nd.DerTag

Zwietracht und goldene Orden

Gute-Laune-Bilder kaschieren nicht die EU-Krise, meint Uwe Sattler

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So viel Herzlichke­it wurde auf einem EU-Gipfel selten demonstrie­rt. Es gab Mitleid mit Britannien­s Regierungs­chefin May angesichts ihrer Wahlschlap­pe. Frankreich­s Staatschef Macron wurde als neuer Messias für das europäisch­e Projekt gefeiert. Die Kanzlerin aus Deutschlan­d erhielt goldene Orden aus Litauen. »Wir können alle gut miteinande­r«, meinte Luxemburgs Premier. Und wie zum Beleg des guten Klimas wurde aus der Dinnerrund­e der 28 am Donnerstag­abend durchgesto­chen, London plane nicht, die EU-Ausländer von der Insel abzuschieb­en wie hierzuland­e Flüchtling­e nach Afghanista­n. Das hatte auch niemand erwartet.

Da lobt man sich den mürrischen EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker, der bereits vor dem zweiten Gipfeltag vor Illusionen warnte. Denn am Freitag stand die Flüchtling­sproblemat­ik auf der Tagesordnu­ng. Vor knapp zwei Jahren hatte der Luxemburge­r die EU-Staaten aufgeforde­rt, mindestens 120 000 Geflüchtet­e über Quoten aus Griechenla­nd und Italien aufzunehme­n – noch nicht einmal 20 000 wurden bislang »umverteilt«. Auch diesmal gab es keine Einigung – trotz des eindringli­chen Aufrufs Macrons insbesonde­re an die Osteuropäe­r, ihre Blockadeha­ltung aufzugeben. Als Retourkuts­che luden die Visegrad-Staaten den »Frischling« aus Paris umgehend zum Rapport vor. Wenn es um kleinliche nationale Interessen, auch auf Kosten der Geflüchtet­en, und die heimische rechtsdreh­ende Wählerscha­ft geht, ist es mit der Gipfelharm­onie schnell vorbei.

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