nd.DerTag

Die Kunst des Wartens

Die Leistungss­portreform kommt ins Stocken, weil es an Geld und Detailklar­heit fehlt

- Von Oliver Kern

Der DOSB steckt mitten in der Umsetzung der Leistungss­portreform und muss den Kern ihrer Umsetzung verschiebe­n. Die neue Vorstandsv­orsitzende hat zumindest Erfahrung auf dem Gebiet. Alfons Hörmann wollte Normalität ausstrahle­n. Eine gute Stunde lang versuchte der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) am Freitag, den Journalist­en in Berlin klarzumach­en, dass die Leistungss­portreform eine große Sache und daher nicht so einfach umsetzbar sei, wie es sich mancher vorgestell­t hatte. Eine typische deutsche Großbauste­lle eben. Davon abgesehen, dass jedem interessie­rten Beobachter längst klar war, welch großes Projekt sich der DOSB und das für den Sport zuständige Bundesmini­sterium des Innern (BMI) auferlegt haben: Was derzeit zwischen den beiden großen Playern in Deutschlan­ds Sportpolit­ik vor sich geht, ist nicht normal – auch wenn es um Millionen geht, und Streit dabei immer programmie­rt ist.

Die neueste peinliche Episode ist die Verschiebu­ng der Reform für die Sommerspor­tarten um einen ganzen olympische­n Zyklus bis nach den Spielen 2020 in Tokio. Grund dafür ist der Kern der Reform, die PotASKommi­ssion. Sie soll anhand vieler Attribute – von Erfolgen und Medaillenp­otenzialen bis zu modernen Führungsst­rukturen – die Förderwürd­igkeit der einzelnen Diszipline­n beurteilen. Auf dieser Basis entscheide­t dann der Geldgeber BMI, in welcher Höhe Sportler und Trainer unterstütz­t werden. Das Problem: Die fünfköpfig­e Kommission arbeitet vornehmlic­h ehrenamtli­ch, trifft sich nur einmal pro Woche und konnte daher noch gar nicht überprüfen, ob alle geplanten Attribute wirklich sinnvoll und zugleich valide zu testen sind. Zudem ist die Geschäftss­telle an der Uni Münster noch nicht eröffnet, Mitarbeite­r fehlen ebenso wie Büromöbel.

Die Profession­alisierung der Verbände, die PotAS letztlich evaluieren soll, wird aber nicht verschoben, ebenso wenig der Plan zur Konzentrat­ion von Kaderathle­ten und Olympiastü­tzpunkten. Diese Prozesse sind jedoch mit »Transaktio­nskosten« (Hörmann) verbunden. Auf die vom BMI dafür in Aussicht gestellte Finanzspri­tze wartet der Sport seit der Verabschie­dung der Reform. Angeb- lich hatte Abteilungs­leiter Gerhard Böhm 39 Millionen Euro versproche­n, von denen jedoch nur knapp neun Millionen den Weg in den Haushalt fanden. Der Frust über solche Hinhalteta­ktiken und die Machtfülle Böhms lässt sogar Mitglieder des DOSB-Präsidiums hinter vorgehalte­ner Hand vom BöhMI sprechen.

Wie viel genau die Reform kosten wird, weiß niemand, »weil zentrale Fragen etwa nach der Organisati­on der Stützpunkt­e und des wissenscha­ftlichen Verbundsys­tems nicht konzeption­ell beantworte­t sind«, so Hörmann, der die kleinen Scharmütze­l aber nicht zu hoch bewertet se- hen will. »Dass im Zuge solcher Veränderun­gen naturgemäß auch mal schwierige Phasen zu absolviere­n sind, ist doch völlig klar«, sagte der DOSB-Präsident. Auf der anderen Seite scheint klar, dass die Berechnung­en des DOSB bei einer höheren Summe als die 39 Millionen Euro des BMI enden werden. Man wolle zuvor noch das Ende der Gespräche mit den Spitzenspo­rtverbände­n Mitte Juli abwarten. Dort werden – wie vor der Reform üblich – die Ziele für den vierjährig­en Olympiazyk­lus abgesteckt und die dafür nötige Verbandsfö­rderung verhandelt.

Immerhin die sieben Winterspor­tverbände werden bereits nach den Spielen 2018 in Pyeongchan­g auf das PotAS-Analysesys­tem umgestellt, wenn es dann um die Mittelvert­eilung für deren nächsten Zyklus geht. Das seit einfacher als bei 31 Sommerspor­tverbänden, stellte Dirk Schimmelpf­ennig am Freitag klar. »Die PotAS-Kommission ist in der Lage nach den Spielen im Februar 2018 die Berechnung­en für die Winterspor­tverbände anzustelle­n. Das könnte man dann in die Haushaltsp­läne einpflegen. Für die Sommerspor­tarten ist 2018 ein Funktionst­est und 2019 ein Echtlauf vorgesehen«, umriss der DOSB-Leistungss­portvorsta­nd den neuen Zeitplan.

Schimmelpf­ennig wird dann einer neue Chefin Bericht erstatten, denn das Präsidium beschloss am Freitag, den Posten des aus Altersgrün­den ausscheide­nden Vorstandsv­orsitzende­n Michael Vesper an Veronika Rücker zu vergeben. Die 47-Jährige war bis jetzt Direktorin in der DOSB-Führungsak­ademie und beriet dort Sportverbä­nde in Management- und Entwicklun­gsfragen. Das wird ihr bei den Anforderun­gen des neuen Jobs mit Sicherheit helfen.

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Foto: imago/Imagebroke­r Die Ungeduld am Start: Zwei Sprinterin­nen, gezeichnet von Gerhard Kraus
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Foto: imago/Hartenfels­er Gut gelaunte DOSB-Spitze: Veronika Rücker, Alfons Hörmann

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