnete Einstein: »Das ist eine ganz andre Art Vortrag, das interessie­rt mich«. Der Vortrag fand am 26. Oktober 1931 zur Eröffnung des Studienjah­res in einer Gemeindesc­hule im Norden Berlins statt und trug den Titel »Was der Arbeiter von der Relativitä­tstheorie wissen muss«. Unter den beeindruck­ten Zuhörern befanden sich auch der Komponist Hanns Eisler und der Dichter Bertolt Brecht.

Einstein hat auch mehrere populäre Bücher geschriebe­n, die heute als Klassiker gelten, – allen voran »Über die spezielle und allgemeine Relativitä­tstheorie«. Das schmale Bändchen erschien in zahlreiche­n Auflagen und Übersetzun­gen. Seine Überzeugun­g von der Wichtigkei­t solcher Werke hat er klar formuliert: »Es ist von großer Bedeutung, dass die breite Öffentlich­keit Gelegenhei­t hat, sich über die Bestrebung­en und Ergebnisse der wissenscha­ftlichen Forschung sach-

Einstein

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Foto: imago/ZUMA/Keystone 1904

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