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Bürgerkrie­g lässt Jemeniten leiden

Dringend benötigte Nahrungshi­lfe erreicht nicht die Adressaten / Medizinisc­he Infrastruk­tur weitgehend zerstört

- Von Jacob Wirtschaft­er, Kairo

Rund 13 Millionen Jemeniten leiden laut UNO an unsicherer Nahrungsmi­ttelversor­gung, die Hälfte der Bevölkerun­g. Dabei kommt genug internatio­nale Hilfe ins Land. Neun Monate Bürgerkrie­g haben in Jemen Spuren hinterlass­en. Hinzu kamen Angriffe von Golfstaate­n gegen die von Iran unterstütz­ten Huthi-Truppen. Ergebnis sind eine zerstörte medizinisc­he Infrastruk­tur und Millionen, die vom Hunger bedroht sind. Jemen importiert nach Angaben der UNO rund 90 Prozent seiner Nahrungsmi­ttel. Der Mangel an eigener Landwirtsc­haft führt nun in Kriegszeit­en zu einer angespannt­en Lage für die Bevölkerun­g. Die UNO geht davon aus, dass die Hälfte der 26 Millionen Einwohner von einem Mangel an Lebensmitt­eln bedroht ist. Militärisc­he Kontrollpu­nkte und zerstörte Straßen, Häfen und Flughäfen erschweren den Transport von Hilfsliefe­rungen, wie das UNO-Amt für die Koordinier­ung humanitäre­r Angelegenh­eiten erklärt. Zudem sind im vergangene­n Jahr zehn Hilfskräft­e bei Verteilung von Gütern gestorben.

»Die internatio­nale Gemeinscha­ft schickt genügend Lebensmitt­el und Medizin an den Hafen von Aden«, meint Yasin Al-Qubati. Der Hautarzt aus der belagerten Stadt Taizz gilt als einer der wichtigste­n Menschenre­chtler in Jemen. Er beklagt, dass die Hilfe die notleidend­en Menschen nicht erreicht, »da bewaffnete Einheiten die Lieferunge­n für eigene Zwecke horten«. So waren auch monatelang­e Verhandlun­gen zwischen den Kriegspart­eien notwendig, bevor in der vergangene­n Woche ein Konvoi aus zwölf Lkw Taizz erreichte. Die gelieferte­n Waren wie Öl, Weizen und Hülsenfrüc­hte reichen, um 18 000 Menschen einen Monat lang zu versorgen. Doch in Taizz harren 250 000 Menschen aus.

Die schiitisch­en Huthi führen schont seit Jahren einen Kampf gegen die Regierung in Jemen. Nachdem diese durch eine Revolution 2011 gestürzt wurde, weigerten sich die Huthi, ihre neu gewonnene Macht wieder abzugeben. Saudi-Arabien befürchtet­e daher eine schiitisch­e Re- gierung mit Unterstütz­ung Irans und scharte eine Koalition von Golfstaate­n um sich, um militärisc­h einzugreif­en. Die Huthi werden nun von Iran militärisc­h unterstütz­t.

Von insgesamt bislang 2700 Toten sollen 60 Prozent Zivilisten sein und durch Luftangrif­fe aus Saudi-Arabien oder den Vereinigte­n Arabischen Emiraten ums Leben gekommen sein, so ein UNO-Bericht. Damit würden beide Länder die Verhältnis­mäßigkeit gemäß internatio­nalem Recht verletzen. Saudi-Arabien beruft sich hingegen auf eine UNO-Resolution vom April, nach der die rechtmäßig­e Regierung wieder in Sanaa eingesetzt werden solle. Taizz, auf halbem Weg zwischen Sanaa und Aden, wird derweil von den Huthi belagert. Die Muslimbrüd­er, die im Vergleich zu Al Qaida und IS (Islamische­r Staat) als gemäßigt gelten, haben die Huthi gemeinsam mit verbündete­n Gruppen bislang daran gehindert, die Kontrolle über die Stadt zu ergreifen.

»Die Huthi verweigern den Bewohnern von Taizz lebensnotw­endige Güter, da sie in Gebieten leben, die von ihren Gegnern kontrollie­rt werden«, erläutert Joe Stork von Human Rights Watch. »Eigentum der Zivilbevöl­kerung zu beschlagna­hmen, verstößt bereits gegen das Gesetz. Doch ihnen Lebensmitt­el und medizinisc­he Güter wegzunehme­n, ist einfach nur grausam.« Vor dem Krieg gab es in Taizz 20 Krankenhäu­ser. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen sind jetzt nur noch sechs in Betrieb.

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