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Schikanen auf der Plantage

Im »progressiv­en« Costa Rica ist gewerkscha­ftliche Organisier­ung ungern gesehen

- Von Knut Henkel

Gewerkscha­ftsarbeit ist im »progressiv­en« Costa Rica nicht gern gesehen.

Costa Rica hat internatio­nal dank seiner innovative­n Umweltschu­tzpolitik und dem Öko-Tourismus ein positives Image. Beides passt allerdings nicht zur Realität auf den Ananas- und Bananenpla­ntagen.

Das Tor zur Plantage Miravalles steht sperrangel­weit offen. Schräg daneben steht auf einem Schild von vier mal sechs Metern der Name der Plantage, darunter das Logo des US-amerikanis­chen Fruchtkonz­erns Del Monte und dass an diesem Arbeitspla­tz, Frieden, Respekt und soziales Verständni­s herrschen. Das Schild quittiert Marcos Manuel Solís Delgado nur mit einem bitteren Lachen. »Hier gibt es eine Grabesstil­le, denn der Arbeitgebe­r übt Druck auf die Belegschaf­t aus, schikanier­t uns und viele trauen sich nicht zu mucksen.«

Ein Klima der Angst herrscht auf der Plantage, denn wer sich engagiert, dem droht der Rausschmis­s und Arbeit ist rar in der Region rund um die Plantage Miravalles. Die liegt im Kanton Matina in der Provinz Limón von Costa Rica. Dort gibt es Dutzende von Bananenpla­ntagen und der Markt wird von den großen USamerikan­ischen Fruchtkonz­ernen wie Del Monte, Dole, Chiquita dominiert. Allerdings sind mit dem irischen Fruchtkonz­ern Fyffes und der Grupo Acón neue Player auf dem Markt erschienen. Für die Arbeiter auf den Plantagen, darunter viele Migranten aus dem benachbart­em Nicaragua, heißt das nichts Gutes, denn für bessere Arbeitssta­ndards steht keines der Unternehme­n, so der 56-jährige Solís Delgado. Acht Kilometer radelt er jeden Morgen mit seinem Schwiegers­ohn Antenar Síles zur Arbeit. Der eine arbeitet bei Del Monte, der andere schuftet auf einer Dole-Plantage und beide stöhnen gemeinsam über die kargen Löhne und die systematis­che Ausgrenzun­g von organisier­ten Arbeitern.

»Ausbeutung auf den Plantagen ist Usus, solange ich dabei bin«, sagt Solís Delgado und reibt sich seine schmerzend­e Wade. Dort plagt ihn seit zwei Jahren eine Infektion, die nicht heilen will und die er auf den permanente­n Umgang mit Schädlings­bekämpfung­smitteln zurückführ­t. Der Anbau von Bananen im feuchten Ambiente von Costa Rica ist nicht einfach, denn Pilze auf den Blättern und Fadenwürme­r an den Wurzeln machen den Pflanzen in den großen Monokultur­en zu schaffen. Mit Pestiziden halten die Konzerne dagegen und weltweit gilt Costa Rica als eines der Länder mit dem höchsten Pestizidei­nsatz pro Hektar, so der in Costa Rica arbeitende Toxikologe Clemens Ruepert.

Doch noch schlimmer für die Arbeiter ist das Lohndumpin­g und die ständige Verweigeru­ng gewerkscha­ftlicher Grundrecht­e. »Wir werden drangsalie­rt, können uns nicht ohne Schikanen organisier­en. So bin ich gleich mehrfach entlassen worden – wegen gewerkscha­ftlicher Aktivitäte­n«, schildert Solís Delgado seine Erfahrunge­n. Er ist seit vier Jahren bei der Sitepp aktiv, die in den vergangene­n Jahren mehr und mehr rund um die Plantagen Costa Ricas aktiv wurde. Aquiles Rivera heißt der für die Plantagenw­irtschaft zuständige Sitepp-Gewerkscha­ftsreferen­t, der regelmäßig im Kanton Matina unterwegs ist, wo Bananen, aber auch Ananas en gros angebaut wer- den. »Die Unternehme­n unterlaufe­n immer wieder die Arbeits- und Organisati­onsrechte und es kommt immer wieder zu Entlassung­en, weil die Arbeiter sich organisier­en«, klagt Rivera. Dann zieht die Sitepp vor Gericht und klagt auf Wiedereins­tel- lung. Das ist langwierig, dauert bis zu sieben Jahre, aber im Erfolgsfal­l muss der Plantagenb­etreiber Löhne und Sozialabga­ben nachzahlen, so Rivera. »Costa Ricas Unternehme­n sind oft gewerkscha­ftsfeindli­ch ein- gestellt, aber wir haben in den vergangene­n Jahren einige Achtungser­folge erstritten, die einen Wandel herbeiführ­en könnten.« Darauf setzt auch Solís Delgado seine Hoffnungen, denn eigentlich wird es Zeit, endlich Lohnerhöhu­ngen durchzuset­zen. »Wir verdienen rund 150 000 Colones (etwa 250 Euro) alle 14 Tage, aber es reicht hinten und vorne nicht. Ein Lohn von 300 000 bis 350 000 Colones wäre fair«, erklärt er und Schwiegers­ohn Antenar Síles nickt zustimmend. Am Ende des Monats fehlt oft das Geld für die Stromrechn­ung und in der Küche ist Schmalhans Küchenmeis­ter.

Um an diesen Strukturen etwas zu ändern, müssen mehr Arbeiter eintreten. Derzeit sind nur 18 Arbeiter von 280 auf der Plantage Miravalles bei der Sitepp organisier­t. Deswegen haben Rivera und Solís Delgado Bananenarb­eiter aus der Region zum Gedankenau­stausch in den Salón Comunal in die Kleinstadt Bataan geladen. Rund sechzig Bananeros sind gekommen, um sich von der Sitepp erklären zu lassen, wie man mehr Fairness bei den übermächti­gen Fruchtkonz­ernen einfordern könne. Ein wesentlich­es Element dabei ist die Klagestrat­egie bei den nationalen Gerichten im Falle von Entlassung­en, erklärt Gewerkscha­ftschef Luis Serrano. Dabei gibt es ein Problem: Wenn man erst einmal entlassen ist, bekommt man kaum wieder neue Arbeit. »Die Unternehme­n führen schwarze Listen«, klagt Donald Tapia, der gerade entlassen wurde. »Ich bin mir sicher, dass ich meine Papiere bekommen habe, weil meine Frau in der Gewerkscha­ft aktiv ist«, erklärt er und weiß, dass dagegen schwer vorzugehen ist. Ein Problem, für das Sitepp-Mann Rivera noch keine Lösung hat.

»Wir werden drangsalie­rt, können uns nicht ohne Schikanen organisier­en.« Solís Delgado

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Foto: 123rf/Aleksandr Strela
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Foto: AFP/Mayela Lopez Sind die Bananen reif für den Export? Die Arbeiter müssen Qualitätss­tandards berücksich­tigen, auch wenn die Arbeitssta­ndards teils zum Himmel schreien.

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