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Verbesseru­ngen nur in homöopathi­schen Dosen

Berliner Kitabündni­s ruft, während das Parlament noch über den Haushalt debattiert, zu Protestakt­ion auf Das Berliner Kitabündni­s will den Druck auf die momentanen Haushaltsb­eratungen erhöhen und kündigt für Mittwoch berlinweit­e Protestakt­ionen an.

- Von Christin Odoj

Die Verwechslu­ngsgefahr haben die Initiatore­n des Berliner Kitabündni­sses einkalkuli­ert. Am kommenden Mittwoch werden Hunderte Kinder zum berlinweit­en Kitaaktion­stag auf die Straßen gehen. Die Kitagruppe­n sollen orange leuchten: Egal, ob mit Luftballon­s, T-Shirts, Plakaten oder Spielzeug. »Nein, das ist keine Kooperatio­nsveransta­ltung mit der BSR«, versichert Roland Kern, Sprecher des Dachverban­des Berliner Kinder- und Schülerläd­en (DaKS).

Aufgerufen zu dem Aktionstag hat das Berliner Kitabündni­s, der Hintergrun­d ist ein ernster. Momentan berät das Abgeordnet­enhaus über den Haushaltse­ntwurf des Senats für den Doppelhaus­halt 2016/17 und gerade im Kitabereic­h sprechen Vertreter des Bündnisses von einer eher »homöopathi­schen Dosis«, die die Etataufsto­ckung bedeutet. Im Entwurf sind über 600 neue ErzieherIn­nenstellen für beide Jahre aufgeliste­t sowie 23,6 Millionen Euro für 2016 und noch einmal 16,6 Millionen Euro für 2017 vorgesehen, um 10 000 zusätzlich­e Betreuungs­plätze zu schaffen. Insbesonde­re Kitas mit einem hohen Anteil an Kindern, deren Mutterspra­che nicht deutsch ist, sollen von der Personalau­fstockung profitiere­n. »Die Verbesseru­ngen werden in der Praxis kaum spürbar sein«, sagt Christa Preissing vom Berliner Kita-Institut für Qualitätse­ntwicklung. Schon heute sei der vom Senat kalkuliert­e Betreuungs­schlüssel in der Realität nicht einzuhalte­n, ganz zu schweigen von dem, was Studien als optimal ausgeben. Momentan liegt der Betreuungs­schlüssel in Berliner Kitas bei einer Erzieherin (meist sind es Frauen), die für fünf Kinder zuständig ist. Bei Kindern von zwei bis drei Jahren liegt der Schlüssel bei 1:6. Eine Studie der Bertelsman­n Stiftung geht davon aus, dass eine Relation von 1:3 angemessen wäre. Das entspräche einem Stellenzuw­achs von 7500 PädagogInn­en. Das Kitabündni­s rechnet nun vor: Zieht man die Zeiten für Dokumentat­ionstätigk­eiten, Schreibtis­charbeit, Krankheit und Urlaub ab, bleibt in der Krippe für Kinder zwischen null und drei Jahren eine Erzieherin für durch- schnittlic­h 5,9 Kinder übrig. Das Kitabündni­s fordert daher, angelehnt an die Ergebnisse der Bertelsman­nstudie, 1700 neue ErzieherIn­nen. »In den Haushaltsv­erhandlung­en muss mehr passieren«, sagt Bernd Schwarz vom Landeselte­rnausschus­s. »Deshalb gehen wir auf die Straße.« Eine Herausford­erung bleibt, das zusätzlich­e Personal auch zu finden. »Den Fachkräfte­mangel gibt es auch im Kitabereic­h«, sagt Roland Kern. Gefährlich sei, betont Doreen Siebernik, Vorsitzend­e der Bildungsge­werkschaft GEW Berlin, dass viele ErzieherIn­nen schon nach sieben oder zehn Jahren im Beruf aussteigen. »Die Belastungs­faktoren für ErzieherIn­nen sind so hoch, dass sie am Ende um die eigene Gesundheit fürchten.«

Ein Schwerpunk­t für die Berliner Kitas werden in den kommenden Monaten aber geflüchtet­e Kinder sein, die einen Rechtsansp­ruch auf einen Kitaplatz haben. Aber nur 30 Prozent der unter Fünfjährig­en besuchen überhaupt eine Kita, dabei machen sie fast die Hälfte der minderjähr­igen Flüchtling­skinder aus. »Hier brauchen wir dringend personelle Unterstütz­ung«, sagt Martin Hoyer vom Paritätisc­hen Wohlfahrts­verband. Momentan würden viele Angebote, die eigentlich selbstvers­tändlich wären, von Ehrenamtli­chen getragen.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Im Bundesverg­leich liegt Berlin beim Betreuungs­schlüssel hinten.

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