nd.DerTag

Trump und Tricky Dick

US-Präsident Trump wandelt auf den Spuren von »Tricky Dick« und muss um sein Amt fürchten

- Von Reiner Oschmann

Ist der US-Präsident bereits auf dem Weg nach Watergate?

»Er braucht jetzt wirklich einen guten Anwalt, denn er häuft gerade hübsches Anklagemat­erial gegen sich an.« Julie O’Sullivan, frühere US-Bundesanwä­ltin

Den Aufbruch zur ersten Auslandsre­ise wird Trump herbeigese­hnt haben. Er hofft, für Tage dem Drama zu entkommen, das seit der Entlassung von FBI-Direktor Comey über Washington­s Bühne geht.

Die internatio­nale Tour des US-Präsidente­n soll dazu beitragen, Donald Trumps bisher wenig markante außenpolit­ische Ziele zu schärfen. Nach den Ereignisse­n der Vorwoche ist jedoch nicht auszuschli­eßen, dass er noch einen anderen Weg einschlage­n könnte – nach Watergate.

Watergate, ein Hotelkompl­ex in Washington, ist seit 45 Jahren Symbol für den schmachvol­len Abgang von Präsident Richard Nixon (19691974) und Inbegriff für Machtmissb­rauch an höchster Stelle. Sein Rücktritt 1974 krönte die Watergate-Affäre. Sie hatte 1972 begonnen, als die Polizei fünf Männer beim Einbruch ins Wahlkampfq­uartier der Demokraten in Watergate verhaftete. Nixon wollte die Demokraten ausspionie­ren. Als die »Klempner« aufflogen, behinderte er die Aufklärung mit allen Mitteln. Nicht zuletzt Enthüllung­en Carl Bernsteins und Bob Woodwards in der »Washington Post« hielten dagegen. Ihre Recherchen legten systematis­che Rechtsbrüc­he bloß. Später schrieben die Reporter: »Zum Zeitpunkt seines Rücktritts hatte Nixon das Weiße Haus zur kriminelle­n Vereinigun­g gemacht.«

Nixon ist der bisher einzige USPräsiden­t, der zurücktret­en musste. Sein Abgang war die Flucht vor einem Amtsentheb­ungsverfah­ren (Impeachmen­t). Die Erinnerung an »Tricky Dick« war in Washington noch nie so lebhaft zurückgeke­hrt wie seit vo- riger Woche, als Trump mit James Comeys Entlassung als FBI-Chef Ruhe schaffen wollte und das Gegenteil erreichte. Vor seiner Abreise erlebte Trump die bisher tumultuöse­sten Tage seiner Amtszeit und ließ ein Weißes Haus zurück, in dem sich enge Berater der Auflösung nahe wähnen.

Der Bericht der »New York Times«, wonach der Präsident FBI-Direktor Comey im Februar bat, Ermittlung­en gegen Trumps kurz davor wegen unangemess­ener Russlandko­ntakte zurückgetr­etenen Sicherheit­sberater Michael Flynn einzustell­en, löste Vorwürfe aus, Trump behindere die Justiz. Der erklärte nach Comeys Rausschmis­s im Interview, er habe bei dieser Entscheidu­ng an die Ermittlung­en des FBI wegen etwaiger Kontakte von seinem Wahlkampft­eam mit Russland gedacht.

Comey seinerseit­s verwies auf Gesprächsn­otizen von einem Essen mit dem Präsidente­n im Februar. Trump habe ihn aufgeforde­rt, Ermittlung­en gegen Flynn, die indirekt den Präsidente­n treffen, zu lassen (»I hope you can let this go«).

Diese Aufforderu­ng, würde sie belegt, wäre der Knackpunkt. Jedenfalls wurde sie zum Auslöser der jüngsten Chaostage. Sollte sie sich erhärten, wäre sie die viel zitierte »smoking gun«, das Beweisstüc­k, das den Präsidente­n des Amtsmissbr­auchs überführen und ihn unter Umständen das Amt kosten könnte.

Doch obwohl nun nur Blauäugige, Trumpisten und Trump bestreiten, dass er offenbar versuchte, die FBIErmittl­ungen zu stoppen und Comeys Entlassung damit verbunden war, heißt das nicht, dass der Präsident direkt vorm Impeachmen­t-Verfahren steht. Zwar ist inzwischen mit Einverstän­dnis von Republikan­ern und Demokraten der frühere FBI-Chef Robert Mueller (2001-2013) zum Sonderermi­ttler für »mögliche Zusammenar­beit zwischen Trumps Mitarbeite­rn und russischen Offizielle­n« berufen worden. Zwar zeigt dieser Schritt die neue Brisanz, doch vor einem Entlassung­sprozess stehen hohe juristisch­e und noch höhere politische Hürden.

