Das große Duell
Es ist ein Zweikampf epischen Ausmaßes, eine Auseinandersetzung auf allerhöchstem Niveau. Kain gegen Abel, Ali gegen Frazier, Seehofer gegen den gesunden Menschenverstand – die großen Konflikte der Menschheitsgeschichte verblassen, seit die beiden Titanen der gemäßigten politischen Philosophie miteinander ringen: Joachim Gauck und Joachim Gauck.
Auf der einen Seite kämpft der Gauck, der daran zweifelt, ob er auch mit über 80 Jahren den »Belastungen des Amtes« des Bundespräsidenten gewachsen ist. Die darf man nämlich nicht unterschätzen! Staatsempfänge und Amtsreisen stellen enorme Anforderungen an Körper und Geist. Eine Sehnenscheidenentzündung zum Beispiel gilt in der politischen Diplomatie auf allerhöchstem internationalen Niveau keineswegs als Entschuldigung dafür, einem Neger im Anzug den Handschlag zu verweigern. Das weiß Gauck nach fast vier Jahren in Bellevue nur allzu gut. Doch der Bundespräsident wird auch nicht jünger. In seinem Umfeld wird gemunkelt, dass er Anzeichen einer Altersdemenz zeigt. Gauck sei schusselig. Mal vergisst er seine Schlüssel, mal den guten Vorsatz, nicht latent rechtsradikal rüberzukommen.
Demgegenüber kämpft der Gauck, der weiß, dass es nirgends einen Besseren für den Job gibt. Niemanden, dessen Strahlkraft größer wäre, der staatstragender gucken könnte und der so viel Belag wie Pathos auf den Stimmbändern trägt. So viel Realismus steckt eben auch im Pastor, der allerorten mehr geliebt wird als Michael Schanze zu seinen besten Zeiten. Des »großen Zuspruchs« aus der Bevölkerung, dessen ist sich Joachim Gauck durchaus bewusst. Jeden Tag flattern die Liebesbriefe von den einfachen Menschen in sein Büro. Auch deshalb wird er, wenn er sich erst richtig niedergerungen hat, selbstverständlich weitermachen als Bundespräsident.
Könnte Gauck die BRD überhaupt nach nur fünf Jahren sich selbst überlassen? Wären die Menschen schon bereit, ein selbstständiges Leben zu führen? Haben sie seine wichtigen Konzepte verinnerlicht, die da wären Freiheit, Verantwortung und Vielweiberei? Natürlich nicht. Außerdem kann er uns in diesen schweren Zeiten nicht alleine lassen mit unseren weiten Herzen, unseren endlichen Möglichkeiten Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«. und den Millionen von Kanaken. Aber Joachim Gauck will seine Entscheidung trotzdem spannend machen. Das ist sein gutes Recht als Staatsoberhaupt, dem die politische Besorgnis tiefe Furchen ins Gesicht geschnitzt hat.
Das Volk sollte ihm zudem noch ein bisschen entgegenkommen. »Der Präsident ist der Repräsentant von uns allen«, sagte Gauck dem Deutschlandfunk ein bisschen drohend und fügte an, dass einigen wohl nicht klar sei, dass die »höchste Repräsentanz einer Republik, einer Demokratie, doch mindestens so viel Ehrerbietung verdient, wie es ein gekröntes Haupt verdient«.
Wenn Gauck also zukünftig wie die Queen im feschen Oma-Fummel durchs Land reist, dann erwartet er wenigstens einen Knicks. Das gebietet schon der Respekt vor der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Anstand gegenüber Damen!
Und wenn er uns den Gefallen einer zweiten Amtszeit erweist, dann gibt es da noch eine Sache, die Gauck gerne im Gegenzug unerledigt sähe: die Abschaffung des Paragrafen 103, der es verbietet, ausländische Staatsoberhäupter als Ziegenficker zu bezeichnen. Gaucks »Rat aber in dieser Sache ist, nicht aus einer aktuellen Erregungsphase heraus Entscheidungen zu treffen, sondern das Für und Wider noch einmal gründlich zu bewerten«. In dem Falle also das Für, die Meinungsfreiheit dem allgemeinen Wohlbefinden und Seelenheil befreundeter Autokraten unterzuordnen. Das ist eben die »Verantwortung« bei »Freiheit und Verantwortung«. Damit das auch der Letzte versteht, bräuchte Gauck eigentlich sogar noch eine dritte Amtszeit. Was Deutschland also wirklich benötigt, ist Freiheit, Verantwortung und eine Verfassungsänderung.