Bomben auf Trauergemeinde
Weit mehr als 100 Tote bei Luftangriff der saudischen Koalition in Jemen
Berlin. Es war ein Luftangriff auf eine voll besetzte Trauerhalle. Der Vater eines Ministers der Huthi-Regierung, die seit anderthalb Jahren in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa regiert, war gestorben und sollte unter großer öffentlicher Anteilnahme beerdigt werden. Doch dann kamen Bomber, erst einer, dann ein zweiter, und beschossen die Halle mit Raketen.
Das UN-Amt für die Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten spricht von einem der folgenschwersten Luftangriffe der von SaudiArabien und anderen Golfmonarchien gebildeten Kriegskoalition, die eine von Schiiten geführte Regierung in Sanaa nicht hinneh- men will und deshalb das arme Land immer wieder bombardiert. Die tödliche Bilanz diesmal laut Stand vom Sonntagnachmittag: 140 Tote und 525 Verletzte. In der Halle sollen über 1000 Menschen gewesen sein.
Die USA geben sich angesichts der Untat ihres Bundesgenossen Saudi-Arabien peinlich berührt. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Ned Price, erklärte in der Nacht zum Sonntag, die Sicherheitszusammenarbeit mit dem sunnitischen Königreich sei »kein Blankoscheck«. Die USA seien jetzt »bereit, unsere Unterstützung (für Saudi-Arabien) anzupassen, um den Prinzipien, Werten und Interes- sen der USA besser gerecht zu werden«. Diese äußerst laue Stellungnahme wird von Kommentatoren in Washington dennoch als »ungewöhnlich scharfe« Distanzierung vom Königshaus in Riad bezeichnet.
Ähnlich halbseiden fiel die offizielle deutsche Reaktion aus. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sieht offenbar die Schuld gleichermaßen verteilt und verurteilte den Angriff, ohne einen Schuldigen zu benennen: »Entsetzt verfolgen wir die militärische Eskalation der letzten Wochen und insbesondere die hohe Zahl ziviler Opfer in diesem Konflikt.
Bei verheerenden Luftangriffen auf eine Trauerfeier in Jemen sind nach Angaben der UNO mehr als 140 Menschen getötet worden. Eigentlich zweifelt niemand daran, dass die tödliche Attacke auf eine Trauerfeier vom Sonnabend in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa von saudi-arabischen Kampfbombern geflogen worden ist oder Verbündeten der Militärallianz aus Katar oder den Emiraten. Doch ein offizielles Eingeständnis gibt es nicht.
Der UNO-Koordinator für Humanitäre Hilfe in Jemen, der Brite Jamie McGoldrick, der zunächst auf Saudi-Arabien gezeigt hatte, weil der Bomber aus nordwestlicher Richtung gekommen sein und sich auch wieder in diese Richtung entfernt haben soll, will jetzt erst einmal eine Untersuchung abwarten. Dies entspricht der offensichtlich vom UNO-Generalsekretär vorgegebenen Linie. Ban Ki Moon hatte die Luftangriffe auf eine Trauerfeier in der Jemenitischen Arabischen Republik mit mehr als 140 Toten und etwa 530 Verletzten verurteilt – jedoch ohne Schuldzuweisung.
Jeder vorsätzliche Angriff auf Zivilisten sei »absolut inakzeptabel«, hatte Ban laut AFP am Sonntag in Genf erklärt. Es müsse eine »schnelle und unabhängige« Untersuchung zu dem Vorfall geben, die Verantwortlichen müssten Rechenschaft able- gen. Aus Bans Umgebung wird ausdrücklich Saudi-Arabien als Täter genannt. Es lässt sich aber niemand damit zitieren.
So wie der UNO-Generalsekretär niemanden direkt verantwortlich macht, hält es auch die Bundesregierung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier bekundete sein »Entsetzen«: »Wir begrüßen daher, dass der UN-Menschenrechtsrat dem UNHochkommissar für Menschenrechte nun ermöglicht hat, solche Vorfälle unabhängig zu untersuchen.«
Diplomaten vermerkten den Unterschied. Im Fall Syrien und dem dort bombardierten Hilfskonvoi wird offiziell auch noch untersucht; die Schuldzuweisung an Damaskus bzw. Moskau erfolgte trotzdem, auch sei- tens des UNO-Generalsekretärs, von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Steinmeier.
In Jemen hat vor anderthalb Jahren eine vom Stamme der Huthi geführte Regierung die Macht übernommen. Dafür wird die bettelarme Gebirgs- und Wüstenrepublik mit einem erbarmungslosen Bombenkrieg überzogen. In einer nüchternen Mitteilung über die jemenitische Nachrichtenagentur Sabanews heißt es, »Armeeflugzeuge« hätten am Samstag ein öffentliches Gebäude in Sanaa bombardiert, in dem sich über 1000 Trauernde nach dem Tod des Vaters eines ranghohen Huthi-Vertreters versammelt hätten. Es handele sich um ein Massaker. Dem in Sanaa stationierten Sender Al-Masi- rah TV zufolge ist auch der Bürgermeister von Sanaa, Abdel Kader Hilal, unter den Toten. Hoffnungen auf eine Verurteilung Saudi-Arabiens macht sich die Führung in Sanaa offensichtlich nicht, da sich selbst die UNO-Vermittler nach wie vor weigern, ihnen irgendeine Form von Legitimität zuzubilligen.
Als wäre das noch nicht genug, droht dem Land jetzt auch noch eine Choleraepidemie. Julien Harneis, UNICEF-Vertreter in Sanaa, spricht von ersten Cholerafällen in Sanaa und der südlich davon gelegenen Großstadt Taizz. 1,5 Millionen Kinder in dem Land litten wegen des anhaltenden Konflikts an Mangelernährung. Dadurch seien sie für Cholera besonders anfällig.