Stiftung wehrt sich gegen Terror im Netz
Demokratische Aktivisten verstärkt von Nazis bedroht
»Gäbe es eine Figur wie mich nicht, man müsste mich erfinden«, fasst Anetta Kahane die Anfeindungen und offenen Bedrohungen von rechts gegen sie zusammen. Sie war ostdeutsche Bürgerin mit jüdischem Hintergrund, inoffizielle Mitarbeiterin »Victoria« und etablierte sich schließlich als zivilgesellschaftliche Akteurin gegen Rassismus und Antisemitismus mit einem weitreichenden Netzwerk. Zurzeit häufen sich die Anfeindungen gegen sie. Ihre Mitarbeiterinnen werden ebenfalls bedroht. Das rechte Anonymous-Kollektiv hackte die Server der Amadeu Antonio Stiftung, die »Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg« klebte diffamierende Poster an die Büroräume.
Dabei ist Kahanes Tätigkeit als IM schon seit dem Jahr 2002 bekannt. Sie wurde seitdem ausführlich ausgewertet. Kahane ist nicht stolz auf diese Zeit, hat damals aber weder grobe Nachteile für andere noch offenkundige Vorteile für sich selbst hergestellt. Nach ihrem Austritt als IM hat sie als Übersetzerin kaum Textangebote erhalten, den Antifaschismus in der DDR hinterfragt und schließlich einen Ausreiseantrag gestellt.
Der immer wiederkehrende Bezug der Rechten dazu scheint nur ein willkommener Anlass zur Diffamierung zu sein. Besonders in den letzten Wochen hat der Hass im Internet ein Ausmaß angenommen, das nicht einfach übergangen werden kann. Anetta Kahane ist Zielscheibe eines massiven Shitstorms von Verhöhnung, Spott und Morddrohungen. Man beschimpft sie wahlweise als »Volksverräterin« mit antisemitischen Untertönen oder Karikaturen, als »Zionistin« und als »StasiSpitzel«.
Die Stimmung zwischen den politischen Lagern wird rauer, wenn sich die virtuellen Inhalte in einem Maß verbreiten, bei dem die Leitmedien nicht mehr hinterherkommen und Drohungen zu realem Terror werden. Rechtsextreme Angriffe haben im vergangenen Jahr rasant zugenommen, Geflüchtete erleiden erneut Gewalt und Aktivisten für eine tolerante Gesellschaft werden brutal attackiert. Dies kann auch nachts im Schlaf geschehen. Am Wochenende wurden drei Studenten in der eigenen Wohngemeinschaft in Halle angegriffen.
Damit virtuelle Hasstiraden nicht zu einer brachialen Realität werden, haben sich nun verschiedene gesellschaftliche Akteure zusammengeschlossen. Die Amadeu Antonio Stiftung hat mit Justizminister Heiko Maas (SPD) eine Task Force gegen Hate Speech (Hassrede) ins Leben gerufen. Strafbare Inhalte sollen konsequent juristisch verfolgt werden. Zudem wurde eine beratende Tätigkeit beim sozialen Netzwerk Facebook aufgenommen: Die Online Civil Courage Initiative.
Ursache des Hasses sind auch professionelle rechte Nachrichtenseiten im Internet wie PI-News sowie die Onlineangebote von »Compact Magazin« oder der »Jungen Freiheit«, die zu Seiten verlinken und zu Kommentaren aufrufen. Dies hat etwa Simone Rafael von Netz-gegen-Nazis beobachtet. Dabei wird regelmäßig die rote Linie zu strafbaren Inhalten überschritten. Die Amadeu Antonio Stiftung hat am 8. März erfolgreich einen Prozess gegen das »Compact Magazin« am Landgericht Hamburg mit Unterlassungsverfügung und Gegendarstellung beendet. Es wird nicht der letzte bleiben. Gesellschaft, Politik und Gerichte werden somit vor die große Herausforderung gestellt, dem Internet endlich einen rechtlich adäquaten Rahmen zu geben.