Die Kunst des Wartens
Die Leistungssportreform kommt ins Stocken, weil es an Geld und Detailklarheit fehlt
Der DOSB steckt mitten in der Umsetzung der Leistungssportreform und muss den Kern ihrer Umsetzung verschieben. Die neue Vorstandsvorsitzende hat zumindest Erfahrung auf dem Gebiet. Alfons Hörmann wollte Normalität ausstrahlen. Eine gute Stunde lang versuchte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am Freitag, den Journalisten in Berlin klarzumachen, dass die Leistungssportreform eine große Sache und daher nicht so einfach umsetzbar sei, wie es sich mancher vorgestellt hatte. Eine typische deutsche Großbaustelle eben. Davon abgesehen, dass jedem interessierten Beobachter längst klar war, welch großes Projekt sich der DOSB und das für den Sport zuständige Bundesministerium des Innern (BMI) auferlegt haben: Was derzeit zwischen den beiden großen Playern in Deutschlands Sportpolitik vor sich geht, ist nicht normal – auch wenn es um Millionen geht, und Streit dabei immer programmiert ist.
Die neueste peinliche Episode ist die Verschiebung der Reform für die Sommersportarten um einen ganzen olympischen Zyklus bis nach den Spielen 2020 in Tokio. Grund dafür ist der Kern der Reform, die PotASKommission. Sie soll anhand vieler Attribute – von Erfolgen und Medaillenpotenzialen bis zu modernen Führungsstrukturen – die Förderwürdigkeit der einzelnen Disziplinen beurteilen. Auf dieser Basis entscheidet dann der Geldgeber BMI, in welcher Höhe Sportler und Trainer unterstützt werden. Das Problem: Die fünfköpfige Kommission arbeitet vornehmlich ehrenamtlich, trifft sich nur einmal pro Woche und konnte daher noch gar nicht überprüfen, ob alle geplanten Attribute wirklich sinnvoll und zugleich valide zu testen sind. Zudem ist die Geschäftsstelle an der Uni Münster noch nicht eröffnet, Mitarbeiter fehlen ebenso wie Büromöbel.
Die Professionalisierung der Verbände, die PotAS letztlich evaluieren soll, wird aber nicht verschoben, ebenso wenig der Plan zur Konzentration von Kaderathleten und Olympiastützpunkten. Diese Prozesse sind jedoch mit »Transaktionskosten« (Hörmann) verbunden. Auf die vom BMI dafür in Aussicht gestellte Finanzspritze wartet der Sport seit der Verabschiedung der Reform. Angeb- lich hatte Abteilungsleiter Gerhard Böhm 39 Millionen Euro versprochen, von denen jedoch nur knapp neun Millionen den Weg in den Haushalt fanden. Der Frust über solche Hinhaltetaktiken und die Machtfülle Böhms lässt sogar Mitglieder des DOSB-Präsidiums hinter vorgehaltener Hand vom BöhMI sprechen.
Wie viel genau die Reform kosten wird, weiß niemand, »weil zentrale Fragen etwa nach der Organisation der Stützpunkte und des wissenschaftlichen Verbundsystems nicht konzeptionell beantwortet sind«, so Hörmann, der die kleinen Scharmützel aber nicht zu hoch bewertet se- hen will. »Dass im Zuge solcher Veränderungen naturgemäß auch mal schwierige Phasen zu absolvieren sind, ist doch völlig klar«, sagte der DOSB-Präsident. Auf der anderen Seite scheint klar, dass die Berechnungen des DOSB bei einer höheren Summe als die 39 Millionen Euro des BMI enden werden. Man wolle zuvor noch das Ende der Gespräche mit den Spitzensportverbänden Mitte Juli abwarten. Dort werden – wie vor der Reform üblich – die Ziele für den vierjährigen Olympiazyklus abgesteckt und die dafür nötige Verbandsförderung verhandelt.
Immerhin die sieben Wintersportverbände werden bereits nach den Spielen 2018 in Pyeongchang auf das PotAS-Analysesystem umgestellt, wenn es dann um die Mittelverteilung für deren nächsten Zyklus geht. Das seit einfacher als bei 31 Sommersportverbänden, stellte Dirk Schimmelpfennig am Freitag klar. »Die PotAS-Kommission ist in der Lage nach den Spielen im Februar 2018 die Berechnungen für die Wintersportverbände anzustellen. Das könnte man dann in die Haushaltspläne einpflegen. Für die Sommersportarten ist 2018 ein Funktionstest und 2019 ein Echtlauf vorgesehen«, umriss der DOSB-Leistungssportvorstand den neuen Zeitplan.
Schimmelpfennig wird dann einer neue Chefin Bericht erstatten, denn das Präsidium beschloss am Freitag, den Posten des aus Altersgründen ausscheidenden Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper an Veronika Rücker zu vergeben. Die 47-Jährige war bis jetzt Direktorin in der DOSB-Führungsakademie und beriet dort Sportverbände in Management- und Entwicklungsfragen. Das wird ihr bei den Anforderungen des neuen Jobs mit Sicherheit helfen.