Paket aus Wien mit Wahn und Werten
Österreichs neues Integrationsgesetz reißt Muslimas den Schleier und der Regierung die Maske vom Gesicht
Das Verbot der Vollverschleierung von Frauen im öffentlichen Raum ist Teil des von der Regierung in Wien beschlossenen Integrationsprogramms. Doch das enthält noch andere wunderliche Ingredienzen. Demnächst breche eine »neue Ära der Integrationspolitik« an, kommentierte SPÖ-Staatssekretärin Munar Duzdar ein eben im Ministerrat beschlossenes Gesetz. Dass sie dies nicht als Kritik verstand, sondern voll Stolz verkündete, irritiert den kritischen Beobachter. Denn das nun dem Parlament vorgelegte Integrationspaket ist voll von repressiven Maßnahmen für Flüchtlinge und Zuwanderer. Die Arbeitspflicht ist eine davon.
Hintergrund dieser Ad-hoc-Gesetzgebung bildet eine ständig von rechts befeuerte islamfeindliche Stimmung im Land. Diese erreichte in der Debatte um Redeverbote für türkische Minister einen neuen Höhepunkt. Mit dem 2015 verabschiedeten Islamgesetz hatten sich erstmals Regierung und Parlament an die Spitze dieser Islamfeindlichkeit gestellt, indem sie den österreichischen Bundeskanzler zur obersten islamischen Religionsbehörde machten. Das neue Integrationspaket schließt politisch daran an, es hat – trotz seines neutralen Namens – hauptsächlich muslimische Menschen im Visier.
Am sichtbarsten wird dies im Verschleierungsverbot, das ab 1. Oktober 2017 an allen öffentlichen Orten gelten soll. Um keine direkt rassisti- sche Sprache zu verwenden, wird dies allgemein damit begründet, dass Gesichter im öffentlichen Raum kenntlich sein müssen. Ausnahmen für Helme und Schimützen sollen extra geregelt werden, wobei ernsthaft darüber diskutiert wurde, wie das denn mit einem Motorradfahrer sei, der von seiner Maschine absteigt und den Helm nicht sogleich ablegt.
Neben der anti-islamischen Symbolik strotzt das neue Integrationspaket vor Zwangsmaßnahmen, die Zuwanderer und Asylsuchende künftig in Österreich zu durchlaufen haben. Anerkannte Flüchtlinge müssen sich in einer sogenannten Integrationserklärung zu einer Reihe von Schritten verpflichten; Zuwiderhandeln hat den Entzug der Mindestsi- cherung zur Folge. Die Absolvierung von »Wertekursen« steht dabei ganz oben auf der staatlich verordneten Liste. Darin sollen dem Zuzügler wohl in Kurzform die Eckpfeiler unserer auf dem römischen Recht, der christlichen Ethik und den kapitalistischen Freiheiten bestehenden Gesellschaftsordnung eingetrichtert werden, die (ohnedies nicht funktionierende) Gleichstellung der Geschlechter inklusive. Damit die Neuzuzügler angesichts solch überbordender österreichischer Großzügigkeit nicht übermütig werden, haben SPÖ und ÖVP noch das Modul »Arbeitstraining« in das neue Integrationsgesetz gepackt. Dieses sieht die verpflichtende Teilnahme an gemeinnützigen Tätigkeiten vor, wobei die Bundesländer die genaue Ausgestaltung dieser Arbeit vornehmen können. Bezahlung gibt es dafür keine, weshalb Außenminister Sebastian Kurz zurecht von »Null-Euro-Jobs« sprechen kann. Er ist es auch, der die Fäden gezogen hat.
Immer wieder monierte Kurz diese Arbeitspflicht als notwendigen Teil einer staatlichen Flüchtlingspolitik. Weite Teile der SPÖ sprachen sich lange Zeit dagegen aus und sahen darin die Gefahr eines Arbeitszwanges, der heute mit der Drohung des Verlustes der Mindestsicherung auf Flüchtlinge und morgen vielleicht im selben Modell bei Arbeitslosen angewandt wird. Letztlich entschied Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), den ÖVP-Plan mit ein paar kosmetischen Änderungen anzunehmen. Die treibende Kraft hinter dieser Politik ist die FPÖ. Ihren Forderungen wird mit Gesetzen wie dem Integrationspaket nachgegeben. Die Regierungskoalition erhofft sich damit, die radikale Rechte auf Distanz halten zu können und übersieht dabei, wie stark sie selbst in den Sog nach rechts gerät.