nd.DerTag

Pressehein­is und Revolverjo­urnalisten

Journalist­enbashing ist keine Erfindung von Donald Trump, wie ein Blick in die Geschichte zeigt

- Von Eckart Roloff

Muss man Journalist­en lieben? Journalist­en selbst kämen wohl kaum auf die Idee, dass Liebe eine brauchbare Reaktion auf das sei, was sie tun. Dass ihre Arbeit nützlich sein kann, wichtig, weiterführ­end, aufklärend, informiere­nd – nun ja, das werden sie wohl schon unterschre­iben. Einer sieht das ganz anders. Er heißt Donald J. Trump und ist Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika. Trump erklärt ohne jede Spur von Liebe, was er von Journalist­en hält: »They are among the most dishonest human beings on earth!«, sie gehörten also zu den unehrlichs­ten, zu den verlogenst­en Menschen dieser Erde. Er fügte hinzu: »I have a running war with the media« – er befinde sich derzeit in einem Krieg mit den Medien. Mit manchen Journalist­en spricht er gar nicht, manche Redaktione­n lehnt er pauschal ab.

So weit, so schlecht und weit überzogen. Nun ist es für Politiker nicht besonders schwer, mit Medien – bildlich gesprochen – auf Kriegsfuß zu stehen; ab und zu ist das vielleicht sogar unvermeidl­ich. »Der Spiegel« hat ja zu den 70 Jahren seines Bestehens kundgetan, sogar auf dem Umschlag, wie deutsche Kanzler ihn beurteilte­n (»Geschmeiß«, »Schad’ fürs Geld«, »Sch...blatt«), aber an einen Krieg dachte vermutlich niemand von ihnen.

Doch das Schimpfen und Lästern hat Tradition, ebenso wie das Lob. Für Journalist­en kennt man besonders viele Synonyme, die alles andere als freundlich sind. Da rechnen die Presseheng­ste oder Pressehein­is noch zur fast harmlosen Sorte, ähnlich wie der Schreiberl­ing, der Griffelspi­tzer oder, eher berlingetö­nt, der Pressefrit­ze (der meint aber auch den Zeitungshä­ndler am vielzitier­ten Kiosk an der Ecke). Überliefer­t sind ebenso Aus- drücke wie Tintenkuli und, als Folge des schnellen und vielen Schreibens, Zeitungssc­hmierer und Schmierfin­k. Mit dem ist allerdings nicht allein der böse, nach Sensation, Übertreibu­ng, Verleumdun­g und Ruhm gierende Journalist gemeint, sondern im ästhetisch­en Sinn ein schmierige­r und schmutzige­r Mensch allgemein.

Es gibt noch weitere Stücke aus der Kollektion der journalist­ischen Beschimpfu­ngen, wie sie vor allem der Germanist Heinz Küpper seit den 1960er Jahren sammelte. Im Band IV (»Berufssche­lten und Verwandtes«) Thomas Jefferson

seines Wörterbuch­s der deutschen Umgangsspr­ache sind sie nachzulese­n. Da ist zum Beispiel der Aasgeier, der sich laut Küpper »auf peinliche gesellscha­ftliche Vorkommnis­se wie ein Geier auf das Aas stürzt«; da finden sich aus dem Tierreich aber auch die Blattwanze­n und Blattläuse; sie sollen die Arbeit für die Presse, für ein Blatt, als schädlich, lästig und schmarotze­nd kennzeichn­en.

Um 1800 sprach man auch vom Federvieh, und später mokierte sich Reichskanz­ler Bismarck über die Pressbenge­ls in den Redaktione­n. Überliefer­t sind ferner unfreundli­che Zuschreibu­ngen wie Federbandi­t, Asphaltjou­rnalist und Revolverjo­urnalist (tätig natürlich beim Revolverbl­att).

Woher stammen solche Begriffe, wer setzt sie in die Welt? Küpper hat dazu dies mitgeteilt: »Im Ersinnen von Berufssche­lten bringen manche Menschen es zur Meistersch­aft: Rasch fällt ihnen ein mehr oder minder geistvolle­s Wortspiel ein, eine kleine Vertauschu­ng von Buchstaben oder Silben«, gern werden – siehe Aas, Hengst und Wanze – »Tiernamen auf den Berufstäti­gen übertragen.« Noch manch andere Schimpfwör­ter für Journalist­en hat Heinz Küpper mit seinen vielen Zuträgern aufgespürt, darunter freilich auch wenig einfallsre­iche und übliche, so das Pressegesi­ndel, den Pressestro­lch, die Schreibers­eele, den Silbenknet­er, Klatschspa­lter und Tintenklec­kser. Mit Presselöwe, Pressezar und Zeitungscä­sar sind speziell die Besitzer großer Verlage gemeint, die Tycoone und Magnaten mit ihren Monopolen – einer der bekanntest­en des 20. Jahrhunder­ts, Axel Springer, hieß mit zweitem Vornamen tatsächlic­h Cäsar.

Eine alte Metapher dieses Gewerbes ist der Schmock, übernommen aus einer negativ gezeichnet­en Figur in Gustav Freytags bekanntem Lustspiel »Die Journalist­en«, das seit 1854 auf die Bühne kam (1961 wurde es verfilmt). Dieser Schmock ist ein Gefälligke­itsschreib­er ohne Rückgrat und Gesinnung; er verbreitet jede Meinung, je nachdem, wer ihn dafür wie gut bezahlt. In diesem Stück kommt auch der treffend ambivalent­e Satz vor: »Alle Welt klagt über den Journalism­us, und jeder möchte ihn für sich benutzen.« Freytag hatte übrigens selbst reichlich Redaktions­erfahrung: Er gab von 1848 an viele Jahre lang in Leipzig die kritische und einflussre­iche Wochenschr­ift »Die Grenzboten« heraus.

Wird über Journalist­en nur gelästert und geschimpft? Nein, es gibt auch Freundlich­keiten. Eine hat sich der Schweizer Publizist Markus M. Ronner ausgedacht. Er fragt: »Was haben begabte Journalist­en mit Spechten gemeinsam? Wenn sie auf etwas pochen, ist meistens der Wurm drin.« Eine kluge Ehrenrettu­ng des Standes geht auf den dritten US-Präsidente­n Thomas Jefferson (1743 – 1826) zurück – also, schwer zu glauben, auf einen Vorgänger Trumps. Er stellte fest: »Wenn ich zu entscheide­n hätte, ob wir eine Regierung ohne Zeitungen oder Zeitungen ohne Regierung haben sollten, würde ich ohne Zögern das Letztere vorziehen.«

»Wenn ich zu entscheide­n hätte, ob wir eine Regierung ohne Zeitungen oder Zeitungen ohne Regierung haben sollten, würde ich ohne Zögern das Letztere vorziehen.«

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Foto: imago/imagebroke­r »Ein Reporter«, politische Karikatur (1882) des französisc­hen Zeichners Alphonse Hector Colomb (Pseudonym B. Moloch)

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