Darf Satire wirklich alles?
Wiederholt wurde im Fall Böhmermann auf Kurt Tucholsky verwiesen, der gesagt habe, dass Satire alles dürfe. Aber Tucholsky selbst hat sich solcher Beleidigungen enthalten und hat das kapitalistische System anhand seiner sozialen Gebrechen und friedensfeindlichen Eigenschaften kritisiert und für eine Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse gestritten. Meines Wissens hat er niemals Persönlichkeiten jedweder Art durch Böhmermannschen Teer gezerrt.
Und zwischen Tucholsky und Böhmermann liegen einige Jahrzehnte, die jedem Satiriker nahelegen, seine Satireobjekte sorgfältiger auszuwählen. In Dänemark schmähte ein bekannter Karikaturist Mohamed und zog damit den Zorn der Muslime der ganzen Welt auf sich. Sie wollten ihn für »sein Verbrechen« töten. Das wollen sie übrigens noch heute, und deshalb lebt er eingeengt weiter unter Polizeischutz. Die französische Satirezeitung verging sich am gleichen Objekt. Mehrere Mitarbeiter der Zeitschrift bezahlten das mit ihrem Leben.
Satire kann also lebensbedrohlich sein, wenn sie grob beleidigend ist und Gefühle von vielen verletzt. – Darf also ein Satiriker alles? Das darf er durchaus, wenn er es kann.