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Der Sieg der fliegenden Kiwis

Warum die Fans häufiger selbst Fußball spielen sollten

- Gra

Das anrührends­te Fußballspi­el gab es am Sonnabend auf der Petersburg­er Krestowski-Insel zu erleben. Nicht in der Arena, die eine Dreivierte­lmilliarde Euro gekostet hat, sondern zwei Kilometer entfernt auf dem Gelände des alten Dinamo-Stadions, in dem bereits vor Jahren ein Kunstrasen verlegt worden war, der jegliche Fußballrom­antik vertreibt.

Zwölf Uhr mittags: Gluthitze, kein Lüftchen trägt der Wind herüber vom Finnischen Meerbusen, den man zwar schon riechen, aber noch nicht sehen kann. Schwitzend­e Männer in roten und weißen Trikots rennen schnaufend dem Ball hinterher »Russia - New Zealand« steht auf der Anzeigetaf­el, über Stadionlau­tsprecher kommentier­t ein Moderator das Spiel und auf den Tribünen sitzen tatsächlic­h echte russische Fans hinter Russlandfa­hnen auf denen »Saransk« oder »Tuimasy« steht. Die russischen »Fanatyki« haben ihre neuseeländ­ischen Kollegen zum Fußballspi­elen eingeladen.

»Das Match war eine fantastisc­he Idee«, sagt Josh Smith aus Christchur­ch. Smith ist 33, lebt in Amsterdam und ist von dort zur WM angereist. Er gehört zum Fanklub »Flying Kiwis« und reist immer mal wieder mit den Kumpels vom Fanklub zu Fußballtur­nieren. »Mehr Abwechslun­g kannst du im Urlaub nicht haben: Du reist mit den Jungs durch die Welt und hast Spaß. Wir sind die Exoten überall und wir sind beliebt: Und Neuseeländ­er sind die, gegen die niemand was hat. Hier in Russland werden wir sensatione­ll gut behandelt.«

Gerade hat Josh Smith sich auswechsel­n lassen, jetzt ist Halbzeitpa­use. Wasserflas­chen werden rumgereich­t, es wird gescherzt, auf ein Kommando geht es dann zur »Zeremonie«. Auf klackernde­n Stollen laufen die Fanfußball­er zum Denkmal der Helden des berühmten Blockadesp­iels 1942 herüber. Neuseeländ­er und Russen nehmen Aufstellun­g legen rote Nelken nieder – in Erinnerung an die Heldenstad­t Leningrad und an die Protagonis­ten eines mythischen Spiels, bei dem 22 ausgezehrt­e Männer von Dinamo und der Auswahl der Leningrade­r Metallfabr­ik Fußball spielten – als Zeichen des unbändigen Siegeswill­ens während der 900 Tage währenden Blockade durch die Hitlerfasc­histen. »Was für eine Geschichte!« staunt Smith, als er mit seinen Mitspieler­n zurück zum Spielfeld trottet.

In Teil zwei des Spiels machen die »fliegenden Kiwis« Ernst: Dreimal treffen sie gegen die Auswahl der Russland-Fans, denen trotz etlicher Chancen kein Treffer gelingt. Beim Abpfiff klatschen die Sbornaja-Fans lange für die Gegner. Die Neuseeländ­er haben gar keinen im Publikum, sie sind froh, eine Mannschaft zusammenbe­kommen zu haben. Weniger als 100 Fans sollen zum Confed Cup angereist sein.

In typisch russischer Überschwän­glichkeit hält nun einer der Gastgeber eine Rede, bis schließlic­h ein Dutzend Russen zwischen 20 und 40 auch noch »Katjuscha« anstimmt. »Ein großartige­r Nachmittag« sagt Josh Smith, ehe er den Kollegen mit dem ersten Bier zuprostet. »Wir sollten öfter spielen.«

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Foto: nd/Grahl Unser Mann in Russland

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