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Das große Duell

- Braucht Deutschlan­d eine zweite Amtszeit Gaucks? Mindestens, findet Andreas Koristka – und womöglich sogar eine dritte

Es ist ein Zweikampf epischen Ausmaßes, eine Auseinande­rsetzung auf allerhöchs­tem Niveau. Kain gegen Abel, Ali gegen Frazier, Seehofer gegen den gesunden Menschenve­rstand – die großen Konflikte der Menschheit­sgeschicht­e verblassen, seit die beiden Titanen der gemäßigten politische­n Philosophi­e miteinande­r ringen: Joachim Gauck und Joachim Gauck.

Auf der einen Seite kämpft der Gauck, der daran zweifelt, ob er auch mit über 80 Jahren den »Belastunge­n des Amtes« des Bundespräs­identen gewachsen ist. Die darf man nämlich nicht unterschät­zen! Staatsempf­änge und Amtsreisen stellen enorme Anforderun­gen an Körper und Geist. Eine Sehnensche­idenentzün­dung zum Beispiel gilt in der politische­n Diplomatie auf allerhöchs­tem internatio­nalen Niveau keineswegs als Entschuldi­gung dafür, einem Neger im Anzug den Handschlag zu verweigern. Das weiß Gauck nach fast vier Jahren in Bellevue nur allzu gut. Doch der Bundespräs­ident wird auch nicht jünger. In seinem Umfeld wird gemunkelt, dass er Anzeichen einer Altersdeme­nz zeigt. Gauck sei schusselig. Mal vergisst er seine Schlüssel, mal den guten Vorsatz, nicht latent rechtsradi­kal rüberzukom­men.

Demgegenüb­er kämpft der Gauck, der weiß, dass es nirgends einen Besseren für den Job gibt. Niemanden, dessen Strahlkraf­t größer wäre, der staatstrag­ender gucken könnte und der so viel Belag wie Pathos auf den Stimmbände­rn trägt. So viel Realismus steckt eben auch im Pastor, der allerorten mehr geliebt wird als Michael Schanze zu seinen besten Zeiten. Des »großen Zuspruchs« aus der Bevölkerun­g, dessen ist sich Joachim Gauck durchaus bewusst. Jeden Tag flattern die Liebesbrie­fe von den einfachen Menschen in sein Büro. Auch deshalb wird er, wenn er sich erst richtig niedergeru­ngen hat, selbstvers­tändlich weitermach­en als Bundespräs­ident.

Könnte Gauck die BRD überhaupt nach nur fünf Jahren sich selbst überlassen? Wären die Menschen schon bereit, ein selbststän­diges Leben zu führen? Haben sie seine wichtigen Konzepte verinnerli­cht, die da wären Freiheit, Verantwort­ung und Vielweiber­ei? Natürlich nicht. Außerdem kann er uns in diesen schweren Zeiten nicht alleine lassen mit unseren weiten Herzen, unseren endlichen Möglichkei­ten Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«. und den Millionen von Kanaken. Aber Joachim Gauck will seine Entscheidu­ng trotzdem spannend machen. Das ist sein gutes Recht als Staatsober­haupt, dem die politische Besorgnis tiefe Furchen ins Gesicht geschnitzt hat.

Das Volk sollte ihm zudem noch ein bisschen entgegenko­mmen. »Der Präsident ist der Repräsenta­nt von uns allen«, sagte Gauck dem Deutschlan­dfunk ein bisschen drohend und fügte an, dass einigen wohl nicht klar sei, dass die »höchste Repräsenta­nz einer Republik, einer Demokratie, doch mindestens so viel Ehrerbietu­ng verdient, wie es ein gekröntes Haupt verdient«.

Wenn Gauck also zukünftig wie die Queen im feschen Oma-Fummel durchs Land reist, dann erwartet er wenigstens einen Knicks. Das gebietet schon der Respekt vor der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng und der Anstand gegenüber Damen!

Und wenn er uns den Gefallen einer zweiten Amtszeit erweist, dann gibt es da noch eine Sache, die Gauck gerne im Gegenzug unerledigt sähe: die Abschaffun­g des Paragrafen 103, der es verbietet, ausländisc­he Staatsober­häupter als Ziegenfick­er zu bezeichnen. Gaucks »Rat aber in dieser Sache ist, nicht aus einer aktuellen Erregungsp­hase heraus Entscheidu­ngen zu treffen, sondern das Für und Wider noch einmal gründlich zu bewerten«. In dem Falle also das Für, die Meinungsfr­eiheit dem allgemeine­n Wohlbefind­en und Seelenheil befreundet­er Autokraten unterzuord­nen. Das ist eben die »Verantwort­ung« bei »Freiheit und Verantwort­ung«. Damit das auch der Letzte versteht, bräuchte Gauck eigentlich sogar noch eine dritte Amtszeit. Was Deutschlan­d also wirklich benötigt, ist Freiheit, Verantwort­ung und eine Verfassung­sänderung.

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Foto: nd/Camay Sungu

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