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Höckes Bild vom Biedermann bröckelt

Im Verfahren gegen einen ehemaligen Fraktionsk­ollegen in Erfurt bestreitet der AfD-Rechte nicht seine frühen Kontakte zur Neuen Rechten

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Im Streit zwischen Björn Höcke und einem Ex-AfDler soll in Kürze das Urteil fallen. Mehr als alles andere zeigt der Streit, wie nah Höcke dem rechten Rand schon lange ist. Nach einer halben Stunde blickt Björn Höcke zur hölzernen Decke und den zehn großen Lampen hinauf. Dass sich die Juristen neben ihm gerade über formale Details streiten, scheint an ihm vorbei zu gehen. Er lächelt milde und schüttelt dabei leicht den Kopf. So wie er das öfter tut, wenn er sich über den Dingen stehend wähnt. Zwar ist Höcke nicht freiwillig hier, das Gericht hat sein Erscheinen angeordnet. Aber immerhin ist er derjenige, der seinen ehemaligen Fraktionsk­ollegen Oskar Helmerich ver- klagt hat. Helmerich war nach langem Streit mit Höcke und anderen Parteimitg­liedern aus der Thüringer Landtagsfr­aktion der »Alternativ­e für Deutschlan­d« ausgetrete­n. Seitdem sitzt er als ebenso fraktions- wie farbloser Abgeordnet­er im Parlament in Erfurt und fällt nicht weiter auf; außer eben durch diesen Rechtsstre­it.

So wie Höcke geht es vielen, die an diesem Verhandlun­gstag in dieser Woche in dem gut gefüllten Gerichtssa­al sitzen; vielleicht sogar den Richtern. Jedenfalls steht nicht nur Höcke die Frage ins Gesicht geschriebe­n, was hier eigentlich los ist. Etwa eine Dreivierte­lstunde lang erörtern die Juristen, was genau eigentlich – im Ergebnis des ersten Verhandlun­gstages – der Klagegegen­stand ist. Allen Nicht-Juristen mag diese Erläuterun­g reichen: Helmerich behauptet, Höcke habe bei einer AfD-Fraktionss­itzung im Dezember 2014 in Schnellrod­a in Sachsen-Anhalt gesagt, aus Mitteln der Fraktion solle der rechte Verlag Antaios mit mehreren tausend Euro pro Monat unterstütz­t werden. Höcke bestreitet das – und will, dass Helmerich seine auch öffentlich geäußerte Behauptung widerruft und künftig unterlässt.

Wie das Gericht in diesem Streit im Detail entscheide­n wird, lässt sich bislang nicht absehen; das Urteil wird für den 18. März erwartet. Die Sache ist auch deshalb so undurchsic­htig, weil nicht nur die Rechtslage komplizier­t ist; unter anderem verschiebt sich nach Angaben des Gerichts die Beweislast zwischen Widerruf und Unterlassu­ng zwischen Kläger und Beklagtem. Sondern auch, weil die Vernehmung­en von zwei Zeugen an die- sem Verhandlun­gstag eigentlich ziemlich ergebnislo­s zu Ende gehen. Die Behauptung Helmerichs bleibt im Raum – ohne, dass sie wirklich belegt oder wirklich widerlegt wäre; wenngleich der Richter Helmerich vorwirft, seine Darstellun­g dessen, was Höcke gesagt haben soll, mehr und mehr zu relativier­en. Dass Höcke einen wie auch immer gearteten Erfolg vor Gericht davon tragen wird, scheint deshalb nicht unwahrsche­inlich.

Was Höcke allerdings trotzdem nicht so recht sein dürfte: Die Legende, er sei als braver und fast schon unpolitisc­her Lehrer ziemlich plötzlich in die Politik gegangen, löst sich mit diesem Gerichtste­rmin letztlich vollends auf. Denn dass Höcke auf der Fraktionss­itzung in Schnellrod­a – und damit eben schon Ende 2014 – Antaios bewarb, und ebenso das damit indi- rekt verbandelt­e »Institut für Staatspoli­tik« (IfS) lobte, eine Gedankensc­hmiede der Neuen Rechten zu sein, das bestreitet er nicht – auch wenn er nichts von finanziell­er Unterstütz­ung wissen will. Schließlic­h wird sogar ausführlic­h erörtertet, dass Höcke plante, einen Mitarbeite­r aus dem Umfeld von Antaios und IfS bei der Thüringer AfD-Fraktion zu beschäftig­en.

Warum das der Legende schadet? Weil Höcke selbst damit eben vor einem deutschen Gericht einräumt, was bislang nur andere über ihn geschriebe­n; und er stets als falsch zurückgewi­esen hat: Dass er offensicht­lich schon lange vor seiner Wahl in den Landtag gute Kontakte an den rechten Rand der Gesellscha­ft hatte – und eben nicht der brave, unpolitisc­he Biedermann war, als der er sich selbst gerne hinstellt.

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