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Vorfahrt für US-Flüssiggas

Senat nimmt russisch-deutsche Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ins Visier

- Von Christian Mihatsch

Die geplante Erdgaspipe­line Nord Stream 2 von Russland nach Deutschlan­d ist hoch umstritten. Nun kommt ein weiterer Faktor ins Spiel: Der US-Senat will beteiligte Firmen mit Sanktionen belegen. So einig war sich der US-Senat schon lange nicht mehr: Mit 98 gegen 2 Stimmen verabschie­dete die zweite Kammer des Abgeordnet­enhauses in Washington vergangene Woche neue Sanktionen gegen Moskau. Damit solle »Russlands Einmischun­g in unsere Wahl« gestoppt werden, sagte Charles Schumer, der Fraktionsc­hef der Demokraten. Außerdem wolle der Senat verhindern, dass Präsident Donald Trump die Sanktionen aufhebt oder aufweicht. Für Russlands Präsidente­n Wladimir Putin sind die neuen Sanktionen daher »ein Zeichen für andauernde interne Machtkämpf­e in den USA«.

Die Verschärfu­ng der Sanktionen könnte Folgen für Europas Energiever­sorgung haben. Bislang waren russische Energieexp­orte von den USund EU-Sanktionen ausgenomme­n. Das soll sich nun ändern: Firmen, die »in den Bau russischer Exportpipe­lines investiere­n«, würden nun sanktionie­rt, erklärte der republikan­ische Senator Mike Crapo. Das träfe die Mitglieder des Konsortium­s Nord Stream 2, das die zweite Ostsee-Erdgaspipe­line bauen will – also auch die BASFTochte­r Wintershal­l und Uniper (vormals E.on) aus Deutschlan­d, die niederländ­isch-britische Shell, die französisc­he Engie und das teilstaatl­iche österreich­ische Unternehme­n OMV sowie alle Zulieferer der Pipeline.

Die Reaktion aus Berlin und Wien kam prompt. Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel und Österreich­s Bundeskanz­ler Christian Kern teilten mit, sie könnten »die Drohung mit völkerrech­tswidrigen extraterri­torialen Sanktionen gegen europäisch­e Unternehme­n nicht akzeptiere­n«. Europas Energiever­sorgung sein »eine Angelegenh­eit Europas und nicht der USA. Sie vermuten wirtschaft­liche Interessen hinter den Plänen: »den Verkauf amerikanis­chen Flüssiggas­es und die Verdrängun­g russischer Erdgaslief­erungen vom europäisch­en Markt«. Gabriel und Kern hoffen, dass das Gesetz noch gestoppt wird. Es be- nötigt die Zustimmung des US-Repräsenta­ntenhauses und die Unterschri­ft von Präsident Trump.

Dieser könnte an dem Gesetz aber durchaus Gefallen finden. Als Polen vor einigen Tagen die erste Lieferung von US-Flüssiggas erhielt, teilte Washington mit: Solche Exporte »sichern US-Jobs, reduzieren die Energiekos­ten für unsere Partner und tragen zu Europas Energiesic­herheit bei«. Auch gibt es ein Argument aus der ObamaÄra, warum die USA Nord Stream 2 ablehnen. Die Pipeline dient dazu, die Ukraine bei Gaslieferu­ngen von Russland nach Europa zu umgehen – mit schwerwieg­enden Konsequenz­en: Das Land verdient rund zwei Milliarden Dollar pro Jahr mit Transitgeb­ühren. Auch einige EU-Länder wie die Slowakei und Tschechien verdienen an der Weiterleit­ung von russischem Gas nach Westen. Aus diesem Grund ist Nord Stream 2 auch in Europa umstritten. Vor allem die baltischen Staaten und Polen lehnen das Projekt ab.

Ablehnend äußerte sich anfänglich auch die EU-Kommission. Vergangene Woche kündigte sie aber ihre Absicht zu Verhandlun­gen mit Moskau an. Laut dem EU-Kommissar für die Energieuni­on, Maroš Šefčovič, hätte Nord Stream 2 Auswirkung­en »für die gesamte Architektu­r der europäisch­en Gasnetzwer­ke«. Brüssel will daher vorab die Bedingunge­n des Betriebs klären, unter anderem den Zugang für Konkurrent­en der russischen Gazprom und die Preise für die Durchleitu­ng. Ob die Verhandlun­gen der EU-Behörde über einen Rechtsrahm­en zustande kommen, ist aber of- fen. Von Russland gibt es bisher keine Zusage, auch benötigt Brüssel ein Verhandlun­gsmandat, was Thema der nächsten Tagung des Energienmi­nisterrate­s am 26. Juni sein soll. Bundeskanz­lerin Angela Merkel lehnte ein EU-Verhandlun­gsmandat bereits ab.

Trotz ungeklärte­r Rechtsfrag­en sind die Vorbereitu­ngen für den Bau der Pipeline in vollem Gang: Die Finanzieru­ng von 9,5 Milliarden Euro steht und die Rohre werden bereits gefertigt. Zusammen mit der Schwesterp­ipeline Nord Stream 1 ließe sich via Ostsee rund ein Viertel des Gasbedarfs der EU decken. Damit würde der Traum von Altkanzler Gerhard Schröder, dem Verwaltung­sratschef der Nord Stream AG, Wirklichke­it: Deutschlan­d würde zur Gasdrehsch­eibe Europas.

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Foto: dpa/Jens Büttner Rohre für die geplante Erdgastras­se Nord Stream 2 liegen bereits im Hafen von Sassnitz-Mukran bereit.

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