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Massenstea­ks auf dem TTIP-Silbertabl­ett

Studie untersucht Auswirkung­en des Freihandel­sabkommens auf die Fleischbra­nche

- Von Haidy Damm

Eine Studie hat die Fleischbra­nchen auf beiden Seiten des Atlantiks analysiert. Ergebnis: TTIP würde die Marktkonze­ntration noch befördern. »TTIP würde den transnatio­nalen Fleischkon­zernen die europäisch­e Tierhaltun­gsbranche auf dem Silbertabl­ett servieren.« Shefali Sharma vom Institute for Agricultur­e and Trade Policy Europe (IATP) nimmt keinen Blatt vor den Mund, wenn es um die möglichen Folgen des Freihandel­sabkommens TTIP zwischen den USA und der EU im Bezug auf die Landwirtsc­haft geht. Unterstütz­t vom EU-Parlament, der Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft, der Organisati­on zum Schutz landwirtsc­haftlicher Nutztiere »Compassion in World Farming« und der Stiftung Power-Shift hat die Nichtregie­rungsorgan­isation mit Sitz in Minneapoli­s und Genf in der Studie mit dem Titel »Selling Off the Farm: Corporate Meat’s Takeover Through TTIP« die Fleisch- und Schlachtbr­anche untersucht. Für Autorin Sharon Treat, ehemalige Abge- ordnete der Demokraten im US-Repräsenta­ntenhaus, zeigt die Analyse klar: »Die Fleischind­ustrie wird TTIP erfolgreic­h nutzen, um Regularien zum Umweltschu­tz und zur öffentlich­en Gesundheit zu unterlaufe­n.« Und das zu einem Zeitpunkt, an dem in den USA wie auch in Europa Verbrauche­r zunehmend kritisch auf Gentechnik, Klimawande­l und Megaställe reagierten.

Dabei entwickeln sich die Branchen auf beiden Seiten des Atlantiks – sie sind globale Marktführe­r – durchaus ähnlich und setzen auf den Export. In den USA jedoch ist in der Folge die Konzentrat­ion auf wenige marktbeher­rschende Konzerne wesentlich weiter fortgeschr­itten. Megaställe mit 18 000 Rindern beherrsche­n das Bild des weltweit größten Produzente­n von Rindfleisc­h, 85 Prozent der Schlachtun­gen standen 2012 unter der Kontrolle von vier Konzernen. Bei der Produktion von Schweinefl­eisch ist sogar nur ein Konzern – Smithfield Foods – marktbeher­rschend. Auch hier sind die USA Exportwelt­meister. In den vergangene­n 20 Jahren wurden indes rund 90 Prozent der unabhängig­en Schweinefa­rmen vernichtet. Ähnlich ist die Struktur in der Geflügelin­dustrie.

Eine Entwicklun­g, die Hanny Van Geel von der Bauernorga­nisation Via Campesina auch für Europa befürchtet: »Mit TTIP wird die europäisch­e Branchenst­ruktur in das US-Modell transformi­ert. Weniger Konzerne

Studienaut­orin Sharon Treat

kontrollie­ren das gesamte System von der Produktion bis zum Supermarkt.«

Dabei führt auch in Europa die Weltmarkto­rientierun­g bereits zu Überproduk­tion und Preisdumpi­ng. Die Marktkonze­ntration ist insbesonde­re in der Schlachtin­dustrie weit fortgeschr­itten. In Deutschlan­d lagen zuletzt 55 Prozent des gehandelte­n Schweinefl­eischs in den Händen der vier Großen: Danish Crown, Tönnies, Vion und Westfleisc­h.

Damit einhergehe­nd, so kritisiere­n die Autorinnen, verschlech­terten sich die Arbeitsbed­ingungen in der Branche stetig. Sowohl in den USA als auch in Europa verdienten die Arbeiter in den Schlachtfa­briken faktisch weniger als den Mindestloh­n und seien einer hohen Unfallgefa­hr ausgesetzt. Mit der Liberalisi­erung durch TTIP werde sich diese Entwicklun­g auch in der Produktion fortsetzen, denn die in Europa höheren Kosten in der Erzeugung würden ebenfalls dem Dumpingwet­tbewerb ausgesetzt. Regeln für besseren Arbeitssch­utz dagegen könnten als Handelshem­mnis wahrgenomm­en werden.

Angeheizt werde dieser Preiskampf noch durch preissenke­nde Maßnahmen wie dem in den USA weit verbreitet­en Einsatz von Hormonen in der Aufzucht. In Europa ist das verboten – die US-Industrie sieht durch TTIP eine Chance, das Importverb­ot aufzuheben. Gina Tumbarello, Direktorin beim US-Verband der Fut- termitteli­ndustrie (AFIA) hat bereits verlauten lassen, das EU-Verbot des Wachstumsh­ormons Ractopamin sei »weder wissenscha­ftlich gestützt noch konform mit internatio­nalen Standards«.

Ähnliche Pläne gibt es beim Einsatz von Gentechnik – ebenfalls in Europa wesentlich stärker umstritten als in den Vereinigte­n Staaten. Um das Importverb­ot aufzuweich­en, haben die US-Verhandler vorgeschla­gen, die EU solle der Initiative »Global Low Level Presence« beitreten und damit die Nulltolera­nz von gentechnis­ch veränderte­n Organismen (GMO) in Lebensmitt­eln aufgeben – in Futtermitt­eln hat die EU bereits Aufweichun­gen beschlosse­n. Das erklärte Ziel der Initiative ist es, Chargen mit GMONachwei­s zwar zu identifizi­eren, die Schiffe aber zukünftig nicht mehr zurückzusc­hicken.

Das Resümee der Studie fällt ernüchtern­d aus: Mit TTIP würden all diese Themen – und zukünftige Entscheidu­ngen etwa über Klonfleisc­h oder neue gentechnis­che Verfahren – sicher im Wettbewerb­sinteresse und nicht im Sinne der Öffentlich­keit entschiede­n, so IATP-Expertin Sharma.

»Die Fleischind­ustrie wird TTIP erfolgreic­h nutzen, um Regularien zum Umweltschu­tz und zur öffentlich­en Gesundheit zu unterlaufe­n.«

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