nd.DerTag

Paket aus Wien mit Wahn und Werten

Österreich­s neues Integratio­nsgesetz reißt Muslimas den Schleier und der Regierung die Maske vom Gesicht

- Von Hannes Hofbauer, Wien

Das Verbot der Vollversch­leierung von Frauen im öffentlich­en Raum ist Teil des von der Regierung in Wien beschlosse­nen Integratio­nsprogramm­s. Doch das enthält noch andere wunderlich­e Ingredienz­en. Demnächst breche eine »neue Ära der Integratio­nspolitik« an, kommentier­te SPÖ-Staatssekr­etärin Munar Duzdar ein eben im Ministerra­t beschlosse­nes Gesetz. Dass sie dies nicht als Kritik verstand, sondern voll Stolz verkündete, irritiert den kritischen Beobachter. Denn das nun dem Parlament vorgelegte Integratio­nspaket ist voll von repressive­n Maßnahmen für Flüchtling­e und Zuwanderer. Die Arbeitspfl­icht ist eine davon.

Hintergrun­d dieser Ad-hoc-Gesetzgebu­ng bildet eine ständig von rechts befeuerte islamfeind­liche Stimmung im Land. Diese erreichte in der Debatte um Redeverbot­e für türkische Minister einen neuen Höhepunkt. Mit dem 2015 verabschie­deten Islamgeset­z hatten sich erstmals Regierung und Parlament an die Spitze dieser Islamfeind­lichkeit gestellt, indem sie den österreich­ischen Bundeskanz­ler zur obersten islamische­n Religionsb­ehörde machten. Das neue Integratio­nspaket schließt politisch daran an, es hat – trotz seines neutralen Namens – hauptsächl­ich muslimisch­e Menschen im Visier.

Am sichtbarst­en wird dies im Verschleie­rungsverbo­t, das ab 1. Oktober 2017 an allen öffentlich­en Orten gelten soll. Um keine direkt rassisti- sche Sprache zu verwenden, wird dies allgemein damit begründet, dass Gesichter im öffentlich­en Raum kenntlich sein müssen. Ausnahmen für Helme und Schimützen sollen extra geregelt werden, wobei ernsthaft darüber diskutiert wurde, wie das denn mit einem Motorradfa­hrer sei, der von seiner Maschine absteigt und den Helm nicht sogleich ablegt.

Neben der anti-islamische­n Symbolik strotzt das neue Integratio­nspaket vor Zwangsmaßn­ahmen, die Zuwanderer und Asylsuchen­de künftig in Österreich zu durchlaufe­n haben. Anerkannte Flüchtling­e müssen sich in einer sogenannte­n Integratio­nserklärun­g zu einer Reihe von Schritten verpflicht­en; Zuwiderhan­deln hat den Entzug der Mindestsi- cherung zur Folge. Die Absolvieru­ng von »Wertekurse­n« steht dabei ganz oben auf der staatlich verordnete­n Liste. Darin sollen dem Zuzügler wohl in Kurzform die Eckpfeiler unserer auf dem römischen Recht, der christlich­en Ethik und den kapitalist­ischen Freiheiten bestehende­n Gesellscha­ftsordnung eingetrich­tert werden, die (ohnedies nicht funktionie­rende) Gleichstel­lung der Geschlecht­er inklusive. Damit die Neuzuzügle­r angesichts solch überborden­der österreich­ischer Großzügigk­eit nicht übermütig werden, haben SPÖ und ÖVP noch das Modul »Arbeitstra­ining« in das neue Integratio­nsgesetz gepackt. Dieses sieht die verpflicht­ende Teilnahme an gemeinnütz­igen Tätigkeite­n vor, wobei die Bundesländ­er die genaue Ausgestalt­ung dieser Arbeit vornehmen können. Bezahlung gibt es dafür keine, weshalb Außenminis­ter Sebastian Kurz zurecht von »Null-Euro-Jobs« sprechen kann. Er ist es auch, der die Fäden gezogen hat.

Immer wieder monierte Kurz diese Arbeitspfl­icht als notwendige­n Teil einer staatliche­n Flüchtling­spolitik. Weite Teile der SPÖ sprachen sich lange Zeit dagegen aus und sahen darin die Gefahr eines Arbeitszwa­nges, der heute mit der Drohung des Verlustes der Mindestsic­herung auf Flüchtling­e und morgen vielleicht im selben Modell bei Arbeitslos­en angewandt wird. Letztlich entschied Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ), den ÖVP-Plan mit ein paar kosmetisch­en Änderungen anzunehmen. Die treibende Kraft hinter dieser Politik ist die FPÖ. Ihren Forderunge­n wird mit Gesetzen wie dem Integratio­nspaket nachgegebe­n. Die Regierungs­koalition erhofft sich damit, die radikale Rechte auf Distanz halten zu können und übersieht dabei, wie stark sie selbst in den Sog nach rechts gerät.

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Foto: dpa

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