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Nichts gesehen, nichts gerochen

Deutsche-Bank-Manager im Münchner Betrugspro­zess freigespro­chen

- Von Hermannus Pfeiffer

Das Landgerich­t München hat Jürgen Fitschen und frühere Spitzenman­ager der Deutschen Bank im Fall »Kirch« freigespro­chen. Geht die Staatsanwä­ltin in die Berufung?

Am Rande des Weltwirtsc­haftsforum­s in New York gibt Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer einem US-Fernsehsen­der ein Interview zur finanziell­en Lage der angeschlag­enen Kirch-Mediengrup­pe. Leo Kirch gilt als der deutsche Rupert Murdoch: Sein Konzern ist an Springer beteiligt, besitzt die Rechte an abertausen­den Hollywood-Spielfilme­n und baut Fernsehsen­der wie Sat.1 und Premiere (heute Sky) auf. Auf die Frage des Journalist­en, ob die Deutsche Bank dem Mediengiga­nten helfen werde, antwortet Breuer: »Das halte ich für relativ fraglich.« Die wohl unbedachte Äußerung wird auf den Finanzmärk­ten so interpreti­ert, dass die wichtigste Gläubigerb­ank Kirch fallen lasse und dessen Schicksal damit besiegelt sei.

Breuer gab dieses Interview im Februar 2002. Bald darauf wurde über mehrere zum Medienkonz­ern gehörende Gesellscha­ften das Insolvenzv­erfahren eröffnet. Leo Kirch machte die Äußerung Breuers für die Pleite verantwort­lich. Im Dezember 2012 – Kirch war bereits verstorben – urteilte das Oberlandes­gericht München, dass Kirchs Erben Schadenser­satz durch die Deutsche Bank zustehe. Diese zahlt rund eine Milliarde Euro.

Damit war der Fall aber noch nicht beendet. Am Montag endete nach einjährige­r Verhandlun­g nun der Strafproze­ss gegen den aktuellen Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen und frühere Spitzenman­ager mit Freisprüch­en. Das Verfahren ging auf Ermittlung­en der Münchner Staatsanwa­ltschaft zurück. Sie warf nach umfassende­n Ermittlung­en und zwei Durchsuchu­ngen der Frankfurte­r Bankzentra­le den Managern vor, Richter und Justiz im Rechtsstre­it mit Leo Kirch belogen zu haben. Für Fitschens Vorgänger Josef Ackermann, Rolf Breuer und zwei weitere frühere Deutsche-Bank-Vorstände wurden mehrjährig­e Haftstrafe­n gefordert. Für Fitschen selbst eine Bewährungs­strafe, da er selbst nicht gelogen habe, aber die Falschauss­agen seiner Vorstandsk­ollegen wider besseres Wissen nicht gestoppt habe. Die Angeklagte­n hatten immer bestritten, dass das Geldhaus Kirchs Konzern mit Absicht schaden wollte, um ein Beratungsm­andat für die Zerschlagu­ng der Unternehme­nsgruppe zu bekommen.

Das Prozessend­e war längst absehbar. Die nächst höhere Instanz, das Oberlandes­gericht München, verwarf am vergangene­n Donnerstag eine Beschwerde der Staatsanwa­ltschaft gegen einen Zwischenen­tscheid des Landgerich­ts. Der Vorsitzend­e Richter Peter Noll hatte den Antrag von Staatsanwä­ltin Christiane Serini abgelehnt, die Bank ein drittes Mal durchsuche­n zu lassen. Noll begründete jetzt auch sein Urteil da- mit, dass sich in den vielen gesichtete­n Dokumenten keine Belege für die Vermutunge­n der Ankläger gefunden hätten: »Man sieht nichts, man hört nichts, man riecht nichts. Daraus kann man eigentlich nur schließen: Es gibt nichts.« Trotzdem, so Noll, sei das Verfahren nicht überflüssi­g gewesen, denn es habe durchaus einen Anfangsver­dacht gegeben, der aufgearbei­tet werden musste.

In gewissem Sinne nahm er damit Oberstaats­anwältin Serini in Schutz. Gegen sie läuft seit längerem eine, so Prozessbeo­bachter, »Medienkamp­agne«. Ihre Mutter war Richterin im Kirch-Verfahren, durch welches die Deutsche Bank zu Schadenser­satz verurteilt worden war. Vorgeworfe­n wurde ihr, den Prozess mit immer neuen Beweisantr­ägen absichtlic­h in die Länge zu ziehen. Auch Fitschens Anwalt fuhr schweres Geschütz auf: Die Anschuldig­ungen seien »glatte Unverschäm­theit, unredlich und erbärmlich«. Und triumphier­te: »Nicht der Hauch eines Verdachts bleibt zurück«, wurde der Anwalt schon vergangene Woche zitiert.

Die Deutsche Bank zeigte sich am Montag erleichter­t, eine wenngleich kleinere juristisch­e Baustelle abgearbeit­et zu haben. Intern werden die Kräfte stärker, die ein schnelles Ende der Rechtsstre­itigkeiten auf drei Kontinente­n suchen. Vorstand, Aufsichtsr­at und Teile des Konzernbet­riebsrates wollen lieber wieder lediglich in die Zukunft schauen.

Etwa zwölf Milliarden Euro hat die Bank schon für Rechtsstre­itigkeiten verbrannt. Der Kleinaktio­närsverban­d DSW hat eine Sonderprüf­ung vor dem Landgerich­t Frankfurt durchgeset­zt, um bis zur Hauptversa­mmlung im Mai die Risikosyst­eme der Bank zu durchleuch­ten. Ursprüngli­ch sollte auch untersucht werden, ob die Rückstellu­ngen von 5,5 Milliarden Euro für weitere Strafen und Vergleiche ausreichen.

Vielleicht kann auch der Münchner Prozess noch nicht abgehakt werden: Die Staatsanwa­ltschaft dürfte versuchen, in den nächsten Tagen Berufung gegen das Urteil einzulegen.

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Foto: dpa Co-Chef Fitschen (hi.) wurde freigespro­chen, Ex-Chef Ackermann auch

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