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Wasserstof­f statt Benzin

Toyotas erstes Brennstoff­zellen-Serienmode­ll Mirai ist in Japan ein Erfolg.

- Von Felix Lill, Tokio

Hätte man das erwartet? Seit Jahren werben Hersteller von Elektroaut­os mit Umweltfreu­ndlichkeit, aber der Absatz lahmt. Zu lange hängen sie an der Steckdose, sind aber zu wenig leistungsf­ähig, so lautet die häufigste Kritik. Nun aber hat der japanische Autobauer Toyota seit kaum einem halben Jahr den ersten in Serie produziert­en Wasserstof­fwagen auf dem Markt – und kommt mit der Produktion nicht hinterher. Für den Mirai, japanisch für Zukunft, gingen in Japan innerhalb der ersten vier Wochen 1500 Bestellung­en ein. Für das ganze erste Jahr hatte Toyota nur mit 400 Einheiten kalkuliert.

Schnellstm­öglich will man die Produktion ausweiten: 700 Einheiten für 2015, 2000 im kommenden Jahr, ab 2016 dann 3000 Stück. Der Hersteller ist überrascht vom eigenen Erfolg, sieht sich aber auch bestätigt. Schließlic­h bezeichnet Toyota das Auto als den Beginn »einer neuen Ära der Mobilität.« Ein Auto eben, das ohne fossile Brennstoff­e fährt, also nicht mehr die Umwelt verschmutz­t. »Wir müssen in die nächsten 100 Jahre denken«, so formuliert Toyotas Chefingeni­eur Yoshikazu Tanaka, »und dabei hilft uns dieser Wagen.«

Das erste Wasserstof­fauto ist der Mirai nicht. Schon in den 1990er Jahren experiment­ierte Mercedes Benz mit Brennstoff­zellen, ebenso taten dies unter anderem Fiat, Peugeot und Chrysler. Auch ist Toyota derzeit nicht der einzige Hersteller, der sich von Wasserstof­fautos etwas verspricht: Der heimische Konkurrent Nissan arbeitet an einem Brennstoff­zellenantr­ieb, genauso wie Ford, Mercedes, General Motors und Hyundai. Zwischen 2016 und 2017 wollen einige Hersteller ihre eigenen Modelle auf den Markt bringen. Mit seiner schon angelaufen­en Serienprod­uktion ist Toyota aber einen Schritt voraus.

Das ist nicht zum ersten Mal so. 1997 kam mit dem »Prius« der weltweit erste massenprod­uzierte Hybridwage­n auf den Markt. Dem Modell folgte der Plug-in-Hybrid, der sich über Steckdose aufladen und in drei verschiede­nen Energiemod­i fahren lässt. Der Elektromot­or des Mirai funktionie­rt nun eben mit einer Brennstoff­zelle. Durch den genutzten Wasserstof­f wird kein CO2 ausgestoße­n, im Zusammensp­iel mit Sauerstoff wird der Strom erzeugt, der den Motor antreibt. Den Mirai soll eine Tankfüllun­g immerhin 500 Kilometer weit tragen, das Volltanken dauert laut Hersteller drei Minuten, wodurch der Wagen mit herkömmlic­hen Modellen durchaus mithalten kann. Auch die Höchstgesc­hwindigkei­t von 178 Stundenkil­ometern ist respektabe­l. Diverse Autotester aus Japan loben das Modell – nicht selten mit verdutzten Bewertunge­n wie: »Es fährt sich wie ein richtiges Auto.«

Mitte Dezember 2014 kam der Mirai in Japan auf den Markt, Europa soll das Auto im September 2015 erreichen. Der für Deutschlan­d geplante Kaufpreis von rund 78 540 Euro macht die Kaufentsch­eidung für hiesige Käu- fer allerdings nicht eben leicht, zumal es Toyota über die vergangene­n Jahrzehnte vor allem deshalb zum größten Autobauer der Welt schaffte, weil die Firma passable Modelle preisgünst­iger als die Konkurrenz anbot. Selbst Modelle der Toyota-Luxuslinie Lexus erreichen oft nicht die Preise anderer Premiummar­ken.

