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Setzt Moskau auf die türkische Karte?

Der militärisc­he Machtpoker im Kampf gegen den IS macht die Kurden zu einer schwierige­n Größe

- Von Jan Keetman

Der Kampf gegen die Dschihadis­ten in Irak und Syrien verdeckt nur noch notdürftig die Risse zwischen den in der Region Agierenden.

Die Sprengung der Zentralmos­chee im irakischen Mossul ist ein Zeichen, dass der Islamische Staat (IS) den Kampf um die größte von ihm kontrollie­rte Stadt aufgegeben hat. Nicht besser sieht es in Syrien aus. Von der »Hauptstadt« des IS, Rakka, blieb nur noch ein knapp fünf Kilometer breiter und etwa zehn Kilometer langer Streifen, der von den hauptsächl­ich kurdischen Syrischen Demokratis­chen Kräften (SDF) hart bedrängt wird. Langsam aber absehbar verschwind­et der IS von der Landkarte.

Doch das Verschwind­en des IS, so erfreulich es sein mag, wird die Probleme der Region nicht lösen. Bisher trennte der IS sowohl die nach voller Unabhängig­keit lechzenden Kurden in Irak von der schiitisch­en Regie- rung in Bagdad als auch die syrischen Kurden von Assad und seinen Verbündete­n. Der Puffer wird verschwind­en.

Die meisten ausländisc­hen Mächte, die in Syrien intervenie­rt haben, Russland, USA, Türkei und andere, haben dies getan, um den IS zu bekämpfen. In Moskau hat man das offenbar rasch vergessen und auch Ankara erinnert sich nicht mehr daran. Obwohl die Operatione­n im März offiziell für beendet erklärt wurden, hat die Türkei eine Enklave in Syrien besetzt und erst diese Woche erhebliche Verstärkun­gen entsandt. Präsident Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin spricht mittlerwei­le von der Errichtung einer Deeskalati­onszone in Syrien. Eine solche könnte mit Hilfe türkischer und russischer Truppen auch in Idlib errichtet werden. Die Region um Idlib ist das bei Weitem größte Territoriu­m, welches noch von Rebellen in Syrien gehalten wird. Die Beteiligun­g der Türkei könnte die Bewohner beruhigen, doch sie könnten sich auch wegen der Zusammenar­beit mit Russland verraten fühlen. Auch dürfte es Moskau selbst schwerfall­en, Präsident Assad das Misstrauen ob einer türkischen Beteiligun­g zu nehmen.

Das größte Fragezeich­en betrifft jedoch die Politik der USA. Während sowohl Moskau als auch Ankara, nachdem sie einmal in Syrien präsent waren, durchblick­en ließen, dass es ihnen nicht nur um den IS geht, hat sich Washington ganz auf den IS eingeschos­sen. Eine Änderung der Ziele, insbesonde­re wenn sie eine Fortsetzun­g bzw. Ausweitung des amerikanis­chen Engagement­s bedeuten würden, dürfte zu Hause schwer zu vermitteln sein.

Tatsächlic­h hat Präsident Trump die US-Hilfe für die Kurden erheblich ausgeweite­t. Als am 25. April türkische Flugzeuge kurdische Stellungen beiderseit­s der syrisch-irakischen Grenze bombardier­ten und an einer Stelle der Grenzwall aufgerisse­n wurde, patrouilli­erten demonstrat­iv US-Fahrzeuge entlang der Grenze. Damals taten das die Russen im westlichen Bereich der Grenze ebenfalls.

Der nächste Test erfolgte vor wenigen Tagen. Assads Truppen griffen zwischen Tabqa und Rakka kurdische Stellungen westlich des Euphrat an. Als ein syrisches Erdkampffl­ugzeug in die Kämpfe eingriff, wurde es von den USA abgeschoss­en. Nun stellte sich Moskau erstmals gegen die Kurden und drohte, alle alliierten Flugzeuge und Drohnen westlich des Euphrat zu bekämpfen.

Der Abschuss wurde von Kurden enthusiast­isch gefeiert. Erinnerung­en an Irak kamen auf, wo die Flugverbot­szone von 1991 den Weg zur Autonomie ebnete. Die Implikatio­nen sehen aber diesmal anders aus. Wegen der wachsenden Unterstütz­ung der Kurden durch die USA und der Blockade seines Verbünden Katar ist Erdogan mehr an die Seite Russlands und Irans gerückt. Präsident Putin könnte nun mehr auf die türkische als auf die kurdische Karte setzen.

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