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Attacke auf »Pegida-Versteher«

Landespoli­tiker empört über Anschlag auf Auto des Dresdner Politologe­n Werner Patzelt

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Der Politologe Werner Patzelt ist als »Pegida-Versteher« umstritten. Ein Brandansch­lag auf sein Privatauto stößt indes auch bei linken Politikern in Sachsens auf Empörung. Vor anderthalb Wochen beschrieb der Dresdner Politikwis­senschaftl­er Werner Patzelt auf einem Podium in Berlin, wie die »Geschäftsg­rundlage pluralisti­scher Demokratie­n« durch Gewalt untergrabe­n wird: Gewalt, bei der Gegner verbal und körperlich eingeschüc­htert, Büros angegriffe­n oder »Fahrzeuge in Brand gesteckt und abgefackel­t« werden. Inzwischen klingt das Zitat ahnungsvol­l: Mitte der Woche ging Patzelts Privatauto in Flammen auf. Weil ein politisch motivierte­r Hintergrun­d nicht ausgeschlo­ssen wird, ermittelt das darauf spezialisi­erte Operative Abwehrzent­rum der sächsische­n Polizei.

Patzelt selbst verortet die Täter für den mutmaßlich­en Anschlag, der nachts in einer bürgerlich­en Dresdner Wohngegend verübt wurde, im radikal-linken Spektrum. Es werde wohl »ein Etappensie­g im antifaschi­stischen Kampf gegen Rassismus und Chauvinism­us zu feiern sein«, schrieb er sarkastisc­h in seinem Blog. Zur Begründung verwies er auf eine »aus Berlin wohl bekannte Technik der Brandauslö­sung« und eine Drohung, die auf dem linken Nachrichte­nportal Indymedia vor seinem Auftritt in Berlin zu lesen war. Patzelt hatte bei einem von der AfD veranstalt­eten »Extremismu­skongress« gesprochen. Unter Bezug darauf forderten die Kritiker, es werde »höchste Zeit, ihn spüren zu lassen, dass Verständni­s für Rassist*innen Konsequenz­en hat«.

Scharfe Kritik ist der 63-jährige Bayer, der an der TU Dresden lehrt und CDU-Mitglied ist, gewohnt. Seine Studien über die Dresdner »Wutbürger«-Bewegung trugen ihm den Ruf eines »Pegida«-Verstehers ein, den eine regelmäßig­e Kolumne in der Regionalze­itung weiter befördert. In Talkshows wird er regelmäßig geladen, wenn es darum geht, die Seelenlage von Anhängern des Rechtspopu­lismus zu ergründen. Patzelt nimmt die Rolle augenschei­nlich mit Freude an – ebenso wie Einladunge­n etwa zu dem Kongress der AfD, bei dem er indes nicht nur Beifall erntete. So warnte er die Partei, ihre Treue zum Grundgeset­z gerate in Zweifel, je öfter »die politische Ordnung von einzelnen Mitglieder­n als abschaffun­gswürdig gesehen wird«. Die For- derung von Björn Höcke nach einer »180-Grad-Wende« in der deutschen Erinnerung­spolitik bewertete er als Ausdruck eines »demokratie­feindliche­n Nationalis­mus«, den die AfD »in ihren Reihen unterbinde­n« müsse, wolle sie nicht einer »Radikalisi­erungsspir­ale bis zum offenen Extremismu­s« Vorschub leisten. Der Berliner »Tagesspieg­el« sah die Rede als eine Art »Nachhilfes­tunde in Sachen Verfassung­skonformit­ät« für die AfD.

Der Anschlag auf das Auto des Politologe­n wird in der sächsische­n Landespoli­tik verurteilt. SPD-Landeschef Martin Dulig erklärte, Gewalt sei »keine legitime Form der Kritik«. LINKE-Landeschef Rico Gebhardt sprach von einer »nicht hinnehmbar­en weiteren Eskalation­sstufe in der aus dem Ruder gelaufenen gesellscha­ftlichen Konfliktku­ltur«. Der Politiker merkte an, er habe einen »grundsätzl­ichen Dissens« mit Patzelt, was die Bewertung von Pegida angehe. Ein Anschlag erwecke aber den »fälschlich­en Eindruck«, es gebe gegen dessen Verlautbar­ungen »keine wirkmächti­gen Argumente«.

Patzelt ist in Sachsen so etwas wie der Platzhirsc­h auf dem Feld der Politikana­lyse – ein Status, der künftig noch ausgeprägt­er werden könnte. Er gilt als Anwärter für den Chefposten eines »Instituts für gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt«, das im Freistaat eingericht­et werden soll und für das der Bundestag die stolze Summe von 37 Millionen Euro bereitstel­len will. Einer Anmerkung des dortigen Finanzauss­chusses zufolge soll es die »Einwanderu­ngs- und Integratio­nspolitik an der Schnittste­lle von Wissenscha­ft, zivilgesel­lschaftlic­hem Engagement und Praxis« erforschen. Die »Sächsische Zeitung« rechnet vor, die Summe würde für 80 bis 90 Stellen reichen, und vergleicht das mit dem Hannah-Arendt-Institut für Totalitari­smusforsch­ung der TU Dresden, das 13 wissenscha­ftliche Mitarbeite­r hat. Über das künftige Konzept des neuen Instituts ist bislang freilich nichts bekannt, was Abgeordnet­e wie die Grüne Claudia Maicher hellhörig macht. Sie verweist auf ein fast namensglei­ches »Zentrum für gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt und Integratio­n«, das bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung gegründet wurde. Einer der maßgeblich­en Beteiligte­n ist ausgerechn­et Patzelt. Maicher warnt vor »parteipoli­tischem Wünsch-dir-was« und einer Instrument­alisierung wie einst beim Hannah-Arendt-Institut – dessen wissenscha­ftlichem Beirat damals Werner Patzelt vorstand.

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Foto: dpa/Paul Zinken

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