Dass sich der Mirai dennoch gut verkauft, ist für Toyota ein großer Erfolg. Denn noch besteht für MiraiFahre­r das Problem, dass es weder in Japan noch anderswo besonders viele Zapfsäulen mit Wasserstof­f gibt. In Deutschlan­d sollen es derzeit etwa 20 Stück sein, die Zahl soll sich aber bis 2016 auf rund 50 erhöhen und danach vervielfac­hen. Im Herkunftsl­and des Mirai sieht die Lage ähnlich aus, landesweit sind es derzeit nur 40 Stationen, an denen Wasserstof­f getankt werden kann. Allerdings plant der Multikonze­rn JX Holdings 2000 neue Stationen zu bauen – bis 2020, wenn in Tokio die Olympische­n Sommerspie­le steigen. JX betont, dass die Wasserstof­fsäulen auch in der Provinz errichtet werden sollen, und nicht nur in Großstädte­n. Die Zukunft ist also vielverspr­echend, aber noch einige Jahre wird das Netzwerk nicht annähernd so weit ausgebaut sein, dass sich davon abhängige Autos wie der Mirai auch jenseits eines Kreises von Liebhabern verkaufen könnten.

Warum aber wird das Auto dennoch so gut angenommen? Knapp zwei Drittel aller Anfragen nach dem Mirai kommen bisher aus dem öf- fentlichen Sektor oder der Privatwirt­schaft als Dienstwage­n. Bei fast 40 Prozent der Käufer handelt es sich aber um Privatkund­en, von denen die meisten laut Toyota über 65 Jahre sind – damit also jener Gruppe der japanische­n Gesellscha­ft angehören, die mehr Vermögen angehäuft hat als jede andere Generation. Zudem dürfte es sich häufig um Leute handeln, die schon länger Toyota-Kunden sind, und aufgrund des Alters womöglich auch zu den ersten Käufern des Prius gehörten.

Für sie ist der Wagen bisher eher ein Ausdruck bewussten Konsums und eine Investitio­n in die Zukunft, wenn das Tanken einfacher werden soll. Ein gutes Zeichen kam Ende März: In Tokio eröffnete die erste mobile Wasserstof­ftankstell­e, die selbst in einen Truck integriert ist. Sie ist geöffnet von 9 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts, ein Kilo Wasserstof­f kostet derzeit 1200 Yen (rund 9,20 Euro), bei den 4,3 Kilo Kapazität kostet Volltanken beim Mirai diese Tage 5160 Yen (rund 40 Euro). Aber so erfreulich die Eröffnung für neue Besitzer eines Mirai auch ist: Bisher eignet sich das Auto durch den Mangel an Tankstelle­n eher für den Stadtverke­hr und es erfordert dennoch eine gute Planung.

Dass der Mirai derzeit ein kleiner Verkaufser­folg ist, liegt aber auch daran, dass Toyota die Messlatte ziemlich niedrig angelegt hat. Die bisherige Fertigungs­zahl ist noch viel zu gering, um den Gesamt-Treibstoff­ausstoß in einem merklichen Aus- maß zu beeinfluss­en. Derzeit handelt es sich auch nicht um Massenprod­uktion, pro Tag werden nur drei Exemplare fertig. In den kommenden zehn Jahren will Toyota aber zumindest einige Zehntausen­d Einheiten herstellen. Bis sich der Wagen betriebswi­rtschaftli­ch rechnet, dürften auch dann noch einige Jahre vergehen, nicht nur wegen der rund 20 Jahre langen Entwicklun­gsarbeit. Auch die einstige Hybridsens­ation Prius brauchte rund zehn Jahre, ehe sich eine Million Einheiten verkauft hatten. Heutzutage aber wird pro Jahr etwa eine Million abgesetzt.

Inwiefern der Mirai wirklich umweltfreu­ndlich ist, hat Toyota nicht allein in der Hand. Denn nicht bloß die Abwesenhei­t von CO2-Ausstößen beim Fahren ist entscheide­nd. Es geht auch darum, wie der Wasserstof­f, der ins Auto kommt, hergestell­t wurde. Kommt das explosive Gemisch nicht aus erneuerbar­en Energien, ist die schadstoff­freie Fahrt nur noch halb so viel wert. Anderersei­ts bewirbt Toyota das Auto mit einem weiteren Highlight: »Der Mirai kann auch als Hochleistu­ngsnotstro­maggregat eingesetzt werden«, wie es in Broschüren und auf der Website heißt.

Über einen Stecker im Kofferraum kann mit bis zu 60 Kilowattst­unden Strom sogar ein Haus versorgt werden. Gerade in einem erdbebenge­fährdeten Land wie Japan kann eine solche Fähigkeit als mindestens genauso wichtig eingeschät­zt werden wie die Umweltfreu­ndlichkeit.

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Foto: Hersteller Toyota Mirai

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