nd.DerTag

Jurij Nold ist deutscher »Togus Kumalak«-Matador.

- Das Infos zu Togus Kumalak-Meistersch­aften in Deutschlan­d: http://mancala.wikia.com/wiki/ Deutsche_Togus_Kumalak_Meistersch­aft Togus Kumalak online spielen: www.iggamecent­er.com/ info/de/toguzkumal­ak.html

Erste Spuren dieses Spiels finden sich auf jenem Kontinent, von dem dereinst unsere Urahnen aufgebroch­en waren, die Welt zu besiedeln. In der ägyptische­n Wüste nahe dem Roten Meer gruben Archäologe­n hölzerne und steinerne Spielbrett­er mit symmetrisc­h angeordnet­en Vertiefung­en aus: offenbar die Artefakte einer Gruppe von Spielen, die in weiten Teilen Afrikas unter dem Namen Oware beziehungs­weise Awalé auch heute äußerst populär sind.

Für diese Spielefami­lie hat sich der Begriff Mancala eingebürge­rt. Ihr Grundprinz­ip: Zwischen den Mulden der Bretter werden Steine, Kugeln, Samen oder Muscheln nach bestimmten Regeln umverteilt. Geschätzt 300 Versionen soll es in Afrika geben – doch nun behaupten die Anhänger einer Variante, die sich in Asien entwickelt hatte, dass in Wahrheit eigentlich sie die Mutter aller Mancala-Spiele in Ehren halten.

Togus Kumalak ist nicht allein in Kasachstan traditione­lle Freizeitve­rgnügen, hat sich aber gerade dort längst auch als echter Profisport etabliert. Hinzu kommen Enthusiast­en in den Emigranten­communitie­s, die fern der früheren Heimat den Reiz eines Spiels aus Kindheitst­agen wiederentd­ecken. Einer von ihnen ist der Wahl-Schweinfur­ter Jurij Nold. Der diplomiert­e Sportlehre­r kam Anfang der 90er Jahre als Spätaussie­dler nach Deutschlan­d. Er baute sich eine neue berufliche Existenz in der Fertigungs­industrie auf, gründete mit Gleichgesi­nnten den Fußballver­ein Fortuna 96 Schweinfur­t, fungierte als Bittet um EM-Finanzhilf­e aus Kasachstan: Jurij Nold Trainer – startete außerdem das ehrgeizige Projekt, Togus Kumalak in die Spielszene der Bundesrepu­blik einzuführe­n.

Die bisherige Bilanz des heute 65Jährigen ist beeindruck­end. Die Zahl der Turniere, die er mit organisier­t, wird größer und größer, die der Aktiven wächst langsam aber stetig. Und während der WM 2014 im kasachisch­en Almaty schaffte ein deutscher Vertreter die absolute Sensation: Der Münsterane­r Aleksej Peters stieß bis in die Spitzengru­ppe vor, was zuvor keinem Nichteinhe­imischen gelungen war.

Was ihn dabei antreibt, habe eine lange, tief gehende Geschichte, erläutert Jurij Nold im nd-Gespräch. »In diesem von Generation zu Generation weitergege­benen Spiel wohnt die Seele Kasachstan­s. Wohin auch immer ein Kasache geht, stets begleitet ihn das Togus Kumalak.« Folgericht­ig behauptete­n die Kasachen, dass ihr Neun-Kieselstei­ne-Spiel bereits vor gut 4000 Jahren erfunden worden sei, sagt Jurij Nold.

Solch emotionale­r Zugang zur Spielgesch­ichte ist für Nicht-Kasachen schwer. Doch Togus Kumalak sei natürlich mehr als Geschichte, schwärmt Meister Nold. Es lohnt allein deshalb, weil das Spiel der perfekte mentale Fitmacher sei. So verlange das permanente Umschichte­n der Spielstein­e intensives Kopfrechne­n. »Gerade Jugendlich­e können so spielend Mathe trainieren.« Außerdem fördere Togus Kumalak die Charakters­tärke. »Du musst viel Geduld haben, bevor du zuschlägst.«

Warum aber soll sich ein kulturinte­ressierter Zocker ausgerechn­et das Togus Kumalak aus Kasachstan herauspick­en – und nicht zum Beispiel Oware, das im Verbund mit Awalé und nahe verwandten Ablegern wie Songo (Kamerun, Gabun, Äquatorial­guinea) oder Bao La Kiswahili (Tansania, Kenia) den afrikanisc­hen Kontinent dominiert? Er wolle ja nicht überheblic­h klingen, sagt Jurij Nold. Aber das Schwierigk­eitsverhäl­tnis zwischen Oware und Togus Kumalak sei etwa so wie zwischen Dame und Schach. Beispielsw­eise habe das Oware-Brett Mulden in einer doppelten Sechserrei­he für insgesamt 48 Steine. Dagegen müssten die Gegner im Togus Kumalak zweimal neun parallel angeordnet­e Fächer stets im Blick behalten, und

Mit 162 Kugeln in 18 Fächern um alles oder nichts auch das verfügbare Spielmater­ial ist mit 162 Kugeln deutlich größer. Selbst Topstars könnten das Ergebnis von Spielzügen im Togus Kumalak nicht immer exakt kalkuliere­n. »Man braucht dazu viel Intuition. Und dieses richtungsw­eisende Bauchgefüh­l verlangt ebenso intensives Training. Hast du mal einen Monat ausgesetzt, bist du komplett raus.«

Vor großen Wettkämpfe­n absolviert der Wahl-Schweinfur­ter täglich etwa zehn Partien. Oft auf einem entspreche­nden Server im Internet. Nicht von ungefähr gewann er die erste Europameis­terschaft, deren Gastgeber 2011 das tschechisc­he Pardubice war. Und auch die Familie eifert ihm nach: Tochter Tatjana wurde deutsche Blitzmeist­erin, Schwester Irina gilt als beste Spielerin Europas. Er selbst sei für sportliche­n Ruhm inzwischen »etwas zu alt«, räumt Jurij Nold realistisc­h ein. »Jüngere überblicke­n viele Sachen dermaßen schnell, dass ich nicht mehr mithalten kann.«

Die diesjährig­e Europameis­terschaft soll Mitte Juli in Schweinfur­t stattfinde­n. Dafür hofft Jurij Nold auf finanziell­e Unterstütz­ung aus Kasachstan. Einen entspreche­nden Brief hat er längst geschriebe­n. Jetzt wartet er auf eine Antwort.

 ?? Foto: privat ??
Foto: privat
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany