Was essenziell war: Wir waren frei!
Zu »Sein Schreiben half uns nicht«, 6.4., S. 14
Als Herr Klingsieck mich für dieses Interview besuchte, stellte er mir zahlreiche Fragen, die sich zumeist auf mein Leben und das Leben meiner Eltern im Exil in den USA während des Zweiten Weltkriegs bezogen. Was in dem abgedruckten Text zum Ausdruck kommt, sind die nor- malen Schwierigkeiten einer Familie im Exil, sich unter veränderten Lebensbedingungen in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden, vor allem die Sprachbarriere, die vielen möglichen Kontakten im Wege steht. Der Text verweist auf unsere schwierigen Lebensbedingungen, die daraus resultierten, dass der Ein-Jahres-Vertrag meines Vaters mit der Filmgesellschaft MGM nicht verlängert wurde, weswegen wir mit einem wöchentlichen Einkommen von 18 Dollar für drei Personen zurechtkommen mussten.
Was in diesem Text aber nicht herauskommt, ist die Tatsache, dass wir frei waren! Natürlich ist es nicht leicht, von der Wohlfahrt anderer abzuhängen, um essen und die Miete bezahlen zu können. Aber mein Vater war weiterhin in der Lage, sich literarisch auszudrücken, er konnte schreiben, wie und worüber er wollte, und er konnte nach Belieben andere deutsche Exilanten treffen! Ohne jegliche Repression konnte er sich mit Jesuitenpriestern treffen und religiöse Themen diskutieren, was 1941 zu unserer Konversion zum Katholizismus führte.
Insbesondere für meine Mutter war es schwierig, die materiellen Probleme zu vergessen: nicht mehr in der gewohnten Umgebung leben zu können, nicht zu wissen, wie du deine alltäglichen finanziellen Angelegenheiten regeln sollst, die Kränkung, auf Unterstützung angewiesen zu sein… Was aber wirklich essenziell war, ist die Tatsache, dass wir frei waren in einem freien Land!!!