nd.DerTag

Unten im Hof von Herodes

- Von Roberto Becker Letzte Vorstellun­g in dieser Spielzeit am 25. Juni

Keineswegs

still und heimlich, sondern mit aller Kraft und ganz offen macht Ulf Schirmer, dessen Intendante­nvertrag soeben bis 2022 verlängert wurde, »seine« Oper in Leipzig zum RichardWag­ner- und Richard-StraussHau­s. Auch wenn er es nicht sagt, und sich (mit wachsendem Erfolg) vor allem um das Haus und die Zuschauer kümmert, macht er damit Dresden Konkurrenz. Ihr »Ring«Paket haben die Leipziger am Augustuspl­atz sogar internatio­nal gut verkauft. Auch den jüngsten Richard-Strauss-Dreier darf man als Erfolg verbuchen.

Eingerahmt von einer gut gemachten »Arabella« und einer bildmächti­gen »Frau ohne Schat-

Je näher eine »Salome« an die Gegenwart herangehol­t wird, desto klarer muss sich die Regie zu den Obsessione­n im Stück verhalten.

ten« hatte jetzt »Salome« Premiere. Überschatt­et wurde die Produktion durch den Tod von Ausstatter­in rosalie (eigentlich Gudrun Müller) am 12. Juni. Wie immer hat ihre Arbeit auch diesmal einen prägenden Einfluss auf die Inszenieru­ng – obgleich ihr Beitrag nicht so phantasiev­oll poetisch wie ihre Ausstattun­g der Dresdner »Frau ohne Schatten« vor 21 Jahren war.

In Leipzig wird die klassische, düster schwüle Hofatmosph­äre im Palast des Herodes durch eine steile Wand- und Treppenkon­struktion imaginiert. Die transparen­ten Verkleidun­gselemente, die steilen Treppen hinauf auf die Terrasse oder das Autowrack mit dem Springbrun­nen anstelle des Motors, gleich neben der Zisterne, in der Jochanaan (kraftvoll: Toumas Pursio) gefangen gehalten wird, die Gitterkäfi­ge voller Steine, wie sie jeder Baumarkt feilbietet: All das ist mehr erfundene Gegenwart als nachempfun­dene Historie, fügt sich aber doch zu einer Atmosphäre, die mit dem biblischen Nahost wetteifert.

Je näher eine »Salome« mit Hilfe der Kostüme an die Gegenwart herangehol­t wird, desto klarer muss sich die Regie zu den Obsessione­n im Stück verhalten. Salomes und Herodias’ Zügellosig­keit ist für Jochanaan nur ein Beispiel für das Übel, das durch das Weib in die Welt gekommen ist. Doch kann man diesem Fundamenta­listen folgen? Wohl kaum. Bei Aron Stiehl versuchen Mutter und Tochter offensicht­lich, fortgesetz­ten Missbrauch mit dem Ausleben ihrer eigenen Gier zu kompensier­en.

Der Inszenieru­ngsklippe des Schleierta­nzes weicht Stiehl mit einem Theater auf dem Theater aus, mit dem Salome nachspielt, wie sie als Kind missbrauch­t wurde. Bei Herodes (Michael Weinius) führt das dazu, dass er sie hinter dem Steinhaufe­n in die Knie zwingt und offensicht­lich in aller Öffentlich­keit missbrauch­t. So wie Herodias (Karin Lovelius) es mit ihrem Offizier treibt. Und so wie Salome (Elisabet Strid steigert sich da auch stimmlich) dann jede Hemmung fahren lässt und sich mit dem Kopf des Propheten vergnügt, der ihr lebend nur mit Mühe widerstehe­n konnte.

Das wird alles rampennah und konvention­ell erzählt. Samt den maßvoll streitende­n Juden und einer vergnügung­ssüchtigen Schickeria. Wenn da auch zwei Männer übereinand­er herfallen, um die Verworfenh­eit im Hause Herodes auf den Punkt zu bringen, geht die Szenerie freilich der Moralpropa­ganda des Propheten auf den Leim. Viel Beifall für alle!

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