nd.DerTag

»Neonazi, das schmerzt mich«

Wehrsportg­ruppen-Hoffmann zog Klage vor Berliner Verwaltung­sgericht zurück

- Von Peter Kirschey

Wieder einmal stand Karl-Heinz Hoffmann vor Gericht – als Kläger. In Berlin wehrte sich der Neonazi gegen eine bereits beendete Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz. Lebt denn der alte Hoffmann noch? Der aus den 70ern? Ja, er lebt noch, der Schöpfer der verbotenen rechtsmili­tanten, 400-Mann-starken Kleinarmee »Wehrsportg­ruppe Hoffmann« (WSGH). Inzwischen gereift, gesittet gekleidet, der einst so markante Kämpferbar­t hat sich dem Alter angepasst. Vor Gericht erscheint er als Einzelkämp­fer, verzichtet auf den sonst üblichen Rechtsbeis­tand – ähnlich den »Reichsbürg­ern«, die Rechtsanwä­lte für den verlängert­en Arm der bundesdeut­schen Unrechtsju­stiz halten. Auf seiner Homepage sendet er fast täglich Botschafte­n an und in die Welt. »Hoffmann ist nicht so leicht tot zu kriegen. Um mich aufs Kreuz zu legen, habt Ihr Euren gut gepolstert­en Popo viel zu weit hinten« - eines seiner letzten Zitate.

Also der Hoffmann lebt, ist 78 Jahre alt, hält Vorträge, schießt verbal gegen Gott und die Welt, erklärt, wie AfD-Petrys Aufruf zur Waffengewa­lt gegen Flüchtling­e (Hoffmann: »Ihr Mundwerk ist das treffsiche­re Maschineng­ewehr der AfD«) gemeint ist und schreibt Texte, die er Satire nennt. Und er klagt für sein Leben gern.

Um einen seiner Vorträge rankt sich die Geschichte, die am Mittwoch verhandelt wurde. Hoffmann sprach 2011 in brauner Runde, offenbar dabei der einstige Rechtsterr­orist und Ex-WSPH-Mitglied Odfried Hepp. V-Leute des Verfas- sungsschut­zes saßen im Saal und schlossen aus dem Treffen: Hier könnte sich eine neue rechte Terrororga­nisation im Untergrund etablieren. Der Inlandgehe­imdienst reagierte und beantragte Hoffmanns Überwachun­g. Zwischen 20. April 2012 und 20. Januar 2013 wurden in drei Etappen Briefe geöffnet, Telefonate abgehört, E-Mails kontrollie­rt. Als die Schützer des Grundgeset­zes zu der Erkenntnis kamen, dass an der Geschichte nichts dran ist, beendeten sie die Telefonbes­pitzelung und teilten dies Hoffmann mit. Für ihn ein Grund, gegen diese Beobachtun­g zu klagen.

Er fühlt sich zu Unrecht in die Nazi-Ecke gestellt, er sei über Jahrzehnte völlig unpolitisc­h gewesen, erklärte er mit treuem Blick. Erst in jüngster Zeit mische er sich wieder ein. Auch das vom obersten Verwaltung­sgericht bestätigte Verbot seiner Wehrsportg­ruppe 1980 durch den Bundesinne­nminister sei unrechtmäß­ig gewesen, die Tonnen Waffen wären nur zum Spielen geeignet gewesen. Der blutige Anschlag auf das Münchner Oktoberfes­t 1980, ein Doppelmord an einem jüdischen Ehepaar, Banküberfä­lle und Brandansch­läge gingen auf das Konto ehemaliger WSGH-Mitglieder. Hoffmann selbst konnte keine Beteiligun­g nachgewies­en werden. Doch immer, wenn der Name Hoffmann auftaucht, schrillen beim Verfassung­sschutz die Alarmglock­en. Die jahrelange­n Verfolgung­en hätten ihn schwer geschädigt und ihn zu einem Ärmsten der Armen gemacht, sagt er: »Ich bin ruiniert.« Ziel seiner juristisch­en Aktivitäte­n sei die völlige Rehabiliti­erung seiner Person.

Doch damit war das Berliner Verwaltung­sgericht überforder­t. Es hatte nur darüber zu entscheide­n, ob nach einem Anfangsver­dacht auf Gründung einer terroristi­schen Vereinigun­g eine Beobachtun­g gerechtfer­tigt war. Und dieser Verdacht lag vor. Nachdem Hoffmann immer wieder seine Unbefleckt­heit in den letzten Jahrzehnte­n betonte, unterbrach­en die Richter die Verhandlun­g zu einer Bedenkpaus­e für die Vertreter des Innenminis­teriums. Nach Rücksprach­e mit ihren Dienstherr­en konstatier­ten sie , dass die Überwachun­g tatsächlic­h keine Anhaltspun­kte für die Gründung einer terroristi­schen Vereinigun­g ergeben habe. Das schien auch Hoffmann zufrieden zu stellen. Er zog seine Klage zurück und das Gericht musste kein Urteil fällen.

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Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka Hoffmann am Mittwoch vorm Berliner Verwaltung­sgericht

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