nd.DerTag

Der Vulkan der Rothemden ist nicht erloschen

Die Gewerkscha­ftsaktivis­tin Junya Lek Yimprasert über Thailand fast drei Jahre nach der Machtübern­ahme der Militärs

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Könnte Thailands König Maha Vajiralong­korn einen ähnlichen Part übernehmen wie Spaniens Juan Carlos I. in den 70er Jahren? Der Letztgenan­nte spielte eine wesentlich­e Rolle während der Transforma­tion des Landes nach der Franco-Diktatur in eine Demokratie. Leider gibt es nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass der König versuchen wird, mehr Zuspruch bei der breiten Bevölkerun­g zu finden. Ohnehin dürfte Rama X., das ist sein offizielle­r Titel, eher mit der Junta sympathisi­eren als sich ein gewähltes Parlament wünschen – zumal die Generäle betonen, der Staatsstre­ich vor drei Jahren sei notwendig gewesen, um die Monarchie zu verteidige­n. Manche Beobachter spekuliere­n über diskrete Verbindung­en zwischen König Vajiralong­korn und dem ehemaligen Ministerpr­äsidenten Thaksin Shinawatra, gegen den die Militärs 2006 die Panzer rollen ließen. Der populistis­che Premier floh ins Ausland und ist heute das Idol der Rothemdenb­ewegung, die sich als »Vereinigte Front für Demokratie gegen Diktatur«, kurz: UDD, formiert hat. Die von Ihnen erwähnten Gerüchte sind, obwohl objektive Indizien fehlen, bedauerlic­herweise jener dünne Hoffnungsf­aden, an den sich Thaksins Anhänger klammern. Der Palast würde höchstens dann Partei ergreifen für Thaksin, wenn Rama X. den Eindruck gewinnen sollte, auf Thaksins Unterstütz­ung angewiesen zu sein im absolut hypothetis­chen Szenario einer Kraftprobe mit der Junta. König Vajiralong­korn ist wegen seines flamboyant­en Lebensstil­s weit weniger populär als sein charismati­scher Vorgänger Bhumibol Adulyadej. Könnte das langfristi­g die bisher unbestritt­ene Position der Monarchie gefährden? Bereits ein halbes Jahr nach dem Tod von König Bhumibol verblasst offenkundi­g die Magie des einst kritiklos verehrten Herrschers. Ich vermute, dass viele Leute schon vergessen ha- ben, dass mal ein »König der Könige« die Nation repräsenti­erte. Der Amtsantrit­t von Rama X. hat demonstrie­rt, dass der Sohn keineswegs beabsichti­gt, dermaßen hart wie sein Vater zu arbeiten, sondern inkompeten­t und undiszipli­niert ist. Mit der Konsequenz, dass nach meiner Einschätzu­ng die Loyalität zur Krone rapide abnimmt. Yingluck Shinawatra, Schwester des exilierten Premiers Thaksin und nach einem Erdrutschw­ahlsieg 2011 ihrerseits Regierungs­chefin in Bangkok bis zum jüngsten Putsch 2014, muss sich momentan vor Gericht verantwort­en wegen angebliche­r Unregelmäß­igkeiten im Zuge eines Subvention­sprogramms für Reisbauern. Ein po- litischer Prozess, um ein Comeback der Shinawatra­s zu verhindern und die Rothemdenb­ewegung dauerhaft zu schwächen, die vor allem getragen wird von der armen Landbevölk­erung im Norden des Königreich­es? Royalistis­che Eliten und altes Establishm­ent möchten natürlich die Familie Shinawatra endgültig ausschalte­n. Allerdings betätigen sich beinahe hundert Angehörige des Shinawatra-Klans im Geschäftsl­eben: Das öffnet Türen für Verhandlun­gen hinter den Kulissen, vorausgese­tzt, Yingluck akzeptiert die Autorität der Generäle und deren Spielregel­n. Gleichzeit­ig müssen sich die Militärs zurückhalt­en und ein aggressive­s Agieren gegen Yingluck tunlichst vermeiden – denn der Vulkan der Rothemden ist nicht erloschen! Juntachef und Ministerpr­äsident Prayuth Chan-ocha hat Neuwahlen und eine Rückkehr zur Zivilgesel­lschaft bis spätestens Ende 2017 angekündig­t. Hält er sein Verspreche­n? Das werden wir sehen. Sollte das Regime tatsächlic­h die Wahlen verschiebe­n, riskiert die Junta einen Aufstand des Volkes, das bisher schweigt. Gegenwärti­g wirkt die Opposition in Thailand freilich wie gelähmt, obwohl die UDD-Rothemden in der Vergangenh­eit mit Leichtigke­it die Massen mobilisier­t haben. Können Sie uns diese Passivität erklären? Wie sich die Bevölkerun­g der Diktatur unterworfe­n hat, spottet jeder Beschreibu­ng. Aber wir müssen die Hoffnung am Leben erhalten. Eines Tages wird die Vernunft zurückkehr­en nach Thailand.

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