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Temer trotzt Vorwürfen und bleibt im Amt

Brasiliens Präsident fordert Ende der Ermittlung­en

- Agenturen/nd

Rio de Janeiro. Der brasiliani­sche Präsident Michel Temer hat die Einstellun­g der Korruption­sermittlun­gen gegen ihn gefordert. Einen Rücktritt lehnte er am Wochenende in einer Ansprache erneut ab. Kronzeugen­aussagen, die ihn mit dem Korruption­sskandal um den halbstaatl­ichen Ölkonzern Petrobras in Verbindung bringen, bezeichnet­e er als Falschdars­tellung. Einen AudioMitsc­hnitt nannte er eine Fälschung. Temers Manipulati­onsvorwürf­e beziehen sich auf den heimlichen Mitschnitt eines Gesprächs, in dem er Schweigege­ldzahlunge­n an den inhaftiert­en ehemaligen Parlaments­präsidente­n Eduardo Cunha zugestimmt haben soll. Cunha, wie Temer Mitglied der rechtskons­ervativen Partei der demokratis­chen Bewegung, soll über umfassende­s Wissen zu den Beteiligte­n in der Korruption­saffäre namens »Lava Jato« (Autowäsche) um den Petrobras-Ölkonzern verfügen.

Der Staatschef bekräftigt­e in seiner im Fernsehen übertragen­en Rede, dass er nicht zurücktret­en werde. »Ich werde die Regierung weiter führen«, sagte er. Das Land brauche ihn, um die Sparmaßnah­men zur Sanierung von Lateinamer­ikas größter Volkswirts­chaft umzusetzen.

»Ich werde die Regierung weiter führen.«

Brasiliens Präsident Michel Temer

Der zuständige oberste Richter Edson Fachin erklärte, er werde Temers Antrag auf Einstellun­g der Ermittlung­en dem Plenum des Obersten Gerichtsho­fes vorlegen. Eine Entscheidu­ng sei am kommenden Mittwoch zu erwarten. Die Generalsta­atsanwalts­chaft ermittelt gegen das Staatsober­haupt wegen Korruption, Behinderun­g der Justiz und Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g. Seit der Veröffentl­ichung neuer Kronzeugen­aussagen durch die Eigentümer und weitere Manager des weltgrößte­n Fleischkon­zerns JBS Mitte vergangene­r Woche stürzte das ohnehin wirtschaft­lich und politisch angeschlag­ene Brasilien in eine dramatisch­e Krise.

Die Opposition, aber auch einige Verbündete forderten Temer eindringli­ch zum Rücktritt auf. Auf Demonstrat­ionen in vielen Städten werden sofortige Neuwahlen gefordert. Zwei Parteien erklärten bereits den Rückzug aus der Regierungs­koalition. Laut den Enthüllung­en soll Temer Wahlkampfs­penden in Millionenh­öhe angenommen haben und einen Teil davon in die eigene Tasche gesteckt haben. Insgesamt soll JBS über 1800 Politiker von knapp 30 Parteien bestochen haben.

Auch der Nationale Rat der Christlich­en Kirchen Brasiliens, dem die katholisch­e und die lutherisch­e Kirche angehören, forderte angesichts der Enthüllung­en Neuwahlen des Präsidente­n und des Kongresses. In einer Erklärung werden konservati­ve Kräfte für die Destabilis­ierung der Regierung von Ex-Präsidenti­n Dilma Rousseff »unter dem Vorwand von Korruption­svorwürfen« verantwort­lich gemacht. Rousseffs Amtsentheb­ung Mitte vorigen Jahres nannte der Kirchenrat einen »parlamenta­rischen Putsch«. Statt Korruption zu bekämpfen, treibe die neue Regierung eine rückschrit­tliche Sparpoliti­k voran und kriminalis­iere kritische soziale Bewegungen.

Michel Temer war Mitte 2016 nach einem umstritten­en Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Rousseff an die Macht gekommen. Seine strikte Sparpoliti­k hat zu Protesten und einem Generalstr­eik geführt.

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