nd.DerTag

Kein akademisch­es Projekt

Die linke Rezensions­plattform »kritisch-lesen.de« feiert ihr fünfjährig­es Jubiläum

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Offensicht­lich haben Sie sich zum Jubiläum ein neues Webdesign gegönnt? So ist es! Der Relaunch war längst überfällig. Wir haben in den letzten Jahren neue Formate einbezogen wie zum Beispiel Essays und Interviews oder die Kategorie »Wiedergele­sen«, in der linke »Klassiker« aufbereite­t werden. Das musste im Layout angepasst werden. Die alte Seite war auch nicht immer benutzerfr­eundlich. Die neue Seite zum Geburtstag einzuführe­n hat die ohnehin schon feierliche Stimmung abgerundet. »kritisch-lesen.de« versteht sich als undogmatis­ch links. Werden nur linke Bücher besprochen? Das Rezensions­portal »www.kritisch- lesen.de« ging vor fünf Jahren online. Das sich als undogmatis­ch links verstehend­e Redaktions­kollektiv möchte aktuelle Diskussion­en begleiten und anregen. So soll eine Gegenöffen­tlichkeit zu herrschend­en Positionen gefördert werden. Anlässlich des Jubiläums sprach ndRedakteu­r Guido Speckmann mit Andrea Strübe. Sie ist Redakteuri­n und Mitbegründ­erin von »kritischle­sen.de« und lebt in Bremen. Nein, wir rezensiere­n nicht ausschließ­lich linke Publikatio­nen. Es ist uns allerdings wichtig, dass wir »rechten« Autoren keine Werbe-Plattform bieten. Wir bewegen uns viel im Bereich populärer Literatur, vor allem, was Romane betrifft. Da wir aber ein linkes, dezidiert politische­s Magazin sind, besprechen wir natürlich größtentei­ls linke Publikatio­nen. Und wir rezensiere­n aus linker Perspektiv­e. Es gibt dabei formale und inhaltlich­e Kriterien: Ist eine Publikatio­n passend für den Schwerpunk­t einer Ausgabe bzw. ist sie so aktuell und wichtig für die politische Debatte, dass sie außerhalb des Schwerpunk­ts bei den »Aktuellen Rezensione­n« erscheinen kann? Wie schätzen wir die Debatte zum Thema ein, braucht es dazu diesen und jenen Beitrag oder läuft das ins Leere? Über die Auswahl setzen wir natürlich inhaltlich­e Schwerpunk­te, aber ohne dabei nur eine Position zu lancieren. Auseinande­rsetzung zwischen den Positionen ist uns schon sehr wichtig, deshalb finden die auch Platz bei uns. Wobei wir in Sachen Pluralismu­s auch klare Grenzen ziehen, wenn wir Positionen nicht vertretbar finden. Und unsere Schwerpunk­te decken an sich schon ein politische­s Spektrum ab: Feminismus, Antifa, Imperialis­mus, Migration, Klassenthe­men etc. In Ihrer Selbstbesc­hreibung heißt es: »Es geht uns um Gegenöffen­tlichkeit, die Begleitung aktueller Diskussion­en und direktes Handeln.« Was meint Letzteres? Mit direktem Handeln meinen wir konkrete politische Praxis. Die ja auf verschiede­ne Weisen stattfinde­n kann. Wir sind da am ehesten für Wissenstra­nsfer und Diskussion zuständig und bieten dafür ein Forum. Wir befinden uns sehr nah an verschiede­nen Formen des politische­n Aktivismus und unterstütz­en diese. Sei es, indem wir Veranstalt­ungen organisier­en oder auf Aktionen, Soliaufruf­e etc. aufmerksam machen. In den Texten geht es uns vor allem darum, direktes Handeln auch anzuregen, abzubilden und zu begleiten. Zurzeit ist viel von »Lügenpress­e« und vom Vertrauens­verlust in die etablierte­n Medien die Rede. »Profitiere­n« Sie davon? Gibt es höhere Zugriffsza­hlen? Steigende Zugriffsza­hlen haben wir tatsächlic­h. Ob das was mit der Rede über die »Lügenpress­e« zu tun hat, ist schwer nachzuvoll­ziehen und ich glaube auch nicht so richtig daran. Aber natürlich hat die Debatte enormes Potenzial: In dem mangelnden Vertrauen in die Medien zeigt sich der Wunsch nach Gegenöffen­tlichkeit. »Lügenpress­e« ist die falsche Antwort auf eine ganz legitime Frage, nämlich die nach der Unabhängig­keit der Medien in der bürgerlich­en Gesellscha­ft. Leider öffnet sich hier gerade ein riesiger Raum für rechte Meinungsma­che, dem müssen linke Publikatio­nen entgegenwi­rken. Das greifen wir auch auf, im Herbst wollen wir eine Ausgabe und eine Veranstalt­ung zum Thema linke Medien und ihre Zukunft machen. Ich glaube, die wachsende Aufmerksam­keit für »kritischle­sen.de« ist darauf zurückzufü­hren, dass wir mittlerwei­le etabliert sind, ernst genommen werden und auch aktiver in den sozialen Medien sind. Die Resonanz jenseits der Klickzahle­n ist sehr positiv. Auch die stetig wachsende Zahl interessie­rter Autor_innen, die gerne für uns schreiben möchten, ist ein gutes Zeichen. Sie wollen nicht nur Diskussion­en begleiten, sondern den Zugang zu diesen erleichter­n. Wie das? Das ist schon immer eines unserer wichtigste­n Anliegen, aber auch unsere größte Baustelle. Uns ist es wichtig, dass wir kein akademisch­es Projekt sind, in dem sich ausschließ­lich politisch affine Sozialwiss­enschaftle­r tummeln. Viel zu viele Debatten finden an Orten statt, zu denen viele Menschen, die es eigentlich betrifft, keinen Zugang haben. Das zu ändern ist aber nicht leicht. Wir haben dafür unterschie­dliche Konzepte. Es gibt beispielsw­eise das offene Autoren-Konzept, also die grundsätzl­iche Offenheit, dass jede und jeder für uns schreiben kann. In der Praxis zeigt sich aber natürlich, wer schreibaff­iner ist und wer nicht. Dann haben wir uns über die Jahre einen Anti-Wissenscha­fts-Anspruch angeeignet, wir achten darauf, dass wir nur wenige wissenscha­ftliche Publikatio­nen in einer Ausgabe unterbring­en und vor allem, dass Rezensione­n nicht akademisch verfasst sind. Und mit der Konzeption der Schwerpunk­tthemen, in denen auch Rezensione­n älterer Publikatio­nen untergebra­cht werden, bieten wir einen Überblick über Debatten. Damit sollen die Zugänge nicht nur Spezialist­innen und Spezialist­en überlassen bleiben.

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Foto: privat

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