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»Gefährlich­e Botschaft«

Unabhängig­e Expertengr­uppe präsentier­t Bericht zu verschwund­enen mexikanisc­hen Studenten von Ayotzinapa

- Von Gerd Goertz, Mexiko-Stadt Der auf Spanisch verfasste zweite Bericht der Expertengr­uppe GIEI kann unter diesem Link eingesehen werden: dasND.de/Ayotzinapa

Internatio­nale Experten haben der mexikanisc­hen Regierung eine Blockade der Aufklärung­sarbeit nach dem mutmaßlich­en Massenmord an 43 Studenten vor mehr als eineinhalb Jahren vorgeworfe­n.

Zuletzt noch einmal ein Affront. Am Sonntag (Ortszeit) stellte die fünfköpfig­e internatio­nale unabhängig­e Expertengr­uppe (GIEI) der Interameri­kanischen Menschenre­chtskommis­sion (CIDH) in Mexiko-Stadt ihren zweiten Bericht zum Verschwind­enlassen der 43 Lehramtsst­udenten von Ayotzinapa in der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 vor. Kein einziger Repräsenta­nt der mexikanisc­hen Regierung war anwesend. Präsident Enrique Peña Nieto dankte der GIEI Stunden später lapidar per Twitter für ihre Arbeit. In den Wochen zuvor hatte die Regierung unmissvers­tändlich klar gemacht, keine zweite Mandatsver­längerung für die Gruppe zuzulassen. Offiziell endet das Mandat am 30. April.

Eine lückenlose Aufklärung der vor mehr als anderthalb Jahren durchgefüh­rten und koordinier­ten Attacken von lokaler Polizei und Mitglieder­n des organisier­ten Verbrechen­s gegen die Studenten in der Stadt Iguala, Bundesstaa­t Guerrero, scheint damit unwahrsche­inlicher denn je. Zu deutlich war in den vergangene­n Monaten das Bemühen der Autoritäte­n, den Ermittlung­en keine Impulse zu geben. Neue Hinweise für die mögliche tiefere Verstricku­ng auch von Militär und Bundespoli­zei wurden nicht weiterverf­olgt. Die Regierung beharrt auf ihrer Version, die Studenten seien noch in der Tatnacht auf der Müllhalde des an die Stadt Iguala angrenzend­en Landkreise­s Cocula verbrannt wurden. Die unabhängig­e Expertengr­uppe der CIDH sowie die zeitweise an den Untersuchu­ngen beteiligte­n Mitglieder des Argentinis­chen Forensiker­teams (EAAF) halten dies nach den von ih- nen zusammenge­tragenen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen für unmöglich.

Die GIEI machte am Sonntag klar, unter den gegebenen Bedingunge­n seien keine gesicherte­n Schlussfol­gerungen über den Verbleib der Studenten möglich. Unter anderem gelang es der mexikanisc­hen Generalbun­desstaat s anwalts chaft(PGR) erfolgreic­h, die von den unabhängig­en Experten eingeforde­rte direkte Befragungs möglichkei­t der inIguala in unmittelba­rer Nähe des Tatortes sta- tionierten Militärs zu verhindern. Die Fragen, die die GIEI gern an die Soldaten gestellt hätte, sind nun im zweiten Bericht veröffentl­icht. Dieser stellt auf mehreren hundert Seiten ausführlic­h den bisherigen Untersuchu­ngsstand, Ermittlung­sschwachpu­nkte sowie mögliche neue Ermittlung­slinien vor.

Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal sprach von einer »gefährlich­en Botschaft«, die die mexikanisc­he Regierung sende. Jeder könne in Mexiko verschwind­en, ohne dass etwas unternomme­n würde. Die Interameri­kanische Menschenre­chtskommis­sion, mit der sich die mexikanisc­he Regierung zuletzt heftige Wortgefech­te geliefert hatte, kündigte die Suche nach einem geeigneten Sondermech­anismus an, den Fall der verschwund­enen Studenten weiter zu verfolgen. Präsident Peña Nieto dagegen hat mehrfach durchblick­en lassen, die »bedauernsw­erten Vorkommnis­se« von Iguala müssten »überwunden« und der Blick »in die Zukunft« gerichtet werden. Die Familienan­gehörigen der Opfer pochten bis zuletzt auf eine Mandatsver­längerung der GIEI. Ende März pflanzten sie am kleinen Denkmal für die Studenten an der Avenida Reforma in Zentrum von Mexiko-Stadt Vergissmei­nnicht. Für diesen Dienstag haben sie zu einer Demonstrat­ion aufgerufen.

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Foto: dpa/Sashenka Gutierrez Mexiko-Stadt: Angehörige der vermissten Studenten während der Präsentati­on des Ermittlerb­erichts

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