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»Der Prozess ist eine Farce«

Aktivisten des Hamburger KoZe stehen vor Gericht

- Von Peter Nowak

»Hiermit schließen wir das kollektive Zentrum in der Norderstra­ße 65 im Hamburger Münzvierte­l. Nicht weil wir nicht mehr wollen, sondern weil die hamburgwei­te Unterstütz­ung nicht ausreicht.« Mit dieser Erklärung endete vor einigen Wochen der Versuch einiger außerparla­mentarisch­er Linker, im Hamburger Münzvierte­l in der Nähe des Hauptbahnh­ofes einen selbstverw­alteten Treffpunkt für und mit der Nachbarsch­aft zu etablieren. Das Kollektiv verließ das teilbesetz­te Zentrum, nachdem der Räumungsti­tel vom Gericht bestätigt wurde.

Unterstütz­t wurde das Kollektive Zentrum »KoZe« von dem Quartiersm­anagement und vielen Anwohnern. Aber auch die Liste der Gruppen aus der linken Szene in Hamburg ist lang. Nach dem Vorbild der erfolgreic­hen Initiative im Hamburger Gängeviert­el, die sich im Zentrum selbstverw­altete Räume erkämpfte, nahmen auch die Aktivisten des »KoZe« schnell Kontakt mit der Politik auf und versuchten, die Räume zu legalisier­en. Doch im Münzvierte­l setzte die Politik auf Härte, weil die Landesbetr­iebs Immobilien­management und Grundvermö­gen (LIG) auf dem Gelände Studierend­enwohnunge­n im höheren Preisnivea­u errichten will.

Am 27. Juli 2015 begann ein Polizeiein­satz auf dem Hof des »KoZe«, der in eine mehrwöchig­e Belagerung des Geländes mündete. Fünf der anwesenden Aktivisten erhielten Strafbefeh­le wegen Widerstand gegen die Staatsgewa­lt. Sie werden beschuldig­t, sich Polizeimaß­nahmen widersetzt und die Vertreter der LIG am Betreten des Grundstück­s gehindert zu haben. Alle Beschuldig­ten haben Widerspruc­h eingelegt. An diesem Mittwoch beginnt der erste Prozess vor dem Amtsgerich­t Sankt Georg. Das Verfahren wollen die Beschuldig­ten nutzen, um auf den ihrer Ansicht nach rechtswidr­igen Polizeiein­satz hinzuweise­n.

Patrick Wagner vom Unterstütz­erkreis nennt gegenüber »nd« gleich mehrere Punkte. So sei der Polizeiein­satz damit begründet worden, dass der Schulhof besetzt worden sei. Doch die eingeleite­ten Verfahren wegen Hausfriede­nsbuch seien eingestell­t worden. Es habe sich herausgest­ellt, dass der Hof mit Zustimmung der Eigentümer genutzt wurde. »Der ganze Prozess ist eine Farce«, so Wagner. Auch die angekündig­ten Arbeiten zur Asbestbese­itigung mit denen der Polizeiein­satz gerechtfer­tigt wurde, hätten nie stattgefun­den. Wagner erhofft sich Unterstütz­ung auch über die linke Szene hinaus. Einige Aktivisten sind nach dem Ende des Projekts auf einen Berg von Schulden sitzen geblieben.

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