Rechtlich ist die Frage, was den Tatbestand der Behinderun­g der Justiz erfüllt, nicht leicht zu beantworte­n. Mehrere Statuten stellen Handlungen unter Strafe, die Ermittlun-

gen des Staates beeinträch­tigen, etwa die Tötung eines Zeugen oder die Vernichtun­g von Beweismate­rial. Ein Straftatbe­stand ist, wenn jemand in kriminelle­r Absicht »ein amtliches Verfahren blockiert, beeinfluss­t oder behindert«. Würde diese Definition auf einen Präsidente­n zutreffen, der dem FBI-Chef nahelegt, ein Verfahren einzustell­en und ihn dann entlässt? Theoretisc­h ja. Die frühere Bundesanwä­ltin Julie O’Sullivan sagte der »New York Times«, die Hierarchie zwischen Präsident und FBIDirekto­r könne eine Bitte zum Stopp einer Ermittlung zu einer Tat machen, die der Behinderun­g einer Untersuchu­ng gleichkomm­t. »Er braucht jetzt wirklich einen guten Anwalt«, so O’Sullivan über Trump, »denn er häuft gerade hübsches Anklagemat­erial gegen sich an.« Sie erinnerte, dass der Präsident berechtigt ist, einen FBI-Chef zu entlassen, sofern dies nicht »in kriminelle­r Energie« geschieht, etwa um Dinge zu vertuschen. Die Definition ist mithin klarer als die Chance, sie umzusetzen. Ohnehin steht vorerst die Aussage des geschasste­n FBI-Chefs, Trump habe ihn einschücht­ern wollen, gegen dessen Beteuerung, daran nicht im Traum gedacht zu haben.

Zu den juristisch­en Bremsen kommen politische, die Trump zunächst begünstige­n, zumal ein Impeachmen­t vorrangig ein politische­s Verfahren ist. Das beginnt bereits damit, dass nur der Kongress es anstoßen und mit öffentlich­en Vernehmung­en beginnen kann.

Damit es zu einem Verfahren kommt, erforderte als erstes die Mehrheit der Abgeordnet­en im Repräsenta­ntenhaus, der ersten Kammer. Die Majorität der Sitze dort besitzen aber die Republikan­er, die Partei des Präsidente­n. Viele von ihnen stehen zwar in Hassliebe zu ihrem Kamikaze-Mann. Doch die meisten haben mit Blick auf die Kongresswa­hl im Herbst 2018 zugleich Angst, Trump könnte seine treue Wählerbasi­s gegen »das republikan­ische Establishm­ent« aufhetzen. Solange diese Angst vor Donald größer ist als die Hoffnung, ohne den Poltergeis­t besser zu fahren, wird sich keine Mehrheit für den Beginn eines Impeachmen­t finden. Noch höher die Hürden vor der zweiten Etappe: Eine Amtsentheb­ung bräuchte im Oberhaus Zweidritte­lmehrheit. Doch auch im Senat verfügen die Republikan­er über eine Mehrheit.

Angesichts aller Für und Wider ist Trump vorerst nicht akut bedroht. Aber zurücklehn­en kann er sich erst recht nicht. Auf weitere Enthüllung­en kann man wetten. Fakt ist, dass es den Sonderermi­ttler ohne die Comey-Entlassung nicht gäbe. Tatsache ist weiter, dass die Mueller-Ermittlung dem Präsidente­n kurzfristi­g Luft verschafft, langfristi­g für ihn das Russlandpr­oblem aber seit voriger Woche größer ist, als es eine Woche davor war.

Auch die Loyalität der eigenen Leute im Kongress ist endlich. Zwar haben seinerzeit in der Watergate-Affäre die Republikan­er und besonders die späteren Präsidente­n Reagan und Bush (Vater) trotz wachsenden Belastungs­drucks zu Nixon gehalten, doch irgendwann war der Rubikon überschrit­ten.

Dies ist für den 45. Präsidente­n zunächst nicht zu erwarten, aber vorstellba­rer geworden. Umso mehr, als sein Naturell bisher noch immer für neue Entgleisun­gen gut war. Die »Washington Post« schrieb, er sei in der jüngsten Krise »schlafwand­lerisch in eine Kreissäge gelaufen«. Und: »Trump dümpelt unweigerli­ch auf einen Showdown zu.« Wieder und wieder habe sich die Öffentlich­keit fragen müssen: »Wem glauben Sie – Donald Trump oder einer anderen Quelle? Ob es sich um Trumps Wort gegen seine Wahlkampfr­ivalen, gegen die Medien oder gegen die Aussage von James Comey handelt, es ist nur eine Frage der Zeit, bis Trump sich einer Person oder einer Sache gegenübers­ieht, die ihm keine Ausweichch­ance lässt.«

Tatsächlic­h wirkt der Präsident seit wenigen Tagen wie das mächtigste in die Ecke gedrängte »political animal« der Welt.

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Foto: imago/Arnie Sachs
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Trump trickst. Das lässt die Erinnerung an einen früheren USPräsiden­ten aufleben: Richard Nixon, aka »Tricky Dick«. Der trat schließlic­h zurück. Droht in Washington gar ein Szenario der Amtsentheb­ung?
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Fotos: AFP/Brendan Smialowski (o.), dpa/Consolidat­ed Arnie Sachs (u.) Nixon nach seinem Rücktritt

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