nd.DerTag

Warten auf Behandlung

- Nicolas Šustr über das Gesundheit­ssystem

Bloß nichts mit der Haut oder den Augen bekommen. Diesen frommen Wunsch kennt wohl so mancher Berliner, denn Fachärzte für diese Organe sind in Berlin gefühlter Goldstaub. Vor Jahren wurde einem Freund unter dem Siegel der Verschwieg­enheit ein Tipp gegeben. Draußen in Buch, da gebe es einen Hautarzt, da kriege man innerhalb von zwei Wochen einen Termin. Ein wahrer Patientens­trom von Friedrichs­hain nach Buch setzte ein, bis, nun ja, der geneigte Leser ahnt es schon, der Arzt niemanden mehr Termine gab. Er setze seine Ehe aufs Spiel, wenn er sich nicht auch irgendwann zu Hause zeige, gab er zu verstehen.

Die Notaufnahm­e des örtlichen Krankenhau­ses gilt da für viele, die wochen- oder monatelang keinen Termin bekommen, als Rettung. In Kombinatio­n mit der aus Spargründe­n knapp gehaltenen Personalde­cke bedeutet das für die meisten stundenlan­ge Wartezeite­n. Doch die Notaufnahm­en sind eigentlich nur die auch für Patienten erlebbare Spitze des Eisbergs. Auf allen Stationen herrscht Personalkn­appheit. Überlastun­gsanzeigen sind der Weg, mit dem Beschäftig­te ihren Vorgesetzt­en seit Jahren versuchen, Zeichen zu geben.

Weitgehend wurde das ignoriert. Der zwischen ver.di und Charité ausgehande­lte Tarifabsch­luss könnte tatsächlic­h ein ermutigend­es Signal für die Beschäftig­ten werden. Es ging nämlich bei der Universitä­tsklinik nicht nur um Löhne, sondern vor allem um Personalsc­hlüssel. Sollte die aktuell laufende Urabstimmu­ng positiv ausfallen, wovon auszugehen ist, könnte es tatsächlic­h eine Wende weg vom Personalab­bau geben. Das könnte auch bei Vivantes Auswirkung­en haben. Bislang zeigt der städtische Konzern keine Schwäche gegenüber ver.di. Am Ende kämpfen die Krankenhau­sbeschäfti­gten auch für die Patienten. Denn mehr Personal bedeutet auch eine bessere Versorgung.

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